Geschäftsführer Sebastian Degen, Jobbegleiterin Martina Kohler und Elektro-Monteur Hussein Mundher vor einer interaktiven Tafel
Bildrechte: BR / Gisela Staiger

Geschäftsführer Sebastian Degen, Jobbegleiterin Martina Kohler und Elektro-Monteur Hussein Mundher vor einer interaktiven Tafel

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Geflüchtete willkommen: Nürnberger Unternehmer auf Wachstumskurs

Viele Arbeitgeber beschäftigen geflüchtete Menschen nicht, weil sie die Bürokratie scheuen. Sebastian Degen geht bewusst den anderen Weg. Seine "Firmenfamilie" besteht aus 20 verschiedenen Nationalitäten. Fachkräftemangel kennt er nicht.

Firmenchef Sebastian Degen und der Iraker Hussein Mundher stehen gemeinsam vor dem Bildschirm. Anhand einer Konstruktionszeichnung erklärt Degen dem 30-Jährigen, worauf er bei einer Montage in der kommenden Woche achten muss. Der mittelständische Nürnberger Familienbetrieb produziert digitale Medientechnik – zum Beispiel interaktive Tafeln – und installiert sie bundesweit an Schulen, Universitäten oder in Privatfirmen. Ein Wachstumsmarkt. Bei Degen arbeiten derzeit 140 Menschen im Büro, in der Produktion und im Außendienst. Sie kommen aus zwanzig verschiedenen Ländern.

Jobbegleiterin bringt geflüchteten Iraker in Vollzeitstelle

Hussein Mundher hatte im Irak ein Elektrikstudium absolviert. 2015 – während der sogenannten Flüchtlingswelle – kam er nach Deutschland. Im Frühjahr 2020 stellte Sebastian Degen ihn als Elektro-Monteur ein, obwohl gerade die Corona-Pandemie ausgebrochen war.

Für den Iraker eine Riesenchance. Er verdankt sie einem einzigen, entscheidenden Kontakt: seiner Jobbegleiterin Martina Kohler. "Sie hat mir viel geholfen", erzählt er, "dabei, einen Integrationskurs zu suchen, ein Praktikum und Arbeit zu finden". Zudem habe sie sich darum gekümmert, dass sein irakisches Universitätsstudium anerkannt wurde.

Das Jobbegleiter-Projekt: ein bayerisches Erfolgsmodell

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hatte die Staatsregierung im Oktober 2015 mit der bayerischen Wirtschaft und der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit die Vereinbarung "Integration durch Ausbildung und Arbeit" unterzeichnet. Gemeinsam wollten die Vereinbarungspartner 60.000 Flüchtlinge bis Ende 2019 in Arbeit integrieren.

Bereits im Frühjahr 2018 wurde dieses Ziel vorzeitig erreicht. Zum Jahresende 2019 ist die Initiative zwar ausgelaufen, erfolgreiche Projekte wie die "Jobbegleiter" wurden aber fortgeführt. Jobbegleiter helfen geflüchteten Erwachsenen durch den Behörden-Dschungel und stellen den Kontakt zu Unternehmen her. Ziel: eine nachhaltige Integration in Arbeit.

Jobbegleiterin Kohler unterstützt den Iraker seit Jahren

Martina Kohler arbeitet als Jobbegleiterin bei den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in Nürnberg. Sie hat den geflüchteten Iraker Hussein Mundher 2016 kennengelernt und unterstützt ihn seither bei seiner Integration in den Arbeitsmarkt. Immer wieder schaut sie sich bei der Firma Degen nach ihm um, erkundigt sich auch beim Chef, ob alles gut läuft. Gleichzeitig fragt sie nach, ob Bedarf an weiteren geflüchteten Arbeitskräften besteht.

Kohler sagt, dort, wo es Jobbegleiter-Stellen gibt, sei die Integration von Geflüchteten auf dem richtigen Weg. "Wir haben die Zeit, uns mit den Menschen ihre nächsten Jahre anzuschauen, ihren Werdegang in Ruhe zu diskutieren." Die Jobbegleiterin erzählt, sie habe Hussein Mundher gezeigt, wie er seine Pläne verwirklichen könne. Selbst wenn sie ihm erstmal schnell einen Arbeitgeber vermittelt habe, damit er seine Beschäftigungsduldung nicht verliere, habe sie parallel geplant, wie er zu seinem Traumberuf kommen könne. Bei der Firma Degen hat er ihn dann bekommen.

Firma Degen lebt Offenheit

Natürlich gehört immer auch ein aufgeschlossenes Unternehmen dazu, das einem geflüchteten Menschen eine Chance gibt. Sebastian Degen präsentiert seine Firma bei Jobmessen für Geflüchtete. Er ist Mitglied im Netzwerk "unternehmen-integrieren-fluechtlinge.de" und auch mit weiteren Integrationsinitiativen, wie den Jobbegleitern, vernetzt. Fachkräftemangel kennt er nicht.

"Die Integration von Flüchtlingen ist ein ganz wichtiges Thema für uns", sagt Degen. "Man hat dann top motivierte Mitarbeiter, die sich zu 1.000 Prozent mit der Firma identifizieren und somit tun wir was Gutes, haben aber dadurch natürlich auch noch das Unternehmen weitergebracht."

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Hussein Mundher von der Firma Degen, bei der Montage einer interaktiven Tafel in einer Nürnberger Schule.

Viel Unterstützung für integrative Arbeitgeber

Firmenchef Sebastian Degen möchte anderen Arbeitgebern Mut machen. Es gebe große Unterstützung für Unternehmen, die Geflüchtete integrieren. Im Fall des Irakers Hussein Mundher hätte ihm die Jobbegleiterin viel Arbeit abgenommen. Einerseits in punkto Kommunikation mit Behörden und bei der Beantragung von Dokumenten.

Andererseits aber auch mit Ratschlägen. Die Jobbegleiter, so Degen, hätten natürlich viel Erfahrung durch ihre Arbeit und stünden nicht nur dem Geflüchteten, sondern auch dem Arbeitgeber mit Rat und Tat zur Seite. Sein Unternehmen habe davon enorm profitieren können.

Iraker wurde jetzt als Fachkraft anerkannt

Hussein Mundher hatte bisher nur eine Beschäftigungsduldung. Ohne Arbeit hätte er nicht bleiben dürfen. Dann aber wurde sein irakisches Elektrikstudium von der zuständigen IHK FOSA voll anerkannt. Für die Firma Degen ist er zudem bundesweit als Elektro-Monteur im Außendienst tätig. Das waren wichtige Voraussetzungen für den Aufenthaltsstatus einer anerkannten Fachkraft, den er nun im Januar 2023 bekommen hat.

Sebastian Degen und ein Mitarbeiter.
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Sebastian Degen heißt in seiner Nürnberger Firma Geflüchtete willkommen.

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