Rohrleitungen in Lubmin wo die Nord-Stream-Pipelines enden.
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Rohrleitungen in Lubmin wo die Nord-Stream-Pipelines enden.

    Putins Macht und Deutschlands kritische Infrastruktur

    Nur 20 Prozent der Gesamtkapazität befindet sich derzeit im Erdgasspeicher Peissen GmbH, Sachsen-Anhalt. Der russische Staatskonzern hält 50 Prozent Anteile an dem Unternehmen. Auch in Bayern ist kritische Infrastruktur abhängig von Putin.

    Von der dicht befahrenen Landstraße von Peißen nach Bernburg, mitten im Herzen von Sachsen-Anhalt, geht links die Jekatarinenstraße ab und es wird sehr ruhig. Jekatarina ist die russische Version von Katharina. Der viertgrößte Erdgasspeicher Europas wurde nach der mächtigsten russischen Zarin benannt, die aus einem Adelsgeschlecht der Umgebung stammt.

    Gazprom sponserte Fußball und Kirche

    Das Gelände ist mit einem Sicherheitszaun abgeschottet. Über dem Firmenschild prangt eine Krone. Nur der Name der russischen Staatsfirma wurde vor kurzem entfernt. Dabei habe man sie vor Ort jahrzehntelang sehr geschätzt, erzählt eine blonde Frau hinter einer Ladentheke, die zwar freimütig erzählt, aber anonym bleiben möchte. Gazprom sei ein großer Sponsor hier. "Es ist was an den Fußball gegangen, immer, wenn von der Kirche was war. Finanzen und teilweise auch Arbeitsleistung. Die Betreuungskraft für den Sportplatz war zum Beispiel von Gazprom."

    Nur 20 Prozent der Gesamtkapazität Gas im Speicher

    Der gigantische Gasspeicher in den unterirdischen Salzkavernen, der noch immer ausgebaut wird, war fester Bestandteil des täglichen Lebens. Jetzt aber ist alles anders. Wie viele in Bernburg und Umgebung aber auch wie viele Deutsche überhaupt macht sich die Nachbarin des Gasspeichers Gedanken, wie es wird, wenn der Winter kommt: "Gazprom ist ja sehr groß, wir haben große Speicher unten. Man macht sich schon Sorgen, ob das mal leer ist oder weg ist." Wie geht es weiter? Dazu darf Peter Elster, Abteilungsleiter Technik und Betrieb der Erdgasspeicher Peissen GmbH, dem Bayerischen Rundfunk am Telefon nichts sagen. Nur so viel: 95, 4 Millionen Kubikmeter Gas sind Stand 20. Juni eingelagert, gerade mal zwanzig Prozent der Gesamtkapazität.

    Nordstream hat der Gemeinde Lubmin gespendet

    Lubmin an der Ostsee. Der Wind braust, der Sand ist pudrig weiß. Im Industriehafen des beschaulichen Seebads landen die Röhren von Nord Stream 2 und 1 an. Die eine Pipeline wurde nach dem russischen Überfall auf die Ukraine von Deutschland für obsolet erklärt. Bei der anderen drosselt Putin inzwischen stetig die Liefermenge. Andrea Moritz, Inhaberin des Hotels "Seebrücke" und seit vielen Jahren Mitglied im Lubminer Gemeinderat hat selbstverständlich damals für die Anlandestation gestimmt. Die war froh, über jede Industrieansiedelung und sagt: "Klar hat Nordstream z.B. unserer Gemeinde auch mal Spenden gegeben über die Jahre. Wenn ihre Kinderfeuerwehr irgendwelche Bedürfnisse hat und man weiß nicht, wie man es bezahlen soll, ist man froh über spenden."

    Pipelines als Waffen wie Panzerfäuste und Granaten

    Öl und vor allem Gas gehören zu Putins Kriegsmaschinerie wie Panzerfäuste und Granaten. Wolfgang Muno, Professor für Politologie von der Universität Rostock spricht deshalb von einer fahrlässigen Naivität Deutschlands. Die enge Bindung wurde 2014 fortgesetzt, als Russland die Krim annektiert hatte. Wolfgang Muno sagt, es sei ja nicht nur um eine Gaspipeline gegangen, sondern "wir haben mittlerweile unsere kritische Energie-Infrastruktur komplett an russischen Staatskonzerne verscherbelt, wie die Gasspeicher oder die Erdölraffinerie in Schwedt, die fast ganz Ostdeutschland mit Benzin versorgt und Rosneft gehört.“

    In Vohburg konzentrieren sich Abhängigkeiten von Gas

    Auch Bayern hängt am russischen Tropf. Martin Schmid, 68, der erste Bürgermeister von Vohburg ist überaus stolz darauf, dass sich die kleine Stadt an der Donau während seiner Amtszeit von einer hoch verschuldeten zu einer wohlhabenden Kommune mit hohen Gewerbesteuereinnahmen gewandelt hat. Gleichzeitig bündeln sich dort hochsensible energetische Abhängigkeiten. Martin Schmid, ein sonst optimistischer Mann, schaut plötzlich sorgenvoll und erzählt von den drei Großbetrieben an der Stadtgrenze. Das ist die zum einen die Bayernoil, die Öl und Gas benötigt. "Dann haben wir UNIPER und nebendran haben wir die MERO. MERO empfängt Öl und UNIPER wird eigentlich nur noch mit Gas versorgt, das ist das modernste Gasturbinenkraftwerk." Diese Unternehmen seien natürlich von Gas total abhängig, beklagt der Bürgermeister. Hier wird momentan der Block sechs gebaut. Für die Notstromversorgung. "Das heißt, wenn der Strom nicht mehr da ist, dass die mit Gas zuschalten können und den bayerischen Raum versorgen können", so Martin Schmid, der Bürgermeister von Vohburg. Er gehört der SPD an. Früher habe er Gerhard Schröder als Bundeskanzler geschätzt, jetzt sei er tief enttäuscht, wie sehr dieser Putin an der Seite stehe. Übrigens hatte erst 2019 Rosneft seinen Anteil an der Bayernoil-Raffinerie auf fast dreißig Prozent aufgestockt.

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