Siemens bekommt die Folgen der Corona-Pandemie voraussichtlich stärker zu spüren als bisher angenommen und zieht die Prognose für das Geschäftsjahr 2019/2020 zurück. Am stärksten ging die Nachfrage in den Kernbereichen Industrie-Automatisierung und öffentliche Infrastruktur zurück.
Dennoch gibt sich Konzernchef Joe Kaeser selbstbewusst. Er will auf Staatshilfen und Stellenabbau verzichten. Auch der Börsengang der Siemens-Energiesparte soll wie geplant im September über die Bühne gehen.
Talsole wird in diesem Quartal erreicht
Bevor es besser wird, wird es erst einmal schlechter. So lässt sich der Blick von Siemens auf die Zukunft zusammenfassen. Der Konzern geht davon aus, dass im jetzt laufenden Quartal die Talsohle erreicht wird, bevor es eine Erholung geben kann. Diese aber werde kommen, zeigt sich Vorstandschef Joe Kaeser überzeugt. Zwar nicht zeitgleich überall auf der Welt und nicht in jeder Industrie gleich schnell. Doch er habe auch die Hoffnung, dass es Lerneffekte gebe, hin nicht zuletzt zu einer nachhaltigeren Wirtschaft.
"So kritisch auch die Krise ist. Es wird eine Zeit nach Corona geben. Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben. Wir wissen noch nicht genau, wann sie anbricht und wie sie sich abbilden lässt. Ich hoffe, dass die Welt etwas gelernt hat davon, was wir jetzt durchmachen. Und nicht nur ein weiter so kommt wie damals nach der Finanzkrise, wo sich ja im Prinzip nichts geändert hat, außer dass das Casino vielleicht mit noch höheren Einsätzen gespielt hat." Joe Kaeser, Siemens
Siemens hat sich stark gewandelt
Im abgelaufenen Quartal konnte Siemens den Umsatz noch stabil halten, der Gewinn gab allerdings schon deutlich nach. Der Detailblick auf die Zahlen zeigt, wie sehr sich Siemens in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Ein immer größerer Teil von Umsatz und Gewinn stammt aus dem Geschäft mit Service und Software. Gestützt wurde der Gesamtkonzern unter anderem durch ein starkes Ergebnis der Medizintechnik-Tochter "Siemens Healthineers", aber auch von der Bahntechnik-Sparte, an der die Corona-Krise bisher weitgehend vorbeizog.
Konzern hat hohe Liquiditäts-Reserven
Insgesamt sei man stabil aufgestellt, sagt Kaeser. Das zeige sich nicht nur an hohen Liquiditäts-Reserven. Gerade einmal 7.000 Mitarbeiter seien in Kurzarbeit, weniger als 6 Prozent der deutschen Belegschaft. Deswegen könne man – Stand heute – auf Staatshilfen verzichten und komme ohne Stellenabbau aus.
"Wir werden jede Möglichkeit nutzen, die Menschen bei uns zu halten, mit Ihnen auch diese Tiefe zu durchwandern, solange sie temporär in ihrer Natur ist. Wenn wir Strukturprobleme haben, wo eben Produkte nicht mehr gebraucht werden, da ist das etwas anderes. Aber ansonsten habe ich auch gesagt: Keiner verlässt das Haus hier, wenn wir andere Möglichkeiten haben, gemeinsam durch die Talsohle zu kommen." Joe Kaeser
Lob für deutsches Krisenmanagement
Eine Rolle dabei spiele auch das deutsche Krisenmanagement. Als Konzern mit globaler Aufstellung erlebt Siemens ja sehr direkt mit, wie unterschiedlich die Staaten rund um die Welt auf die schwierige Situation reagieren. Deutschland mache hier vieles richtig:.
"Es gibt viele schlechtere Beispiele. Ich finde es absolut positiv, dass das föderale System und die Bundesregierung so gut zusammen arbeitet. Da gab es ja vorher immer wieder Sticheleien und Abgrenzungen. Aber jetzt steht das Land zusammen, auch in der politischen Führung. Das finde ich richtig klasse. Und ich glaube, man hat begriffen, das hier ist etwas Größeres als Parteipolitik oder die Positionierung für künftige politische Aufgaben. Das imponiert mir schon sehr. " Joe Kaeser
Roland Busch soll Nachfolger werden
Für Joe Kaeser neigt sich die Zeit an der Siemens-Spitze dem Ende zu. Er soll Anfang kommenden Jahres von seinem Vorstands-Kollegen Roland Busch abgelöst werden. Kaeser selbst will dann an der Spitze des Aufsichtsrates von Siemens Energy stehen. Denn der Konzern hält trotz der Krise an den Plänen fest, im September sein Energiegeschäft an die Börse zu bringen.