Ludwig-Erhard-Gipfel Tegernsee Summit Mai 2023
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Die kritischen Worte zur deutschen Wirtschaftspolitik auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel fanden großes Interesse.

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Ludwig-Erhard-Gipfel: Wirtschaft kritisiert deutsche Politik

Mehr als 1.000 Gäste aus Politik und Wirtschaft, zwei Tage lang intensive Diskussionen: Beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee geht es darum, wie es nach Krieg und Krisen weitergeht. Mit der Politik der Bundesregierung ist kaum jemand zufrieden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Schon zum neunten Mal findet der Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee statt. "Kommt nach Krieg und Krisen das neue Wirtschaftswunder?" - um diese Frage geht es zentral auf den Podien in diesem Jahr. Schnell wird klar: Die meisten Diskutanten und Rednerinnen haben ihre Zweifel. Auch hinter einem vermeintlichen "Wunder" stecke meist harte Arbeit; aber mit der aktuellen Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition in Berlin ist kaum jemand zufrieden auf der Tagung am Tegernsee.

Viele Fragezeichen bei der Energiepolitik

"Es gibt keinen Masterplan", konstatiert Prof. Klaus Josef Lutz, langjähriger Chef der BayWa und jetzt Präsident der IHK für München und Oberbayern. Lutz beklagt vor allem die vielen Fragezeichen bei der Energiepolitik, mit Blick auf die zukünftige Versorgung von Industrie und Mittelstand, genau wie die Verstromung von immer mehr Kohle.

Außerdem stören Lutz die immer neuen Vorgaben der EU-Kommission, die unternehmerisches Handeln zunehmend beschränken würden: "Wir regulieren lieber, als dass wir wirklich unsere Chancen nutzen."

EU bei Forschung abgehängt

Außer dem früheren BayWa-Chef kritisieren auch eine Pharmamanagerin und ein Unternehmensberater übereinstimmend, dass sich die Machtverhältnisse auf dem Globus verändert haben, dass aber viele politisch Verantwortliche bei uns dies bislang ignoriert hätten. Die EU sei bei Forschung und Entwicklung längst von den USA abgehängt, konstatiert Manuela Buxo von Sanofi Speciality Care.

Henrik Ahlers, Chef von EY Deutschland, warnt davor, den Status quo einfach festzuschreiben. Das sei zwar einerseits angenehm und entspannend, aber "um uns herum schläft die Welt nicht." Auch auf diese Frage müsste Europa eine Antwort finden: Wenn die USA von ihren Handelspartnern verlangen würden, auf Geschäfte mit China zu verzichten. "Es ist schwierig, abhängig zu sei und keinen Plan B zu haben."

Kritik an Deglobalisierungs-Konzepten

Reshoring, Onshoring, Friendshoring – Wo liegen Deutschlands neue Partner und Werkbänke? Manch einer der Gäste hat seine Schwierigkeiten mit solchen Begriffen, die immer auch (be-)werten. Würde Europa künftig nur noch Geschäfte machen mit vermeintlichen "Freunden", dann würde der Kreis potentieller Partner wohl sehr klein, meint Angela Titzrath, die Chefin der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Niemand sei autark. Es sei ein Dilemma, dass Länder wie China zugleich Partner und Mitbewerber seien, was das vornehmere Wort für Konkurrenten ist.

Häufig lohnt es sich, die Nachbarn um Rat zu fragen. Der Blick von außen kommt von einem Schweizer. Michael Wurmser pendelt seit einiger Zeit zwischen London, Zürich und Stavanger in Norwegen. Wurmser hat Norge Mining gegründet. Die Firma ist im Südwesten von Norwegen auf gigantische Rohstoffvorkommen gestoßen, unter anderem auf Phosphat und Titanium. Zentral sind diese Rohstoffe z.B. für die Batterietechnologie und für die Produktion von Halbleitern.

"Tektonische Verschiebungen in der Weltpolitik"

Wie viele andere Teilnehmer auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel spricht auch er von "tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik". Deutschland sei immer noch die stärkste Wirtschaftsmacht in der EU. Und dann sagt der Schweizer Top-Manager etwas Überraschendes: "Es braucht mehr Führung hier. Deutschland ist ganz klar in der Pole Position als wirtschaftliche Führungsmacht in Europa."

Die Zukunft der Erneuerbaren Energien, der künftige Umgang mit Russland, das Verhältnis zu den USA, China und Taiwan – dies alles seien große Herausforderungen, bei denen die EU an einem Strang ziehen müsse, zusammen mit der Schweiz, Norwegen und Großbritannien.

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