Häuser mit Blick auf den Tegernsee in Rottach-Egern (Archiv)
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Häuser mit Blick auf den Tegernsee in Rottach-Egern (Archiv)

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Höhere Erbschaftssteuer: Warum Bayern besonders betroffen ist

Immobilien werden seit 1. Januar neu bewertet. Erben dürfte damit oft teurer werden, gerade in Bayern, wo die Immobilienpreise höher sind. Der Freistaat will deswegen gegen die Erbschaftssteuer klagen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eigentlich lebt Josef Bogner gerne am Tegernsee. Es sind nicht nur der See, die Berge, die Idylle, die er mag: Seine Familie und er sind hier verwurzelt, erzählt er. Das Grundstück, auf dem sein Haus steht, das Haus selbst, all das ist seit mehreren hundert Jahren in Familienhand. Aber: Ob das auch in Zukunft so bleiben wird, weiß Josef Bogner nicht. Und damit ist er nicht allein.

2023 wird mehr Erbschaftssteuer fällig

Wer in Deutschland erbt, zahlt Erbschaftssteuer – und zwar auf das, was das gesamte Vermögen am Todestag des Erblassers wert ist, zum Beispiel Aktiendepots, Kontostände, Sachvermögen und eben auch Immobilien. Diese wurden bisher aber nicht so hoch angerechnet, wie ihr tatsächlicher Marktwert war. Die Bundesregierung hat deswegen im Jahressteuergesetz nachgebessert und die Bewertungsverfahren angepasst. Viele Immobilien werden also in Zukunft höher bewertet werden – und dadurch wird auch mehr Erbschaftssteuer fällig.

Für Josef Bogner ist das eine "schleichenden Enteignung". Er habe für sich zwar eine Lösung gefunden - seine Mutter überschreibt ihm häppchenweise das Haus. Aber wie er das einmal bei seinen Kindern machen wird, weiß er nicht. Und schon jetzt beobachtet er, wie Nachbarn sich dazu entschieden, ihr Haus zu verkaufen, weil die Steuer für sie zu hoch ist.

Bayern ist besonders betroffen

Wie vielen Menschen dieses Schicksal droht, ist unklar. Klar aber ist, dass vor allem die Regionen besonders betroffen sein dürften, in denen die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren besonders gestiegen sind. Und das war vor allem in Bayern der Fall.

Eine Studie der Uni Bonn zeigt, dass rund 40 Prozent der bundesweiten Vermögensgewinne durch steigende Immobilienpreise zwischen 2011 und 2017 auf Bayern entfielen. Auch jetzt liegen neun der zehn teuersten Landkreise laut "Postbank Wohnatlas 2022" in Bayern, genauer in Oberbayern. Und die Ökonomen gehen davon aus, dass die Preise bis 2035 weiter steigen werden – vor allem in München, in Landshut, und im Landkreis Miesbach, wo Josef Bogner lebt.

"Das ist nicht mehr berechenbar", sagt Bogner. Er fürchtet, dass sich das gesamte Dorfleben verändern könnte, wenn die Menschen verkaufen und wegziehen. Wenn Spekulanten Häuser kaufen, aber nicht darin leben. Dann gebe es irgendwann keine Gastronomie mehr, sagt er, keine Bäcker, Trachtenvereine oder freiwillige Feuerwehr.

Politik diskutiert über höhere Freibeträge

Das ist der Grund, weswegen Bayerns Ministerpräsident vor einem "Ausverkauf von Heimat" warnt. Im Dezember kündigte er deswegen an, dass der Freistaat gegen die Erbschaftssteuer vor dem Bundesverfassungsgericht klagen wolle, wenn eine politische Lösung scheitert.

Dabei dreht sich die politische Debatte vor allem darum, wie die Erbschaftssteuer ausgestaltet werden soll, oder noch konkreter: die Freibeträge. Bisher ist es so, dass zwar die Länder die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer erhalten, der Bund aber die Regeln vorgibt und damit auch die Freibeträge festlegt.

Diese sind seit 2009 nicht mehr verändert worden. Sie liegen aktuell bei 500.000 Euro für einen Ehepartner, und bei 400.000 Euro pro Elternteil und Kind. Außerdem können die Freibeträge alle zehn Jahre erneut ausgeschöpft werden – also kann ein Elternteil alle zehn Jahre 400.000 Euro an ein Kind weitergeben. Über einen längeren Zeitraum und in gewissen Konstellationen kann also auch ein Vermögen von mehreren Millionen Euro steuerfrei vermacht werden.

Für viele Menschen dürfte das reichen. Freistehende Einfamilienhäuser in Deutschland sind laut einer Studie der Sparkasse derzeit zwischen rund 370.000 und 2,2 Millionen Euro wert.

Außerdem gilt: Wohnt ein Erbe mindestens zehn Jahre nach dem Erbfall selbst in der Immobilie, dann sind bis zu 200 qm Wohnfläche steuerfrei. Kann sich jemand die Erbschaftssteuer wirklich nicht leisten, dann kann sie auch ohne Zinsen gestundet – also aufgeschoben – werden.

