In Europa sind die Gaspreise auf ein ungeahntes Niveau gestiegen. Über 300 Euro mussten Händler an den Spotmärkten für eine Megawattstunde schon bezahlen. Das langjährige Mittel liegt bei zehn bis 20 Euro. In den USA dagegen kostet Erdgas nur ungefähr ein Zehntel der aktuellen europäischen Spotmarktpreise. Das führt zu lukrativen Arbitrage-Geschäften – Deals also, die unterschiedliche Preisniveaus an verschiedenen Handelsplätzen ausnutzen.
Lukrativer Tankerbetrieb zwischen USA und Europa
Wer derzeit Zugriff auf Erdgastanker hat, kann damit sehr hohe Summen verdienen. Das hat mit den enormen Preisunterschieden auf den Erdgasmärkten in Europa und den USA zu tun. Einen großen Tanker mit flüssigem, tiefgekühlten Erdgas, kurz LNG, in den USA zu füllen kostet derzeit rund 60 Millionen Euro. In Europa ist das Gas dann 200 bis 300 Millionen Euro wert. Je nach tagesaktuellen Preisen.
Eine preisliche Annäherung zwischen den Regionen findet aber kaum statt, denn es gibt zu wenig freie LNG-Tankschiffe, die Händler einsetzen könnten, um das günstig gekaufte Gas zu transportieren. Die knapp 700 LNG-Tanker die weltweit unterwegs sind, sind gut ausgelastet. Die tägliche Charterrate ist von 80.000 auf 120.000 Euro gestiegen – bei einem Jahresvertrag.
Preise für neue Tankschiffe deutlich gestiegen
Neue Tanker zu bauen dauert. Es gibt nur wenige Werften, die sie bauen und das zu stark gestiegenen Preisen. Tanker die bislang 200 Millionen Euro kosteten, liegen mittlerweile bei 250 Millionen. Und wer jetzt einen bestellt, muss mehrere Jahre bis zur Lieferung warten. Noch extremer ist die Lage bei den Schiffen die gleichzeitig als Anlande-Terminals genutzt werden können. Die also das flüssige, tiefgekühlte LNG wieder in gasförmiges Erdgas für die Pipelines verwandeln.
US-Preisgefälle in Richtung Asien ähnlich hoch wie nach Europa
Lukrativ ist es aber nicht nur, Erdgas nach Europa zu verschiffen. Auch in Asien ist das Preisniveau sehr hoch. Weil die Preise auf den asiatischen Märkten im Schnitt aber etwas niedriger als in Europa sind, wird gerade sehr viel mehr Erdgas nach Europa verschifft. Das hat dazu geführt, dass sich die Erdgaslager schneller gefüllt haben, als erwartet.
Aus diesem Grund ist der Preis in Europa jetzt auch wieder deutlich gesunken – lag mit gut 200 Euro pro Megawattstunde Mitte September deutlich unter den vorhergehenden Höchstständen von mehr als 300 Euro pro Megawattstunde. Das liegt eben an den gut gefüllten Speichern und der damit – zumindest vorübergehenden – vorsichtigeren Einkaufspolitik der Erdgashändler. Beginnt aber die kalte Jahreszeit oder zeichnet sich ein kalter Winter ab, dann könnten die Erdgaspreise an den Spotmärkten wieder deutlich anziehen.
Teures Erdgas verteuert auch die Stromproduktion
Die extrem hohen Erdgaspreise in Europa und Deutschland machen aber nicht nur das Heizen und manche Industrieprozesse sehr teuer. Auch Stromverbraucher leiden unter den hohen Gaspreisen. Denn an den Strombörsen entscheidet immer das gerade noch benötigte teuerste Kraftwerk über den Strompreis für sämtlichen Strom der gerade gehandelt wird. Der höchste Preis gilt dann für alle Angebote. Der Mechanismus nennt sich "merit order".
Als erstes von den Händlern unter Vertrag genommen wird ja das günstigste Stromerzeugungs-Angebot. Das sind in der Regel die Erneuerbaren Energien. Aber auch Atomkraft- und Kohlekraftwerke gelten derzeit als – vergleichsweise – günstig. Werden dann noch ein oder mehrere Gaskraftwerke benötigt, um den Strombedarf für einen bestimmten Zeitraum abzudecken, kommt mit diesen Gaskraftwerken eine derzeit extrem teure Kraftwerksart dazu. Immer dann lässt das Gaskraftwerk auch den Börsenpreis für die restlichen Erzeugungsarten massiv steigen. So beeinflusst der Gas- auch den Strompreis.
"Merit Order" treibt Strompreise hoch
Ursprünglich war diese "merit order" genau so gewollt. So sollten im Strommarkt die richtigen Anreize gesetzt werden, damit immer genügend Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stehen. Jetzt ist der Strommarkt durch die extremen Gaspreise aber völlig aus dem Gleichgewicht und die "merit order" erzeugt auf der einen Seite sehr hohe Verbraucherpreise und andererseits sehr hohe Gewinne bei vielen Kraftwerksbetreibern – auch bei den Erzeugern von Erneuerbaren Energien.
Deswegen gibt es Bestrebungen, diese Auswirkungen der "merit order" zu entschärfen. Zuletzt hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Vorschläge in diese Richtung gemacht. Sie will entsprechende Gewinne abschöpfen.
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