Schuldenuhr in Berlin
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Schuldenuhr in Berlin - Der Staat als Schuldner profitiert am meisten von der Inflation

    Weg mit dem Ersparten? Inflation hilft nicht bei Kreditschulden

    Die Geldentwertung wird spürbar. Warum also nicht einfach vom Sparer zum Schuldner werden? Wer sein Haus in der Inflation abbezahlt, müsste doch schlechtes Geld gegen Betongold eintauschen. Aber die Rechnung geht nicht auf.

    Die allermeisten Staaten dieser Welt haben Schulden. In der Theorie können sie einfach Geld drucken, um ihre Schulden zu begleichen. Manche private Schuldner, die zum Beispiel ein Haus abbezahlen, träumen jetzt davon, diesen Effekt in kleinerem Maßstab nutzen zu können. Denn in Zeiten des billigen Geldes müsste es sich doch mehr lohnen, Erspartes rauszuhauen und so schnell viele Schulden zu tilgen - anstatt es auf der Bank weniger werden zu lassen. Aber einige Faktoren sprechen dagegen.

    Historisches Beispiel erklärt Mechanismen der Inflation

    Wenn Geld in einer Währung gedruckt - also vermehrt - wird, es aber nicht in gleichem Maße Gegenwerte, also Güter gibt, dann entsteht Inflation. Wer in so einer Währung Ersparnisse hält, verliert Vermögen. Und wer so einem Staat Geld (z.B. in Form von Anleihen, die er gekauft hat) geliehen hat, verliert ebenfalls.

    Denn wenn der Staat seine Schulden zurückzahlt, tut er das mit Geld, das immer weniger wert ist. Die deutsche Inflationsgeschichte von 1923/24 ist ein historisches Beispiel. Anleihen des Kaiserreiches in Höhe von einst 164 Milliarden Mark waren auf dem Gipfel der Inflation noch 16,4 Pfennige wert. Das deutsche Reich war entschuldet und seine Bürger um ihre Ersparnisse betrogen.

    Aus diesem Beispiel lassen sich vier Gründe ableiten, warum sich für private Schuldner das Spekulieren auf Entschuldung durch Inflation nur bedingt bis gar nicht eignet.

    Grund 1: Es kommt auf den Kredit und seine Konditionen an

    Es stimmt ja zunächst: Steigt die Inflation stärker als die vereinbarten Schuldzinsen, die man zu zahlen hat, dann greift die Geldentwertung dem Schuldner unter die Arme. Denn der Finanzierungsbetrag erfährt Jahr für Jahr einen Wertverlust. Alles wird teurer, nur nicht der Kredit.

    Beispiel Immobilienkredite: Bei ei­nem No­mi­nal­zins von drei Pro­zent und ei­ner In­fla­ti­ons­ra­te von 8 Pro­zent er­gibt sich rech­ne­risch ein Re­al­zins von Mi­nus 5 Pro­zent. Wer lang­lau­fen­de Dar­le­hens­ver­trä­ge mit fest ver­ein­bar­tem Zins­satz hat, dessen Kre­dit­schul­den ha­ben sich ent­wer­tet.

    Rechnung nicht ohne die Banken machen

    Aber wer das für sich nutzen will, hat die Rechnung ohne seine Bank gemacht. Denn übli­cher­wei­se be­rech­nen Ban­ken Zins­sät­ze für Ver­brau­cher­-Dar­le­hen, die über der In­fla­ti­ons­ra­te lie­gen. Da­bei wird auch die In­fla­ti­ons-Er­war­tung ein­ge­preist. An schleichende Inflation passen sich Banken und andere Gläubiger also an.

    Erst wenn die Inflation sprunghaft, unerwartet und besonders hoch (mehr als 15 Prozent) ausfällt, könnten Schuldner profitieren, jedoch nur, wenn sie nicht variabel verschuldet sind. Denn dann wird der Bau-Zinssatz von den Banken jährlich mehrmals angepasst. So stieg der Zinssatz für Baukredite im Euroraum seit Jahresbeginn von 1,33 Prozent auf 1,94 Prozent.

    Schulden tilgen scheint unvernünftig

    Hinzu kommt, dass Kredite aus Zins und Tilgung bestehen. Ist in "normalen" Zeiten eine möglichst hohe Tilgung anzuraten um früher wieder schuldenfrei zu sein, so gilt im Inflationsmodus genau das Gegenteil: Je geringer die Tilgung, umso höher der Anteil der Zinsen. Und genau dieser Zinsanteil wird in Zeiten einer unerwartet starken Inflation billiger.

