Gerissene oder zumindest zeitweise gestörte Lieferketten, Fabriken im Lockdown, gestiegene Energiepreise, und dann noch eine sich abschwächende Konjunktur: Die vergangenen Jahre waren für viele Industrie-Unternehmen eine Herausforderung. Allerdings hätten die Firmen diese Probleme unterschiedlich gut gemeistert, sagt Cedrik Neike, Vorstandsmitglied bei Siemens. Er führt dies unter anderem auf den Grad der Automatisierung in den jeweiligen Betrieben zurück.
Industrie 4.0 heißt dieses Konzept. Es bedeutet – sehr verkürzt gesagt: Alle Systeme in einem Unternehmen sind vernetzt, bis hin zur Maschine in der Werkshalle, und sie tauschen unablässig Daten aus, die dann auf einen Blick ausgewertet werden können. Wenn Einkauf, Logistik und Produktion digital so verbunden seien, dann könne ein Unternehmen auch flexibel und schnell auf Herausforderungen reagieren. Neike zufolge eine lohnende Investition. Denn: "Firmen, die nicht investiert haben, haben riesige Wettbewerbsschwierigkeiten."
Siemens ist auch in der Oberpfalz vernetzt
Das Siemens-Vorstandsmitglied spricht von einem "Dreifach-Schock aus Industrie-Verlangsamung, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg - plus das ganz große Thema Klimawandel". Er betont die Wichtigkeit von Digitalisierung und Automatisierung. Die Industrie sei nun dazu gezwungen, beschleunigt in diese Industrie 4.0 zu investieren.
Siemens hat in den vergangenen Jahren stark in solche Technologien investiert. Auf der einen Seite nutzt das Unternehmen die Vernetzung in eigenen Fabriken. Zum Beispiel in seinem Elektronikwerk in Amberg in der Oberpfalz. Dort sei der Energieverbrauch in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken, obwohl sich die Produktion von Bauteilen in der Fabrik vervielfacht habe, so Cedrik Neike.
Neike: Knoten ist geplatzt
Auf der anderen Seite hat sich die Konzernsparte Digital Industries zum renditestärksten Geschäft des Siemens-Konzerns gemausert. Denn die Nachfrage nach solchen Technologien sei inzwischen riesig. Nach langen Jahren des Werbens für die Industrie 4.0 sei der Knoten geplatzt, sagt Neike und nutzt dafür ein Bild aus dem heimischen Esszimmer: "Ich habe das immer mit einer Ketchup-Flasche verglichen. Man versucht, aus der Flasche Ketchup herauszuholen, man schlägt auch die Hinterseite der Flasche, und Bumm: Plötzlich kommt es heraus. Das sehen Sie ja an unseren Zahlen."
Siemens-Vorstandsmitglied: Maschinen müssen intelligenter werden
Neike argumentiert, dass gerade Unternehmen in den großen Industrieländern auf Dauer gar nicht daran vorbeikämen, ihre Produktion zu digitalisieren. Ein Faktor sei auch der demographische Wandel, der viele Gesellschaften altern lässt. Damit stehen immer weniger menschliche Arbeitskräfte zur Verfügung. Schon deswegen müssten die Maschinen immer intelligenter werden.
Inzwischen sei man hier an einer Art Wendepunkt angekommen: "Das ist das erste Jahr in den G7-Ländern, also den großen Industrieländern dieser Welt, wo es zum ersten Mal weniger Neuzugänge in der Arbeitskraft gibt als Abgänge. Das heißt, überall wird es immer weniger Menschen geben, die in den Fabriken arbeiten. Das haben China, Japan, Korea, Deutschland, Frankreich alle gemeinsam. Das einzige Land, das noch nachwächst, wenn Sie so wollen, das sind die USA."
Allerdings steige auch in den USA – dem weltweit wichtigsten Einzelmarkt für Siemens – die Nachfrage. Hintergrund ist die Strategie der Regierung Biden, mit hohen Subventionen die Industrieproduktion in die USA zurückzuholen. Erfolge gibt es bereits, etwa die Ansiedelung von riesigen Batterie- und Halbleiterfabriken. Diese wiederum sind in der Regel hoch automatisiert, und damit gespickt mit Technologien von Anbietern wie Siemens.
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