Elektroauto an Ladestation auf der smarterE-Messe in München
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Elektroauto an Ladestation auf der smarterE-Messe in München

    Immer mehr E-Autos - aber nicht mehr Ladestationen

    Alle reden über Elektro-Autos, aber wie kommt eigentlich der Strom rein? Klar ist: Sofern die Ladeinfrastruktur nicht besser wird, kann die E-Mobilität sich nicht durchsetzen. Wie geht es also weiter mit öffentlichen und privaten Ladepunkten?

    Innerhalb der nächsten acht Jahre sollen mindestens sieben, besser zehn Millionen Elektrofahrzeuge für Deutschlands Straßen zugelassen sein. Bis Ende 2021 waren es laut Kraftfahrt-Bundesamt etwas mehr als 600.000 - gerade mal 1,3 Prozent aller zugelassenen Autos. Dabei hat das das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sein politisches Ziel für die kommenden Jahre klar formuliert: "Im Vergleich zu 1990 müssen sich die Emissionen im Verkehr bis 2030 um 40 bis 42 Prozent verringern."

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    Die Fakten zeigen: Großer Aufholbedarf bei Ladestationen

    Elektroautos spielen dabei eine zentrale Rolle, neben einer "Stärkung der Bahn und CO2-Bepreisung". Weil aber die Hinwendung der Autofahrer zur E-Mobilität anscheinend nicht alleine durch den Markt zu schaffen ist, greift die Politik mit konkreten Maßnahmen, Förderprogrammen und gesetzlichen Vorgaben ein. Also braucht es Stromtankstellen: Bis 2030 sollen insgesamt eine Million öffentlicher und privater Ladepunkte zur Verfügung stehen.

    Hier muss also in den kommenden Jahren extrem aufgeholt werden. Nach den Daten der Bundesnetzagentur und der nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur gab es in Deutschland bis Mai 2022 lediglich 62.000 amtlich gemeldete öffentliche Ladepunkte, davon mit knapp 12.000 die meisten in Bayern. Seit 2 Jahren stagniert jedoch der Anteil der besonders wichtigen Schnelladepunkte bei 14 Prozent.

    Über die Anzahl privater Ladestationen, zum Beispiel sogenannter "Wallboxen" in Ein-und Mehrfamilienhäusern, gibt es leider keine genauen Daten. Laut Energieagentur DENA sind bisher rund 900.000 private Wallboxen gefördert und installiert worden. Auch die Kommunen tappen teilweise im Dunkeln. Für München meldet das Umweltreferat seit 2016 insgesamt mehr als 1.800 geförderte private Ladepunkte. Im Bereich Nürnberg und Mittelfranken registrierte der Netzbetreiber N-Ergie laut Nürnberger Zeitung insgesamt 5.200 private Ladestationen in 2021.

    Fehlende Ladepunkte: Bremsen sie die E-Mobilität ?

    Der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA macht auf BR24-Anfrage folgende Rechnung auf: "Bei einem geschätzten Bestand von 1,44 Millionen E-Pkw am 1. Juli dieses Jahres kommen 23 E-Autos auf einen Ladepunkt. Es zeigt sich: Das Delta zwischen Angebot und Bedarf wächst. Denn im Mai dieses Jahres kamen auf einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt noch 22 E-Pkw, im April 2021 waren es 17 E-Autos.

    Im Schnitt der vergangenen zwölf Monate wurden rund 349 öffentliche Ladepunkte gebaut. Um das Ziel aus dem Koalitionsvertrag zu erreichen, wäre jedoch der Aufbau von über 2.000 Ladepunkten nötig - pro Woche. Die Ausbaugeschwindigkeit der letzten 12 Monate müsste also "mehr als versechsfacht werden".

    Logistische Hürden

    Soll der Umstieg trotzdem gelingen, darf begründete Angst vor Problemen beim Strom-Tanken nicht im Wege stehen. Doch hier gilt es, noch bestehende Hürden zu überwinden.

    Die Bundesdaten zeigen: Der Aufbau öffentlicher Ladepunkte ging in den vergangenen zwei Jahren nur schleppend voran. Wie in fast allen Lebensbereichen hat auch hier die Pandemie zu erheblichen Verzögerungen geführt. Hinzu kommen Nachschubprobleme bei wichtigen elektronischen Komponenten, wie zum Beispiel das Münchner Umweltreferat auf BR24-Anfrage für seinen Verwaltungsbereich bestätigt.

