Für viele Reisende bedeutet der Streik der Lokführergewerkschaft GDL Strapazen. Noch bis in die Nacht zum Freitag streiken die Lokführer.
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Der Streik bei der Deutschen Bahn sorgt bundesweit für Zugausfälle und Verspätungen.

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Lokführer-Streik: Fronten zwischen GDL und Bahn weiter verhärtet

Für viele Reisende bedeutet der Streik der Lokführergewerkschaft GDL enorme Strapazen. Noch bis in die Nacht zum Freitag soll der Ausstand andauern. Bahn und GDL geben sich verhandlungsbereit, womöglich wird es aber nicht der einzige Streik bleiben.

Der Lokführerstreik zwingt zahlreiche Reisende derzeit zum Improvisieren. Zwar ist der Ersatzfahrplan nach Bahn-Angaben stabil, doch im Fernverkehr sind drei Viertel der Fahrten gestrichen. Auch im Regionalverkehr und bei der S-Bahn müssen Fahrgäste Einschränkungen hinnehmen.

Entscheidung über weitere Streiks in der kommenden Woche

Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, wertete die ersten Stunden des Streiks als vollen Erfolg. Bereits um 6.00 Uhr morgens habe man um die 700 Züge zum Stillstand gebracht. Zudem hätten auch Fahrdienstleiter in mehreren Stellwerken mitgestreikt, sagte Weselsky gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Dies sei für die GDL besonders ermutigend, da sie sich auch jenseits des Zugpersonals bei der Bahn ausbreiten wolle. Der Ausstand finde bundesweit statt und treffe Nah-, Fern- und Güterverkehr. Da es in Westdeutschland aber noch Beamte gebe, die nicht streiken dürften, seien die Auswirkungen in Ostdeutschland größer.

Unmut aber auch Verständnis bei Bahn-Reisenden

Die Bahn-Reisenden am Würzburger Hauptbahnhof zeigten für die Streiks Verständnis. Ein Reisender sagte gegenüber Bayern 1: "Die Inflation ist hoch genug und dann sollen sie auch mehr verdienen." Selbst eine Frau, die ihren Urlaub aufgrund der Streiks verschieben musste, sagte, sie finde den Streik grundsätzlich gut. Eine andere Frau sagte: "Ich meine wir sollten aus dieser Krise rausgehen mit einem solidarischeren Ansatz, heißt höhere Löhne. Da gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt."

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Einige Reisende aber wurden vom Streik überrascht. "Ich finde das unmöglich von den Lokführern. Ich bin zwar für Tariffreiheit. Aber jetzt nach der Pandemie, wo man endlich wieder wegfahren könnte, müsste das nicht sein. Und so kurzfristig noch dazu", schimpfte eine betroffene Bahnreisende in Regensburg, deren Reise nach Berlin abgesagt wurde.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hatte die kurzfristige Streikankündigung der Lokführer zuvor heftig kritisiert. Mittelfranken-Sprecher Siegfried Lemmer sprach im BR-Interview von einem "Affront gegen die Fahrgäste". Der Verbraucherverband fordert demnach wenigstens 48 Stunden Vorlauf bei Streiks.

GDL-Chef mit harscher Kritik am Bahn-Management

GDL-Chef Weselsky bekräftigte die Forderung an die Bahn, ein neues Angebot vorzulegen. Die Offerte mit einer Laufzeit von 40 Monaten bedeute eine Entwertung des Tarifs über die Länge der Laufzeit von unter einem Prozent im Jahr. "Das ist für uns nicht verhandelbar", sagte Weselsky.

