Die Börse in New York von außen
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Nicht nur in den USA setzen Investoren zuweilen auf fallende Kurse

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Was sind Leerverkäufe? Einfach erklärt

Leerverkäufer setzen auf fallende Kurse, sie gehen "short". Sie verkaufen Aktien oder andere Wertpapiere, die sie gar nicht besitzen, sondern nur geliehen haben, und kaufen erst später. Sinkt der Kurs, haben sie einen Gewinn. Das BR24 Börsenglossar.

Leerverkäufe sind klassische Termingeschäfte. Ein Anleger ist überzeugt, dass Aktie X nach einem rasanten Kursanstieg an der Börse zu teuer geworden ist. Er ist überzeugt, dass der Kurs deswegen fallen wird und handelt.

Wie funktionieren Leerverkäufe?

Leerverkäufer leihen sich Aktien, zum Beispiel von einem großen Fonds, verkaufen die Papiere und warten darauf, dass sie diese später billiger zurückkaufen können. Ist das der Fall, kauft er die Aktien an der Börse und gibt sie dem Verleiher zurück. Die Differenz ist sein Gewinn. In aller Regel nach Abzug einer Leihgebühr für den Verleiher. Meist haben beide Seiten eine Frist ausgehandelt, wann die Rückgabe stattfinden soll.

Vorteile für den Aktienleiher

Shortseller sind meist kurzfristige Trader oder auch Hedgefonds, die kein Interesse am langfristigen Besitz eines Wertpapiers haben. Mit fundamentalen oder charttechnischen Analysen versuchen sie herauszufinden, wann eine Aktie "reif" für eine Korrektur ist und wie lange diese dauern könnte. Sie binden ihr Kapital also nicht langfristig, sondern sie setzen auf den schnellen Erfolg.

Vorteile für den Verleiher

Große Vermögensverwalter oder Fonds bauen ihre Kapitalanlagen langfristig auf, über Jahre oder sogar Jahrzehnte. In diesem Sinne fahren sie auf einer Einbahnstraße. Da die Kurse natürlich auch fallen, können sie mit dem Verleih und der dafür fälligen Gebühr auch bei sinkenden Kursen Geld verdienen und die Schwächephase abpuffern

Leerverkäufe als Absicherungsinstrumente

Von der Grundidee dienen Leerverkäufe als Absicherungsinstrumente. Einzelanleger oder auch Fonds sichern ihren Bestand, indem sie einen Teil der Aktien leer verkaufen. In der Fachsprache heißt das "hedgen". Übersetzt heißt das "einzäunen". Das geht letztlich auf Kosten der Rendite, minimiert aber das Risiko. Bei großen Fonds sind solche Absicherungen üblich. Leerverkäufe sind dabei nur eine Möglichkeit. In der modernen Finanzwelt sind solche Geschäfte zu einer eigenen Anlageklasse geworden. Der ursprüngliche Sicherungsgedanke ist in den Hintergrund getreten.

Wer leiht und wer verleiht?

Verleiher sind meist große Fonds oder Geldhäuser, die auf diese Weise eine zusätzliche Einnahmequelle haben. Leiher sind meist spekulative Anleger. Ihre Bandbreite reicht von Einzelpersonen, über Vermögensverwaltungen bis hin zu großen Hedgefonds, die mit einem umfassenden Analyseaufwand und großem Kapitaleinsatz Leerverkäufe betreiben. Auch Kleinanleger haben verstärkt die Möglichkeit dazu, weil immer mehr Broker diesen speziellen Service anbieten.

Wie läuft so ein Leerverkauf ab?

Ein Beispiel zur Verdeutlichung, wie ein Leerverkauf ablaufen kann: Am 1. eines Monats kostet die Aktie X 100 Euro. Ein Trader leiht sich 100 Titel, bezahlt 10.000 Euro und verspricht, sie am Ende des Monats zurückzugeben. Fällt der Kurs um 20 Prozent, geht sein Plan auf. Für 8.000 Euro deckt er sich an der Börse ein, gibt sie zurück, bezahlt seine, meist recht niedrige, Leihgebühr und hat fast 2.000 Euro verdient. Beide Seiten sind zufrieden.

Wie riskant ist ein Leerverkauf?

Das Risiko besteht darin, dass die Spekulation nicht aufgeht. Die Börsen reagieren anders, weil zum Beispiel eine von Notenbanken ausgelöste Kaufwelle die Kurse nach oben treibt. Das Unternehmen überrascht mit guten Geschäftszahlen, es wird zum Übernahmekandidaten. Plötzlich steigt der Kurs um 20 Prozent. In diesem Fall zahlt dann der Leiher 12.000 Euro. Sprich: er legt bei der Rückgabe 2.000 Euro plus Gebühr drauf.

VW – ein gescheiterer Leerverkauf mit Folgen

Ein prominentes Beispiel ist die VW-Aktie. Leerverkäufer hatten im Jahr 2008 große Positionen gegen Volkswagen aufgebaut. Die Aktie galt nach erfolgreichen Börsenwochen als überbewertet und reif für eine Korrektur. Doch das Gegenteil trat ein. Plötzlich kündigte Porsche an, VW, die eigene Muttergesellschaft, übernehmen zu wollen. Der Kurs stieg. Ungezählte Shortseller waren nun gezwungen, sich bei steigenden Kursen einzudecken, um immer größere Verluste zu vermeiden. Es entwickelte sich ein sogenannter "Short Squeeze". Die Leerverkäufer trieben wechselseitig den Kurs hoch, bis schließlich die VW-Aktie für einige Tage über 1.000 Euro kostete. Die Folgen waren mitunter dramatisch: Ein schwäbischer Unternehmer, der mit Leerverkäufen sein angeschlagenes Firmenimperium retten wollte, verlor alles und soll sich deswegen das Leben genommen haben.

Verbot von Leerverkäufen

Wegen der hohen Risiken sind Leerverkäufe umstritten. Als Folge der Finanzkrise 2009 haben damals einige internationale Aufsichtsbehörden, darunter die deutsche Bafin, Leerverkäufe untersagt. Das Verbot beschränkte sich damals aber auf Bankaktien, die im Zuge der Krise schwer gelitten haben und es war zeitlich begrenzt. Auch im Zuge des Wirecard-Skandals wurden Leerverkäufe mit dem angeschlagenen Finanzdienstleister verboten.

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