    Technische Probleme

    Aber neben aktuell krisenbedingten Lieferkettenproblemen müssen auch komplexe technische Probleme gelöst werden. So sind verschiedene Einzellösungen in Mehrfamilienhäusern oft kaum umsetzbar. Viele Immobilien brauchen höhere Anschlussleistung oder ein intelligentes Lastenmanagement, selbstverständlich mit moderner Elektroinstallation.

    Das kostet Geld, Zeit, Fachpersonal und Bauteile. Und das sind momentan besonders knappe Güter. Diese Mangellagen spiegeln sich überall in der Bundesrepublik in den Kommunen. Beispiel Höhenkirchen-Siegertsbrunn im Münchner Umland: Seit Beschluss des Gemeinderats vor fast einem Jahr sind die geplanten 6 Ladesäulen immer noch nicht installiert. Im "Münchner Merkur" verweisen Bürgermeisterin und Gemeinderäte auf Verzögerungen durch Corona-Erkrankungen, steigende Kosten und Schwierigkeiten, geeignete Firmen zu finden, die die Vorgaben erfüllen. Ob im Oktober 2022 endlich begonnen werden kann, bleibt durch die aktuellen Lieferprobleme bei Elektronik-Komponenten ebenfalls unklar.

    Administrative Hemmnisse

    Hinzu kommen juristische und bürokratische Hürden. Verschiedene Förderprogramme von Bund, Ländern und Kommunen, Meldepflichten, Genehmigungszwang - Kritiker wie der Verband der Automobilindustrie oder Energieversorger, wie EnBw, aber auch Verbraucherschützer beklagen Bürokratie, Rechtsrisiken und intransparente Zersplitterung von Verfahren als Hürden für den Ausbau der Ladeinfrastruktur.

    Auch deshalb soll ein lang erwarteter, überarbeiteter "Masterplan Ladeinfrastruktur II" endlich für mehr Klarheit, Tempo und Bürokratieabbau sorgen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat ihn Anfang Juli 2022 zur Stellungnahme an Länder, Kommunen, Verbände und Unternehmen verschickt.

    Ladestationen für Mieter: Kluft zwischen Theorie und Praxis

    Für Mieterinnen und Mieter ist die Situation besonders komplex: Sie haben theoretisch zwar einen Rechtsanspruch auf eine Ladestation, jedoch nur, wenn sie auch einen Stellplatz haben. Doch bis der ersehnte Strom fließt, sind der Vermieter, die Wohnungseigentümergemeinschaft, eventuell andere ladeinteressierte Mieter und der Energieversorger einzubeziehen. Das ist komplex, kann dauern und bietet Möglichkeiten, den Fortgang zu behindern.

    Der Mieteranspruch auf eine Ladesäule steht unter dem Vorbehalt, "angemessen" zu sein. Nicht nur die Kosten, sondern auch die E-Mobilitätswünsche anderer Mieter oder technische Gründe müssen also bei der Interessenabwägung einbezogen werden, will man keinen Rechtsstreit riskieren. Vermieter können den Bau von Ladestationen erheblich behindern, zum Beispiel unter Berufung auf Denkmalschutzgründe. All das sollten Mieter wissen und im Vorfeld abklären, denn gerichtliche Auseinandersetzungen dauern und die Rechtsprechung ist in diesem Themenfeld noch wenig entwickelt.

    Aufwand für private Ladestationen nicht unterschätzen

    Je nach Ladeleistung und Funktionsumfang kostet eine Wallbox als kleine Ladestation zwischen 500 und 2000 Euro. Hinzu kommen Einbau und Anschlusskosten durch fachkundiges Personal. Sobald ein Lastenmanagement nötig wird, entstehen auch mal Kosten im fünfstelligen Bereich. Vermieter müssen sich an den Kosten nicht beteiligen und das Betriebsrisiko trägt allein der Mieter. Bei Auszug kann der Vermieter den vollständigen Rückbau der Installation verlangen.

    Weitere ungeahnte Kosten können durch die Verteilnetzbetreiber entstehen. Sie verlangen Baukostenzuschüsse auch bei nicht genehmigungspflichtigen Wallboxen, etwa um künftig möglichen sogenannten "Gleichzeitigkeits-Lasten" technisch vorzubeugen - auch, wenn der E-Fahrzeugbestand in der Wohnanlage noch überschaubar ist.

    Aber auch bei öffentlichen Ladesäulen gibt es weiterhin Kosten-und Transparenzprobleme aus Nutzersicht. Dass das Schnellladenetz so unterentwickelt ist, liegt auch an Eichproblemen, die in der Vergangenheit korrekte Abrechnungen an der Säule verhinderten.

