"Wenn sich die Fehler häufen, kann das am Ende zu ernsten Vorfällen, zu Unfällen führen." Genau davor warnt der europäischen Pilotenverband ECA aufgrund des aktuell herrschenden Personalmangels im Flugbetrieb. Überstunden, Arbeitstage von zwölf Stunden und der Verzicht auf Freizeit seien an der Tagesordnung, so die Technik-Fachfrau der ECA, Tanja Harter.
Personal in der Flugbranche: kaum Aussicht auf Besserung
Da kaum Aussicht auf eine Besserung bei der Personalsituation besteht, fordert der Verband von der EU-Luftfahrtaufsicht EASA, dass sie sich mit einem Sicherheitshinweis an die Airlines wendet, ihr Personal nicht unter Druck zu setzen. Letztlich könne das zu weiteren Flugstreichungen führen, ergänzte ECA-Direktor Paul Reuter.
Nach Erkenntnissen der ECA verloren während der Pandemie 18.000 Flugzeuglenker in Europa ihren Job, rund ein Drittel. Auf Bemühungen von Airlines, sie zurückzuholen, gingen nicht alle ein, da sie etwa als Ingenieure andere attraktive Jobs gefunden hätten. Nicht nur die Bodendienste an den Flughäfen seien personell ausgeblutet, sondern auch die Crews. "Der Glamour reicht nicht aus, die negativen Folgen auszubügeln. Wir sehen eine Menge Leute gehen." Neben dem aktuell besonders großen Stress liege das auch an den sich schon länger verschlechternden Arbeitsbedingungen für Piloten, die nicht mehr alle mit Sozialleistungen fest angestellt werden, sondern zu Selbstständigkeit gezwungen seien.
EASA arbeitet mit Mitgliedsstaaten an möglichen Lösungen
Die EASA erklärte, sie sei sich der potenziellen Sicherheitsprobleme durch Übermüdung und Stress, insbesondere von Piloten bewusst. Sie arbeite mit EU-Mitgliedstaaten an Einzelfallprüfungen, zum Beispiel über die Lage am Flughafen Schiphol/Amsterdam, und werde womöglich reagieren. Ein Sicherheitshinweis (Safety Information Bulletin) sei ein Instrument, das zum Einsatz kommen könne, ergänzte eine Behördensprecherin.
Airlines finanziell unter Druck
Wirtschaftsforscher von der Kreditversicherung Allianz Trade gehen davon aus, dass sich die Situation so bald nicht bessern wird. Für die Fluggesellschaften seien die Personalkosten mit einem Anteil von 25 Prozent der größte Kostenblock nach Kerosin. Sie hätten in einem finanziell angespannten Umfeld "kaum Anreize, das während der Pandemie abgebaute Personal aufzustocken." Die Airlines in Europa hätten ihre Belegschaft 2021 um weitere acht Prozent reduziert, hieß es. Dies führe nun auch zu Flugstreichungen. "Die Fluggesellschaften versuchen, die Verluste von zwei Jahren Corona-Pandemie wettzumachen", sagte Milo Bogaerts, der Chef von Allianz Trade in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz.
Die Verbraucher müssten sich auf höhere Ticketpreise einstellen, wie bereits von Lufthansa und anderen Airlines schon mit Verweis auf die gestiegenen Kerosinkosten erklärt. Seit Anfang 2022 seien die Kerosin-Kosten um 89 Prozent in die Höhe geklettert und dürften weiter steigen. Das Fliegen wird nach Schätzung von Allianz Trade im Gesamtjahr um 21 Prozent teurer sein als noch vor Jahresfrist.
Chaos an den europäischen Flughäfen
An Flughäfen in Deutschland und Europa kommt es derzeit zu langen Wartezeiten, Verzögerungen und Tausenden Flugstreichungen. Grund ist vor allem Personalmangel bei den Bodendienstleistern, aber auch in der gesamten Luftfahrt. Die Branche hat eingeräumt, in der Virus-Pandemie mitunter zu viel gespart und ein zu ehrgeiziges Flugprogramm für den Sommer geplant zu haben.
(mit Material von Reuters)
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!