Die Lokführergewerkschaft kämpft um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder. "Wir machen Überstunden, wir haben zu wenig Personal an Bord, Lokführer, Fahrdienstleiter, Werkstattmitarbeiter, überall fehlt es", klagte Weselsky in einem Interview mit der ARD-Tagesschau, in der er mit Kritik am Bahn-Management nicht sparte. Eisenbahnern würden kleine Betriebsrenten von 150 auf 100 Euro gekürzt, "während sich die 3.500 Führungskräfte bei der bahn Altersversorgungssysteme zugeschanzt haben, die bis zu 20.000 Euro im Monat vorsehen", so Weselsky. Das sei unanständig und ungerecht. Man erlebe seit Jahrzehnten ein Missmanagement, das den Schuldenberg der Bahn anhäufe. "Die Anzahl der Häuptlinge in diesem Unternehmen wird immer größer, während die Indianer fehlen."

Bahn-Vorstand: Lokführer-Forderungen überzogen

Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro im laufenden Jahr. "Wir erwarten Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit", sagte Weselsky. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Wegen Milliardenverlusten in der Pandemie will die Bahn die Erhöhung auf spätere Stufenzeitpunkte verteilen, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler warf der Gewerkschaft einen überzogenen Streik vor und zeigte sich zugleich verhandlungsbereit. "Jetzt ist miteinander gefragt, wie wir gemeinsam aus dieser schwierigen Krise herauskommen", so Seiler am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. "Auch wir wollen, dass unsere Mitarbeitenden vernünftig bezahlt werden, und deshalb haben wir auch dieses vernünftige und erweiterte Angebot vorgelegt." Man liege zugegebenermaßen in der Laufzeit auseinander, auch bei der Corona-Prämie. Aber das seien ureigenste Dinge, die am Verhandlungstisch besprochen werden müssten.

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Streik in der Pandemie: Weselsky entkräftet Vorwurf

Weselsky wehrte sich gegen den Vorwurf, der Streik sei wegen jetzt überfüllter verbleibender Züge in der Corona-Pandemie besonders gefährlich. Die Züge seien teils schon vor dem Arbeitskampf sehr voll gewesen. Zudem habe die GDL schon vor längerer Zeit ein Reservierungssystem gefordert, um die Zugauslastung zu steuern. Die Bahn habe dies abgelehnt. Aber auch die derzeit niedrigen Corona-Zahlen habe die GDL im Blick gehabt, wie Weselsky in einem Interview mit der ARD-Tagesschau bekräftigte.

Flugverkehr und Busanbieter profitieren vom Streik

Wegen des Passagierandrangs setzt die Lufthansa bis einschließlich Freitag größere Flugzeugtypen auf ihren innerdeutschen Flügen ein, wie eine Sprecherin berichtete. Der Fernbus-Anbieter Flixbus verzeichnet nach eigenen Angaben im Vergleich zur Vorwoche eine um etwa 70 Prozent höhere Nachfrage. Die Fernzüge der Marke Flixtrain würden um rund 30 Prozent mehr gebucht. Bei einer erhöhten Nachfrage steigen auch die Preise für die Einzeltickets. Flixbus und Lufthansa arbeiten mit automatisierten Buchungssystemen, die automatisch höhere und teurere Buchungsklassen aufmachen, wenn die Plätze knapp werden.

Ungewöhnlich lange Staus gab es im Berufsverkehr jedoch nicht. In der Mehrzahl der Bundesländer sind aktuell Schulferien. Deshalb waren auch viele Urlauber betroffen. So fielen Fahrten der Konzerntochter Usedomer Bäderbahn ersatzlos aus. Züge zwischen der Ferieninsel Sylt und dem Festland waren am frühen Morgen voll - Abstand halten unmöglich, wie es von einer Pendlerinitiative hieß.

Der Streik soll in der Nacht zum Freitag enden. Wer nicht zwingend muss, sollte bis dahin nicht Zug fahren, rät die Bahn. "Wir setzen alles daran, damit wir am Freitag wieder im Regelbetrieb fahren können." Weitere Streiks sind jedoch möglich. "Das entscheiden wir nächste Woche", kündigte GDL-Chef Weselsky im ZDF an.

Video: Welche Rechte haben Bahnreisende während des Streiks? Antworten im BR24live

Streik Deutsche Bahn
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Ein Regionalzug der Deutschen Bahn (Symbolbild)

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