Seit einigen Tagen wird in den Sozialen Medien, aber auch hier auf BR24 Digital heftig über CO2-Budgets debattiert. Viele halten den Vorschlag für sozial ungerecht. Die Reichen könnten sich freikaufen und die Umwelt so viel verschmutzen wie sie wollen. Aber ist das so?
Jeder bekommt ein CO2-Budget zugeteilt
Der Vorschlag für ein CO2-Budget mit integriertem Zertifikatehandel für alle Bürgerinnen und Bürger kommt vom früheren Direktor des renommierten Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber. Um die Klimaziele zu erreichen, sollen demnach alle Bürger ein CO2-Budget erhalten. Was sie davon nicht verbrauchen, können sie verkaufen. Wer mehr braucht, muss zukaufen.
Die Idee stammt aus der Ökonomie und wird in der Industrie mit dem Zertifikatehandel auch angewendet. Carsten Warnecke vom NewClimate Institute in Köln nannte die Idee im Bayern2-Tagesgespräch "charmant". Fügte aber auch hinzu, dass es nur funktioniert, wenn man das theoretische, ökonomische Modell, genau umsetzt.
Wie funktioniert das mit dem CO2-Budget?
In einem solchen Modell wird die Gesamtmenge an CO2, die verbraucht werden darf, festgelegt. Jeder Bürger erhält dann das gleiche Budget. Jede Tätigkeit, jeder Einkauf, jede Autofahrt, jede Urlaubsreise, jegliche Aktivität müsste dann erfasst werden, welchen CO2-Verbrauch sie hat. Wenn das Budget aufgebraucht ist, müsste man sich von jemand anderen "Verschmutzungsrechte" kaufen, der seine nicht aufbraucht.
Je nachdem wie viel übrig bleibt, werden diese Rechte oder Zertifikate teuer oder eben günstig sein. Da beabsichtigt ist, den CO2-Verbrauch zu reduzieren, werden die Budgets eher knapp sein, der Preis also hoch.
Vorfahrt für die Reichen beim CO2-Budget?
Grundsätzlich stimmt der Vorwurf, dass sich reiche Menschen mehr CO2-Verbrauch leisten können, sich also Verschmutzungsrechte kaufen und dann auf die Malediven fliegen, der Normalbürger sich aber nicht mehr den Flug nach Mallorca leisten kann.
Voraussetzung dafür ist aber, dass genug Verschmutzungsrechte übrig sind. Denn wenn es keine zu kaufen gibt, dann kann auch der Reiche nicht fliegen. Und zu bedenken ist auch: Wie viele so reiche Menschen gibt es, die sich bei sehr hohen Preisen für ein Zertifikat das wirklich noch leisten können.
Die Armen sind die Dummen beim CO2-Budget?
Problematisch an diesem Modell ist tatsächlich einer der theoretischen Vorteile: Man kann nicht ausweichen. Das Budget soll ja knapp bemessen sein und wenig Spielraum lassen, denn Ziel ist es, CO2 einzusparen. Menschen mit wenig Geld aber sind kaum flexibel, was zum Beispiel ihre Wohnung angeht. Sie können nicht einfach in ein gut gedämmtes Haus umziehen und damit ihre CO2-Bilanz verbessern. Und sie können sich auch nicht so einfach ein neues E-Auto kaufen oder die Heizung auswechseln.
Persönliches CO2-Budget ist zu kompliziert
Das Modell eines persönlichen CO2-Budgets ist außerdem viel zu kompliziert, um es schnell einzuführen. Wie wird der CO2-Verbrauch gemessen? Was ist, wenn ich krank werde und mit dem Krankenwagen in die Klinik muss? Auf wessen CO2-Budget wird das wie verbucht? Und muss ich dann nicht jeden Einkauf registrieren lassen?
Es gibt Überlegungen, das mit Marken zu lösen: Also, jeder bekommt einmal im Jahr seine CO2-Marken und gibt sie im Supermarkt oder beim Vermieter ab. So wie die Lebensmittelmarken nach dem Krieg. Das hätte den Vorteil, dass es anonym ist. Aber auch da stellen sich viele Fragen, zum Beispiel nach der Fälschungssicherheit.
Alternative CO2-Steuer
Es gibt andere Wege, den CO2-Verbrauch zu steuern und zu reduzieren. Die Bundesregierung hat sich zum Beispiel dafür entschieden. Sie will es über eine CO2-Steuer regeln. Ähnlich wie die Mehrwertsteuer käme auf jedes Produkt eine CO2-Steuer, die könnte auch gestaffelt sein. Zum Beispiel nach dem Grad der Umweltverschmutzung aber auch nach der Notwendigkeit des Produkts.
Güter des täglichen Bedarfs hätten eine geringere Steuer, Luxusgüter eine sehr hohe. Damit würde man auch einen sozialen Ausgleich schaffen, denn Reiche müssten dann sehr viel mehr Steuern für ihre Luxusprodukte oder -reisen bezahlen.
Aufkommensneutrale Steuer begünstigt CO2-Sparsame
Neue Steuern sind in Deutschland allerdings immer ein sehr heikles Thema. Da die CO2-Steuer nicht dazu dient, mehr Einnahmen für den Staat zu generieren, sondern ein klimapolitisches Instrument ist, sehen die meisten Vorschläge eine Rückzahlung an die Bürger vor. Alles, was eingenommen wird, wird pauschal zurückgezahlt, jeder bekommt die gleiche Summe. Das hat auch einen sozialen Aspekt: Wer wenig CO2 verbraucht, könnte mehr zurückbekommen, als er an Steuern bezahlt hat. Wer mehr verbraucht, und das sind eher die Vermögenden, der bekommt weniger erstattet.
CO2-Steuer begrenzt Gesamtverbrauch nicht
Einen großen Nachteil aber hat die CO2-Steuer gegenüber dem CO2-Budget: Man kann damit die Menge nicht steuern. Also, wie viel CO2 letztlich in die Luft geblasen wird, kann so nicht festgelegt werden. Das entscheiden letztendlich die Bürgerinnen und Bürger, mit der Frage, wie viel sie dafür ausgeben können und wollen. Ein ganz konkretes Ziel ist auf diesem Weg sehr schwer zu erreichen.

16.12.2022, Hessen, Frankfurt/Main: Dampf steigt aus Industrieschornsteinen des Industriepark Höchst auf.
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