Die Energiepreise sind noch immer existenzbedrohend hoch – diese Einschätzung kam erst vor wenigen Tagen von Seiten der Bayerischen Wirtschaft. Auch der Deutsche Handwerkspräsident, Jörg Dittrich, warnte vor den Folgen hoher Energiepreise. Mit Blick auf Unterfranken scheint die Lage dort nicht ganz so negativ bewertet zu werden: "Passt schon", übersetzte Michael Bissert, Präsident der Handwerkskammer Unterfranken, das Ergebnis bei der Jahrespressekonferenz.
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Unterfränkische Handwerks-Betriebe überwiegend zufrieden
Insgesamt sei die HWK Unterfranken zufrieden mit dem vergangenen Jahr. Trotz Krise habe sich das Handwerk als stabiler Anker bewiesen. 86,4 Prozent aller unterfränkischen Handwerksbetriebe beurteilte die eigene Geschäftslage mit "gut" oder "befriedigend". Das ergab eine Umfrage. Im Vorjahr, also noch vor Beginn des Kriegs in der Ukraine, hieß es von den unterfränkischen Betrieben: Die Stimmung ist insgesamt gut und etwa 85 Prozent der Unternehmen waren mit ihrer Geschäftslage 2021 zufrieden.
Vor der Pandemie war die Zahl jedoch noch höher, 2019 etwa waren laut HWK 91,9 Prozent der Betriebe zufrieden. Mit Blick auf das kommende Jahr geht ein Drittel aller Betriebe davon aus, dass sich die Geschäftslage im ersten Quartal 2023 verschlechtern wird.
Verkaufspreise steigen wegen höheren Energie- und Rohstoffkosten
Angestiegene Energiekosten und Rohstoffpreise wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hätten "unvermeidliche Preisanpassungen" für handwerkliche Produkte und Dienstleistungen nach sich gezogen. 56,8 Prozent der Betriebe hätten entsprechend die Verkaufspreise angehoben. Bissert sagt: "Wird das Preisniveau im Einkauf auch 2023 weiter steigen – wovon ich ausgehe – werden sich auch die handwerklichen Produkte und Dienstleistungen weiter verteuern müssen."
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Supermarkt-Alternativen für Handwerk problematisch
Nicht alle Betrieben können gestiegene Kosten im Einkauf auf ihre Produkte umlegen, erklärt Ludwig Paul, Hauptgeschäftsführer der HWK: "Vor allem kleine Betriebe mit Konkurrenz, im Lebensmittelbereich, haben da wenig Spielraum, weil Kunden gegebenenfalls zur billigen Alternative im Supermarkt greifen." Zahlen über Betriebe, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Geschäft aufgeben mussten, liegen der Handwerkskammer Unterfranken nicht vor.
Ein Beispiel gab es erst kürzlich in Winterhausen bei Würzburg, Ende November 2022: Trotz einer Benefizaktion und Unterstützung im Dorf musste Bäcker Andreas Rother seinen Laden schließen. Energiekosten, Rohstoffpreise und Einbußen während der Corona-Krise bereiteten ihm finanzielle Nöte.
Nachwuchs-Sorgen bleiben
Der Ausbildungsmarkt ist laut Handwerkskammer nach wie vor krisengeprägt: 2.530 Menschen haben eine Ausbildung im Handwerk in Unterfranken begonnen, 1.000 Lehrstellen waren nicht besetzt – ein Rückgang von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gründe dafür seien neben dem demographischen Wandel etwa der Rückgang der Absolventinnen und Absolventen allgemeinbildender Schulen und die weniger stattfindenden Berufsorientierungs-Veranstaltungen.
Handwerk geprägt von Energiekrise und Fachkräftemangel
Weniger Azubis mit Fluchthintergrund
Besonders wichtig war Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul zu betonen, dass auch immer weniger Azubis mit Fluchthintergrund im Handwerk "ein Zuhause finden": Während es 2021 noch 6,6 Prozent waren, haben jetzt nur noch 4,5 Prozent einen Lehrvertrag im Handwerk. 115 Ausbildungsverträge mit jungen Menschen aus anderen Ländern registrierte die HWK Unterfranken 2022. Ein Jahr vorher waren es noch 170.
Am häufigsten beginnen Menschen aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien eine handwerkliche Ausbildung. "Das kann ruhig auch als Impuls in Richtung der politischen Debatte gesehen werden, über die Flüchtlingspolitik nachzudenken", so Paul. Es brauche nicht nur jede Menge Fachkräfte aus dem Ausland, sondern auch Arbeitskräfte, die im Handwerk etwa eine Ausbildung machen. "Eine gute Ausbildung ist eine gute Voraussetzung für Integration."
Kompromiss-Lösung bei Meisterausbildung gefordert
Die Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass die Meisterausbildung künftig kostenlos sein soll, wie ein Studium. Hier gibt die unterfränkische HWK zu bedenken, dass die bereits existierende Förderung des Bundes bestehen bleiben müsse. Andrea Sitzmann, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Unterfranken, sagt: "In die falsche Richtung ginge eine institutionelle Förderung der Meisterfortbildung. Dadurch ginge nämlich das bislang auf dem Markt existierende breite Angebot der Meistervorbereitungskurse verloren".
Trotzdem: Die Handwerkskammer Unterfranken setze sich dafür ein, die personenbezogene Förderung, das Aufstiegs-Bafög, zu optimieren und den Meisterbonus anzuheben. Sie begrüße die Aussage der Bayerischen Staatsregierung, die unterstreiche, dass berufliche und akademische Bildung in Bayern gleichwertig sind.
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