    Intransparenz für Verbraucher

    Noch immer können Vertragskunden nicht sicher sein, mit ihrer Ladekarte an jeder Ladesäule tatsächlich unkompliziert Strom tanken zu können. Auch das Ad-hoc-Tanken müsste jedem überall möglich sein. Doch mangels gesetzlicher Vorgaben kann es immer noch vorkommen, dass ohne eine bestimmte App oder einen speziellen Bezahldienst nichts geht.

    Auch die von der Politik offensiv beworbenen und angekündigten Förderprogramme sind abhängig von der aktuell angespannten Lage auf dem Energiemarkt. Verbraucher sollten sich also darauf nicht verlassen, denn hier wird auf Sicht gefahren. So kündigt zum Beispiel das Bayerische Wirtschaftsministerium in einer Presseerklärung vom 3.8.2022 Ergänzung und Ausbau der Bundesförderung mit "zusätzlichen Maßnahmen für Bayern" an, ist aber bislang nicht in der Lage, Art und Umfang zu benennen. Aktuell laufen noch zwei ergänzende Programme für Bürger des Freistaats.

    Einen guten Überblick über die aktuell laufenden, bundesweiten Förderprogramme bietet die nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur. Auch Kommunen bieten vereinzelt eigene, ergänzende Programme. So hat die Stadt München im Juni 2022 die Förderrichtlinie Klimaneutrale Antriebe novelliert: Die Zuschüsse für Normalladestationen (bis 22kW) umfassen seitdem 40 Prozent der Nettokosten für Anschaffung und Installation bis maximal 500 Euro pro Ladepunkt. Wie unbürokratisch und verbraucherfreundlich diese Programme wirklich sind, wird sich zeigen.

    E-Mobilität ist juristisches Neuland

    E-Mobilität ist relatives Neuland und dementsprechend muss sich eine gefestigte Rechtsprechung erst entwickeln. Mit juristischen Hemmnissen ist jedenfalls zu rechnen, weil es oft um Interessenabwägung im Einzelfall geht. So untersagte das Verwaltungsgericht Frankfurt im Februar 2022 ( (AZ: 12 K 540/21.F) die Führung von Ladekabeln über Gehwege, weil dies zur Stolperfalle für Gehbehinderte werden könne.

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv spricht von "offenen oder unterschiedlich interpretierbaren rechtlichen Fragen" und fordert mehr Rechtssicherheit. Denn eigentlich ist es eine gute Idee, wenn sich mehrere Mieter gemeinsam eine Wallbox anschaffen und teilen. Technisch ist das bereits möglich und sicher auch ein Argument mehr für die Hinwendung zur Elektromobilität.

    Doch für Betroffene stellen sich viele steuerliche und rechtliche Fragen: Was muss ich beachten, wenn ich meine Wallbox teilen, den Strom aber nicht unentgeltlich weitergeben möchte? Ab wann wird das Ganze ein Gewerbe mit Gewinnerzielungs-Absicht oder muss ich grundsätzlich ein Gewerbe anmelden? Wird meine Ladesäule somit zu einer öffentlichen Ladesäule und wann muss diese geeicht sein?

    Zudem gibt es unterschiedliche Nutzungsfälle: die "gemeinsam genutzte Wallbox einer Wohngemeinschaft", die "öffentliche Zurverfügungstellung einer Wallbox" sowie die "öffentliche Zurverfügungstellung einer Wallbox mit eigenem PV-Strom". Dazu vzbv-Verkehrsreferent Gregor Kolbe sagte zu BR24: "Nur das Recht allein reicht nicht. Wir brauchen auch Hilfe bei der Umsetzung".

    Fazit: Bislang mehr Last als Lust

    "Es ist zu mühselig", wenn es um den raschen Aufwuchs von Ladepunkten in Deutschland geht, titelte das Handelsblatt im Juli 2021. Ein Jahr später hat sich daran nichts Entscheidendes verändert, obwohl Gesetze geändert, Förderprogramme novelliert, die Technik weiterentwickelt und erste Urteile gesprochen wurden.

    Aus Sicht der Verbraucherschützer braucht es deshalb einen bundesweit gültigen Handlungsleitfaden und niederschwellige Beratung vor Ort für Interessenten. In seiner vorläufigen Form, so der Verbraucherzentrale Bundesverband, erfüllt auch der neue, in Abstimmung befindliche Masterplan der Bundesregierung diese Anforderungen noch nicht. Bundesverkehrsminister Volker Wissing wurde kürzlich in diesem Zusammenhang sehr deutlich und mahnte laut dpa zu mehr Eile beim Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos.

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