Die Inflation beträgt zehn Prozent und ist damit fünfmal so hoch wie von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebt, zwei Prozent gelten als Standard. Auf ihrer Zinssitzung hat die EZB nun ihre Strategie vorgestellt, um die Inflation im Euro-Raum in den Griff zu bekommen und eine Prognose gewagt, wie lange die Preise noch so stark steigen wie in den letzten Monaten.
- Zum Artikel: "Inflation: Wie sie entsteht und was dagegen hilft"
Leitzins auf 2,5 Prozent angehoben – Tendenz steigend
Um die Inflation zu senken, setzt die Euro-Notenbank auf zwei Maßnahmen: Der Leitzins steigt um einen halben Punkt von derzeit zwei auf nun 2,5 Prozent. Außerdem stoppt die Bank die Ankäufe von EU-Staatsanleihen. Damit bringt sie weniger Geld in Umlauf, das Unternehmen und Banken leihen können – Staatsschulden, aber auch Kredite allgemein, werden teurer. Diese Maßnahmen sollen gemeinsam dafür sorgen, dass der Geldkreislauf verlangsamt wird: Menschen und Unternehmen geben weniger Geld aus - und bremsen damit auch die Inflation.
Nach EZB-Prognose soll es bis 2025 dauern, bis die Inflation wieder auf die angestrebten zwei Prozent sinkt.
Zeitpunkt unpassend? Deshalb bangen die EU-Staaten
Um sich von der Corona-Krise und der Energie-Krise zu erholen und die Wirtschaft anzukurbeln, plant die EU in den kommenden Monaten jedoch weitere Gemeinschaftsschulden. Insgesamt sind für den schuldenfinanzierten Extrahaushalt 750 Milliarden Euro vorgesehen.
Weil die EZB nun aber als Käuferin weiterer Euro-Anleihen ausfällt, müssen die anderen Marktteilnehmer die neuen Schulden stärker mitfinanzieren. Sie könnten diese Kosten verstärkt weitergeben - damit könnten Kredite im Euroraum noch teurer werden.
Um die Finanzierung künftiger EU-Haushalte sicherzustellen, hat der Europäische Rat bereits verschiedene zusätzliche Einnahmequellen ins Spiel gebracht, wie etwa eine Plastiksteuer oder eine Digitalsteuer.
BayernLB: "EZB-Strategie ein wichtiger Schritt"
Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk äußert sich Jürgen Michels, Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank (BayernLB), positiv zum geplanten Rückfahren der Anleihekäufe durch die EZB. Es sei sehr notwendig, dass die EU-Staaten wieder lernten, nicht einfach Schulden machen zu können und die Zentralbank finanziert sie. Die Europäische Union müsse gerade im Umfeld von hoher Inflation wieder zu einer Normalisierung kommen.
Vergleich zu USA: Darum hat es die EZB derzeit schwerer
Auch die US-amerikanische Zentralbank Federal Reserve (Fed) habe das Thema lange Zeit unterschätzt, so Jürgen Michels von der BayernLB. Allerdings wurde in der USA dann im Gegensatz zur EZB viel früher reagiert: Die Fed hat die Zinsen früher schon beherzt angehoben. Im Vergleich zur Fed stehe aber die EZB schlechter da. Denn die Konjunktur in Europa sei schwächer aufgestellt, analysiert Michels. Wenn die Fed die Zinsen straffe, dann führe das zwar zu einer Abkühlung, aber nicht notwendigerweise zu einer Rezession. In Europa müsse man da vorsichtiger sein.
Falsche Prognosen schaden der EZB-Glaubwürdigkeit
EZB-Chefin Christine Lagarde und Direktorin Isabel Schnabel lagen in der Vergangenheit mit ihren Preis-Prognosen weit daneben. Noch im November vergangenen Jahres waren die EZB-Volkswirte der Meinung, der Höhepunkt der Inflation sei bereits erreicht. Ein fataler Irrtum. Auch dieses Mal könnten die Zahlen zu optimistisch sein.
Jürgen Michels von der BayernLB will der EZB nicht allzu große Vorwürfe machen. Das Thema Inflation hätte nicht nur die EZB, sondern alle Prognostiker auf dem falschen Fuß erwischt.
Doch die EZB hätte früher reagieren können, da ist sich der Chefvolkswirt der BayernLB Jürgen Michels sicher. Man habe Vertrauen verspielt. Das versuche man jetzt mit einer seiner Meinung nach "dezidierten Herangehensweise" wiedergutzumachen. Aus ökonomischer Sicht sei es jetzt wichtig, Kurs zu halten und die Zinswende durchzustehen. Nur so ließen sich die Inflationsgefahren langfristig in den Griff bekommen, so Michels.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte an.
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