Bayern will vor das Bundesverfassungsgericht

Für die Staatsregierung sind diese Regeln nicht ausreichend, gerade weil hier die Immobilienpreise so gestiegen sind. Sie will deswegen, dass die Freibeträge angehoben werden und dass die Bundesländer selbst festlegen können, wie hoch diese sind.

Schon seit Jahren versucht die Staatsregierung dieses Vorhaben durchzusetzen, zuletzt hat sie Mitte Dezember eine entsprechende Initiative im Bundesrat eingebracht. Alle fünfzehn anderen Bundesländer stimmten dagegen. Und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warb dafür, die Freibeträge um 25 Prozent anzuheben. Er könnte eine entsprechende Regelung als Bundesfinanzminister zwar auf den Weg bringen, will aber, dass die Initiative von den Ländern kommt.

Ob das passiert, ist offen. Von manchen Ländern heißt es auf BR-Anfrage: Sie wollen auf einen Vorschlag des Bundesministers warten. Andere halten die Freibeträge für passend und möchten sie deswegen nicht ändern. Wieder andere sind zwar dafür die Freibeträge zu erhöhen, aber wollen keine regionalen Unterschiede, so wie Bayern es möchte.

Füracker: "Wir kämpfen weiter für die Menschen"

Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) schreibt auf BR24-Anfrage: Der Freistaat versuche seit Monaten die Ampel davon zu überzeugen, die Freibeträge zu erhöhen. Aber diese zeige immer wieder die kalte Schulter. "Bayern wird daher vor dem Bundesverfassungsgericht klagen: Wir kämpfen weiter für die Menschen, die notwendige Erhöhung der Freibeträge und eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer."

Im bayerischen Finanzministerium arbeitet man derzeit noch an der genauen Begründung. Es stehen aber zwei Argumente im Vordergrund: Zum einen heißt es aus dem Finanzministerium, dass die derzeitigen Freibeträge nicht die Entwicklung der vergangenen Jahre berücksichtigen würden und deswegen nicht mehr den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprächen. Zum anderen führt es an, dass die Immobilienpreise bundesweit sehr unterschiedlich seien und die Menschen deswegen ungleich behandelt würden. Wenn der Bund also einheitliche Freibeträge vorgibt, könne das gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung verstoßen.

"Was ist jetzt eigentlich eine gerechte Lösung?"

Juristen sehen das kritisch. Der Wirtschaft- und Steuerrechtler von der Uni Ulm, Heribert Anzinger, schrieb schon in seiner Stellungnahme für den Bundestag: Die Freibeträge "erscheinen nach wie vor ausreichend".

Und der Verfassungs- und Steuerrechtler Joachim Wieland von der Universität Speyer sagt: Die Erbschaftssteuer sei klassisch immer eine Steuer gewesen, die der Bund geregelt habe. Und dafür gebe es auch gute Gründe. "Erbschaft sollte nicht unterschiedlich besteuert sein, je nachdem, in welchem Land sie anfällt. Das würde sonst möglicherweise dazu führen, dass es zu Verlagerungsbewegung käme." Also, dass Menschen zum Beispiel nach Bayern ziehen, weil die Erbschaftssteuer dort besonders gering wäre.

Außerdem, sagt er: "Ich glaube nicht, dass es eine Frage der Gleichheit oder Ungleichheit ist." Schließlich würde nirgendwo ein Grundstück höher bewertet, als es wert sei. Das Problem sei vielmehr, dass man diesen Wert nicht auf dem Konto sehen könne, anders, als wenn jemand zum Beispiel Aktien oder Barvermögen erbt: "Und da kann man jetzt lange darüber streiten: Was ist jetzt eigentlich eine gerechte Lösung in so einem Fall."

Gesellschaft beim Thema Erbschaftssteuer gespalten

Das dürfte auch der Streitpunkt in der gesellschaftlichen Diskussion sein. Denn bei dem Thema Erbschaftssteuer treffen zwei Positionen aufeinander.

Die einen, wie Josef Bogner, sagen: "Ich kann ja nichts dafür, dass ich am Tegernsee lebe. Davon kann ich ja nicht abbeißen." Er arbeite und arbeite: "Aber wofür, wenn alles von der Steuer aufgefressen wird?"

Die anderen, wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit, sagen: "Der Staat hat das Recht, Eigentum zu besteuern." Und das bei jeder Transaktion. So funktioniere eben Demokratie. Für den Sprecher des Vereins, Christoph Trautvetter, ist es auch eine Frage der Anspruchshaltung: Für eine Immobilie am Tegernsee sei es durchaus zumutbar, einen Kredit aufzunehmen, meint er. Das müssten Käufer einer Immobilie ja auch.

Unabhängig davon, wie sich die Diskussion also entwickelt: Dass jeder die Lösung als gerecht empfindet, dürfte unwahrscheinlich sein.

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