Müllermeister Rudolf Sagberger kontrolliert das frische Mehl in seiner Mühle
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Rudolf Sagberger ist der Müllermeister in der Bartmühle in Bruckberg bei Landshut

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Mühlen im Aufwind: Altes Handwerk boomt durch Corona

Frisch gemahlenes Mehl vom Müller aus der Region - das wünschen sich immer mehr Verbraucher. Auch weil viele während der Corona-Pandemie angefangen haben, selbst Brot zu backen. Der Wert des alten Müllerhandwerks wird wieder mehr geschätzt.

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Die Wasserkraft aus dem Klötzlmühlbach treibt seit Jahrhunderten die Bartmühle in Bruckberg bei Landshut an. Seit 1465 wird dort Mehl gemahlen. Rudolf Sagberger ist Müller in der dritten Generation. Der Müllermeister hat sein Mehl viele Jahre nur an wenige Großabnehmer verkauft. In diesem Jahr wurde das – wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie – plötzlich zu einem Problem.

"Anfang März habe ich wirklich Angst vor der Zukunft bekommen. Denn mein größter Kunde hat überhaupt kein Mehl mehr gebraucht. Er ist ein Bäcker, der Flughäfen, Gastronomen und Caterer beliefert, und hat auf einmal nichts mehr verkauft." Rudolf Sagberger, Müllermeister

Doch der Müller hat einen rettenden Ausweg gefunden: die Lohnvermahlung. Das bedeutet, die Landwirte liefern ihr eigenes Getreide an, der Müller mahlt daraus Mehl und bekommt für seine Arbeit einen Lohn. Der Bauer holt dann sein Mehl ab und verkauft es direkt an seine Kundschaft.

Rudolf Sagberger hat sich an seinen Opa erinnert, der einst die Mühle betrieben hatte. "Damals hat der Landwirt das Getreide zur Mühle gebracht. Früher war das Gang und Gäbe. Da hat es nur Lohn- und Umtausch-Mühlen gegeben. Erst nach dem Krieg, als die Landbevölkerung in die Stadt gezogen ist, entstand das Handelsmehl. Zuletzt waren wir eine reine Handelsmühle."

In der Bartmühle erlebt nun das alte Prinzip der Lohnvermahlung eine Renaissance. Zudem sind in in den vergangenen Monaten viele Menschen zur Bartmühle gekommen, um direkt vom Müller Mehl zu kaufen – und das, obwohl die Mühle keinen eigens ausgestatteten Mühlenladen hat. Die Sagbergers füllen von Hand kleine 2,5-Kilo-Tüten für Normalverbraucher. Liefer-Engpässe hatten sie während der Pandemie bisher nicht.

Landwirte, Müller und Bäcker arbeiten zusammen

Weil der Zwischenhandel ausgelassen wird, rentiert sich die Lohnvermahlung auch für Bio-Landwirt Tobias Kratzer. Er freut sich, dass er damit "eben auch ein bisschen was dran verdient und nicht nur immer die größeren Firmen". Durch eine enge Partnerschaft mit einer Mühle haben beide, also Landwirt und Müller, etwas davon.

Der Müller garantiert den Landwirten, dass bei der Lohnvermahlung exakt das Mehl aus dem angelieferten Getreide an sie zurückgeht. Bio-Bauer Kratzer fährt dann sein frisch gemahlenes Dinkel-Mehl direkt weiter zu einer Bäckerei in Freising. "Die Zusammenarbeit ist für mich das Schöne," sagt Kratzer, "da weiß ich, der macht da gute Sachen draus. Das Mehl landet eben nicht irgendwo."

Kurze Wege und Zutaten aus der Region

Keine 25 Kilometer von der Bartmühle und neun Kilometer vom Bio-Hof von Tobias Kratzer entfernt betreibt in Freising die Bäckerei und Konditorei Geisenhofer ihr Geschäft. Die Backstube befindet sich mitten in der Stadt. Fertige Backmischungen sind in dem Handwerksbetrieb tabu. Der junge Bäckermeister Stefan Geisenhofer setzt auf traditionelle Zutaten aus der Region – und auf lange Ruhezeiten für den Teig. Das macht sich beim Preis bemerkbar.

"Wir verlangen ein bisschen mehr, weil das Mehl mehr kostet. Aber die Qualität von dem Mehl unserer regionalen Bauern ist viel besser als das Mehl, das mit dem Schiff aus dem Ausland kommt. Der Müller lagert das Mehl einige Zeit. Und je länger das Mehl ruht, umso besser werden die Backwaren." Stefan Geisenhofer, Bäcker- und Konditormeister

Die Resultate kommen gut an. Die Bäckerei läuft sehr erfolgreich, besonders seit Corona. Geisenhofer hat mittlerweile fünf Filialen und beschäftigt 100 Mitarbeiter. Und er will in Zukunft noch mehr Mehl beziehen - hergestellt von Landwirten und Müllern aus der Region.

Bio-Getreide aus der Region kommt gut an

In der Wolfmühle bei Forstinning im Landkreis Ebersberg ist das Vermahlen und direkte Vermarkten schon länger Programm. In der vierten Generation arbeitet Andreas Löffl dort als Müllermeister. Verpackt in handliche Tüten liefert die Wolfmühle das Mehl entweder an den Bio-Einzelhandel oder zurück an die Landwirte, die es dann ab Hof verkaufen. Einen Teil vermarktet Löffl auch selbst, im familiengeführten Mühlenladen. Seit der Corona-Pandemie ist hier deutlich mehr los.

"Wir haben tatsächlich sehr viele neue Kunden bekommen. Die wundern sich dann oft, dass es überhaupt noch eine Mühle gibt, dass wir tatsächlich selber mahlen und dass ich wirklich der Müller bin. In der Öffentlichkeit nimmt man Mühlen heutzutage ja nicht mehr so wahr." Andreas Löffl, Müllermeister

Löffl erzeugt nur Bio-Getreide von Landwirten aus der Region. Er helfe den Landwirten, ihre Getreideernte so aufzubereiten, dass sie dann das Mehl selbst verkaufen können, sagt der Müllermeister. Das Abfüllen in kleine Tüten sei aufwändig. Müssten das die Landwirte selbst machen, würde sich das nicht lohnen.

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