    Wer also noch 2020 bei einer Inflationsrate von damals lediglich 0,5 Prozent (!) eine hohe Tilgung von 3 % auf 10 Jahre festlegte, profitiert weniger lange von der Geldentwertung als ein vergleichbarer 1-Prozent- Zahler, der jetzt seinen Schuldendienst beginnt. Jedenfalls dann, wenn sich die Inflation in den kommenden Jahren verfestigen sollte, was viele Ökonomen befürchten. Wahr ist aber auch: Wer wenig tilgt, ist länger Schuldner und damit rechtlich gebunden.

    Grund 2: Gläubigerbanken können auch fixe Konditionen ändern

    Kommt es zu sogenannter "galoppierender Inflation", kann § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches greifen. Kreditgeber haben dann einen gesetzlichen Anpassungsanspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage und könnten nachträglich höhere Zinsen verlangen. Insbesondere Inflation wird von der Rechtsprechung als Störung der Geschäftsgrundlage anerkannt.

    Grund 3: Auch der Staat greift ein

    Fortgesetzte Inflation führt fast zwangsläufig zu einer sogenannten Währungsreform, wie vor allem die deutsche Wirtschaftsgeschichte zeigt. Der Staat hat abzuwägen zwischen dem Schutz verschuldeter Privathaushalte und dem wirtschaftlichen Überleben von Gläubigerbanken und Liefer-Unternehmen.

    In der Vergangenheit wurden Schulden mit einem festgelegten Faktor in die neue Währung umgerechnet. Beim Tausch von Reichsmark in D-Mark 1948 wurden Guthaben in einem Verhältnis von 100:6,5 umgerechnet. Für Hypothekenkredite galt jedoch eine Quote von 100:10. Die reale Schuldenlast stieg dadurch um über 50 Prozent.

    Später dann, 1952, trat in der Bundesrepublik Deutschland das Lastenausgleichsgesetz in Kraft. Damit wurden vor allem Abgaben auf Grund- und Immobilienbesitz erhoben, um Geflüchteten existenziell zu helfen. Der Wertzuwachs der Sachwerte gegenüber dem Wertverlust von Geldvermögen wurde also durch Zwangsabgaben des Staates ("Hypothekengewinnabgabe") wieder abgeschöpft.

    Grund 4: Kosten steigen mehr als Einkünfte

    Schulden müssen durch höhere Einkünfte beherrschbar bleiben. Das gilt in Inflationsphasen besonders. Ob Löhne oder Renten aber stets die Inflationsrate übertreffen, ist fraglich. Auch wenn sich hoch verschuldete Immobilienkäufer über steigende Marktpreise ihres Eigentums in Inflationszeiten freuen, hilft das nur wenig, wenn Kredite für die selbstgenutzte Wohnung aus laufenden Einkommen zu bedienen sind.

    Gleiches gilt, wenn die Immobilie mit einem langfristigen Vertrag vermietet ist und die Kosten für Instandhaltung und Erneuerung inflationieren. Die Inflation begünstigt dann die Eigentümer nicht, sondern schadet ihnen. Wer meint, in Inflationszeiten ohne nennenswertes Eigenkapital mit Immobilien anstrengungslos reich zu werden, hat sich gleich zweimal verrechnet. Denn die Immobilienpreise steigen mit der Inflation und die Banken vergeben ihre Kredite immer restriktiver.

    Fazit: Hände weg von übertriebenen Schulden

    Ja, Schulden können in Inflationsphasen vorteilhafter sein als Ersparnisse. Aber nur, wenn sie von "erstklassigen Schuldnern" jederzeit bedient werden können und ihnen reale Werte mit Ertrags- und Wertsteigerungs-Potenzial gegenüberstehen. Zu den Gewinnern gehören dann diejenigen, die einen günstigen Kredit aufnehmen, den sie auch sicher bedienen können und dafür dauerhafte Sachwerte wie Immobilien oder Edelmetalle kauften.

    Auch hier hält die Geschichte übrigens ein interessantes Beispiel bereit: Der Fall des deutschen Großindustriellen Hugo Stinnes, genannt "König der Inflation". Stinnes wettete zutreffend nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg auf Inflation und investierte mit geliehenem Geld in Rohstoffe, in Handelsunternehmen, in Monopolisten mit großer Preissetzungsmacht, in Fremdwährungen sowie Gold und gründete seine eigene Bank. Staatsanleihen mied er hingegen und wurde mit diesem "Rezept" zum reichsten Mann und größten Arbeitgeber Deutschlands.

    Zu den Verlierern hingegen gehört auch in der Inflation, wer sich zu hoch und variabel verzinst verschuldet hat. Aber selbst festverzinste Schuldverträge können am Ende vom Staat ausgehebelt und Inflationsgewinne wieder abgeschöpft werden. Selbst wenn sich im günstigsten Fall Schulden entwerten, bleiben sie ein Risiko, dessen Preis immer die eingeschränkte Handlungsfreiheit für den Schuldner ist.

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