Beim Handwerkertag an der Christian-Wolfrum-Mittelschule in Hof arbeiten die Jugendlichen unter anderem auch mit Dachdeckern.
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Beim Handwerkertag an der Christian-Wolfrum-Mittelschule in Hof arbeiten die Jugendlichen unter anderem auch mit Dachdeckern.

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Handwerkertag: Wichtig für Schüler und Betriebe

Der Handwerkertag ist jetzt Pflicht an allen weiterführenden Schulen. Jugendliche sollen so die Vielfalt von mehr als 130 Handwerksberufen entdecken. An einer Hofer Mittelschule gibt es den Tag schon seit Jahren – lange vor der Idee der Politik.

Über dieses Thema berichtete regionalZeit - Franken am .

"Kfz-Mechatroniker": So lautet das Berufsziel des 14-jährigen Moritz aus Hof. Er hat bereits Zusagen für zwei Praktikumsstellen. So weit sind viele seiner Mitschülerinnen und Mitschüler an der Christian-Wolfrum-Mittelschule noch lange nicht. Die 15-jährige Lea-Marie zuckt zum Beispiel bei der Frage nach ihren Zukunftsplänen unschlüssig mit den Schultern. Doch die Zeit drängt, nächstes Jahr stehen die Abschlussprüfungen an.

Handwerkertag bereits zum elften Mal

Der Handwerkertag findet an der Mittelschule bereits zum elften Mal statt. Rektorin Michaela Neumann und ihr Kollegium wollen den Jungen und Mädchen ganz bewusst die Vielfalt der Handwerksberufe aufzeigen: "Das Handwerk ist gerade für unsere Schüler eine gute Anlaufstelle. Viele von ihnen wären in einem großen Industrieunternehmen vielleicht verloren und brauchen eher die familiäre Umgebung, die ein Handwerksbetrieb schafft."

Auswahl aus sechs Berufsfeldern

Zusammen mit der Kreishandwerkerschaft Hochfranken organisiert die Schule diesen Tag. Unter dem Motto "Handwerk zum Anfassen" geben Bäcker, Metzger, Dachdecker, Braumeisterinnen, Installateure und Metalltechniker konkret Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Die 75 Jungen und Mädchen aus der achten Klasse konnten sich im Vorfeld jeweils vier der sechs Berufe aussuchen und arbeiten am Handwerkertag immer eine Schulstunde lang ganz praktisch. Sie formen Brezeln, schweißen Dachpappe, hantieren mit der Wärmebildkamera oder schleifen aus Metallstücken einen Flaschenöffner.

Das weitet den Blick der Schülerinnen und Schüler. Schülerin Alisha gerät zum Beispiel ins Grübeln. Bisher war ihr Ziel, mit Tieren zu arbeiten. Doch die Hofer Braumeisterin Gisela Meinl-Hansen hat im Klassenzimmer so begeistert von ihrem Arbeitsalltag erzählt, dass Alisha jetzt auch über ein Praktikum in der Brauerei nachdenkt.

Seit Jahren wenig Veränderung bei den Favoriten

Über 130 Ausbildungsberufe bietet das Handwerk. Doch seit Jahren sind immer die gleichen Berufe bei Schülern am beliebtesten, erklärt Ulrich Förtsch, Pressesprecher der Handwerkskammer Oberfranken. Die Mädchen konzentrieren sich vor allem auf Friseurin, Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk und Bürokauffrau. Die Jungen wählen Kfz-Mechatroniker, Elektroniker für Energie-und Gebäudetechnik und Anlagenmechaniker Sanitär-Heizung-Klima.

Installateur-Meister Michael Hein zählt also mit seinem Sanitär-und Heizungsbetrieb in Schwarzenbach an der Saale zu den Top 3. Trotzdem macht ihm der Fachkräftemangel trotz steigender Auftragslage schwer zu schaffen. "Und dann wirbt uns die Industrie oder auch öffentliche Arbeitgeber unsere gut ausgebildeten Gesellen ab."

Pflicht für Schulen zur Zusammenarbeit seit diesem Schuljahr

Für den Handwerkertag ist Hein nun mit gleich drei Mitarbeitern in die Mittelschule gekommen. Nachwuchswerbung ist überlebenswichtig, das sagen auch die anderen Chefs. 1.830 Ausbildungsverträge wurden 2022 in Oberfranken abgeschlossen – ein Minus von 3,4 Prozent im Vergleich zu 2021. Überall in Bayern werden Lehrlinge gesucht. Deshalb hat die bayerische Staatsregierung im September 2022 eine Pflicht für Handwerkertage oder ähnliche Angebote an allen weiterführenden Schulen eingeführt.

Kraftakt für Familienbetriebe

Seitdem steht das Telefon in den Handwerksbetrieben nicht mehr still, weiß der Hofer Metzgermeister Christian Herpich, der auch oberfränkischer Vizepräsident der Handwerkskammer ist. "Diese Berufsorientierung gezielt aufs Handwerk ist zwar der richtige Ansatz, aber auch ein Kraftakt für uns." Es sind meist kleine Familienbetriebe, die ein solches Angebot zusätzlich zur eigentlichen Arbeit leisten sollen.

Bäckerlehrling mit ansteckender Begeisterung

Bäckermeister Tobias Friedrich zum Beispiel stand schon seit kurz nach Mitternacht in der Backstube. Und als die Brötchen und Brote frischgebacken in Laden lagern, ist er an die Mittelschule gefahren. Zusammen mit seiner Auszubildenden Sophia Hahn – die 20-Jährige schwärmt von ihrer Arbeit: "Mir war immer wichtig, dass ich sehe, was ich gearbeitet habe und auch immer wieder was Neues machen. Und wenn ich dann im Laden das Lächeln sehe, ist es klasse."

Berufsziel dank Handwerkertag

Während sie erzählt, zeigt sie Lea-Marie und den anderen in der Schulküche, wie man schnell aus einem Teigklumpen mit dem Handballen eine lange Schnur formt und dann einen kleinen Brotzopf flechten kann. "Das hat mir echt gefallen", sagt die 15-jährige Lea-Marie. Sie strahlt übers ganze Gesicht: Jetzt hat sie ein Berufsziel vor Augen. Der frühe Arbeitsbeginn in der Backstube schreckt sie nicht: "Das halte ich schon aus."

Auf der Liste der Betriebe, die alle Innungsmeister zum Handwerkertag mitgebracht haben, sucht sie sich jetzt Bäckereien in Hof aus, notiert sich die Telefonnummer und will sich für ein Praktikum bewerben.

Schlechter ÖPNV verschärft Lage der Handwerksbetriebe

Lea-Marie ist kein Einzelfall. Bäckermeister Friedrich oder Dachdeckermeister Gölkel erzählen, dass sich durch den Handwerkertag in der Schule in den vergangenen Jahren sich immer wieder neue Auszubildende beworben haben. Allerdings nicht in bei ihnen, denn ihre Betriebe liegen im Landkreis und nicht in der Stadt Hof. Die fehlenden Busverbindungen in ländlichen Regionen verschärfen die Personalsuche der Handwerker noch zusätzlich, sagt Marco Kemnitzer, Kreishandwerksmeister für Hof-Wunsiedel.

Zwei Schüler kneten Teig und formen daraus Brezen und einen Zopf.
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Bäcker, Brauer, Dachdecker: Beim Handwerkertag können Achtklässler der Mittelschule in Hof in mehrere Handwerksberufe hineinschnuppern.

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