Mitarbeiter auf dem Dach einer Biogasanlage
Bildrechte: picture alliance/dpa | Guido Kirchner

Mitarbeiter auf dem Dach einer Biogasanlage

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Gasnetze in Gefahr: Betreiber drohen mit Stilllegung

Die neuen Vorgaben für das Heizen im Rahmen des Gebäudeenergiegesetzes werden auch Auswirkungen auf die Erdgasnetze haben. Dann vor allem, wenn immer mehr Wasserstoff vorgeschrieben wird. Ein Energieträger, den bislang auch kaum Heizungen vertragen.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Jetzt noch schnell eine neue Gasheizung kaufen, bevor 2024 das Einbauverbot kommt? Experten halten das für keine gute Idee. Zwar dürfen Alt-Anlagen theoretisch noch bis 2045 weiterlaufen, aber ihnen droht eine Umrüstung von Erdgas auf Wasserstoff. Außerdem denken viele Kommunen über einen Ausstieg aus dem Gasnetz nach, wenn die Umstellung zu teuer wird und die Zahl der Kunden schrumpft.

Weder Heizungen noch Netze für Wasserstoff geeignet

Es ist schwer vorstellbar, dass die Gasnetze, die heute mit einem zweistelligen Milliardenbetrag bewertet werden, bald schon zu Investitionsruinen und größtenteils abgestellt werden. Doch genau darauf läuft es hinaus, wenn das Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Ampel-Koalition umgesetzt wird in Bezug auf die geforderte Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff. Für den Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) geht die Umstellung viel zu schnell, nämlich zehn Jahre früher als zunächst vorgesehen. Ab 2035 sind jetzt wenigsten 65 Prozent Wasserstoff vorgeschrieben, der heute noch nicht lieferbar ist.

Nachrüstung von Altgeräten auf hohen Wasserstoff-Verbrauch nicht möglich

Auch Heizgeräte, die einen so hohen Anteil an Wasserstoff vertragen, gibt es noch nicht. Die bisherigen Heizungen, die als "H2 ready" (fit für Wasserstoff) verkauft werden, vertragen je nach Hersteller eine Beimischung von maximal 20 oder 30 Prozent, können aber nicht mehrheitlich damit betrieben werden. Der Hersteller Viessmann sieht sich dazu in der Lage, solche Geräte zu bauen, hat aber bislang auch nur Prototypen am Start.

Hohe Investitionen in die Verteilnetze erforderlich

Außerdem müssten dafür rund sieben Milliarden Euro zusätzlich allein in die Verteilnetze investiert werden und neue Ferngasleitungen für Wasserstoff verlegt werden. Diese Gasnetzkosten würden sich im Zuge der Heizwende und dem Einsatz von Wärmepumpen auf immer weniger Haushalte verteilen. Den übrigen Gaskunden drohen damit unbezahlbare Netzentgelte. Es ist zwar so, dass die Leitungen selbst weitgehend wasserstofftauglich sind. Dennoch sind viele andere Elemente nachzurüsten, weil die H2-Atome extrem klein sind und die Eigenschaft haben durch viele Stoffe, auch Metall, einfach hindurch zu dringen.

Flüssig-Gastank als letzter Ausweg, um weiter mit Gas zu heizen

Nur wer Platz für einen Tank hat, könnte auf den Netzanschluss verzichten und seine alte Anlage mit flüssigem Propangas (LPG) weiterbetreiben. Die Kosten für einen Gastank halten sich in Grenzen mit einem Mietvertrag, dabei entfallen aber die freie Wahl des Lieferanten und damit der Preisvergleich.

Ob es sich lohnt, selbst einen Tank anzuschaffen (für ca. 1.500-2.500 Euro) hängt von der Liefersituation vor Ort ab, dem Gasverbrauch und anderen Faktoren. Auf jeden Fall lässt sich nahezu jede Gasheizung von Erdgas auf Flüssiggas umrüsten, wenn ein passender Stellplatz vorhanden ist. Egal ob im Garten oder sonst am Haus, lassen sich die Tanks auch eingraben. Eine Unterbringung im Keller ist dagegen oft nicht so einfach möglich. Es gibt außerdem Pläne, auch Flüssig-Propan-Gas mit Hilfe von klimaneutralen Verfahren aus Biomasse zu gewinnen. Das wäre wohl weitaus weniger aufwändig als die Herstellung von Wasserstoff.

Bio-Methan aus Abfallstoffen bislang keine Alternative für Gasnetze

Die Gaswirtschaft hält es grundsätzlich für möglich, statt Wasserstoff auch Biogas als klimafreundlichen Brennstoff zuzulassen und in die örtlichen Gasnetze einzuspeisen. Die bisherige Produktion von Biogas wird allerdings fast vollständig verstromt und steht so dem Wärmemarkt nicht zur Verfügung. Die Geschäftsmodelle sehen stattdessen vor, Biogas direkt in Kraftwerke zu leiten, es dort zu Strom zu machen und von der Einspeisevergütung des Stroms in die örtlichen Netze zu profitieren.

Verhalten der örtlichen Gasnetz-Betreiber entscheidend

Aus Sicht der Netzbetreiber und des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ist eine Passage des GEG Gebäudeenergiegesetzes ganz entscheidend. Dort ist davon die Rede, dass Gasheizungen (Neugeräte) nur noch eingebaut werden, wenn der zuständige Verteilnetzbetreiber garantiert, dass die geforderte Wasserstoffinfrastruktur bis 2035 in Betrieb geht (mit mindestens 65 Prozent Wasserstoff oder möglicherweise auch Bio-Methan).

Der VKU fürchtet Regressansprüche, wenn eine fristgerechte Umstellung und Versorgung mit Wasserstoff bis dahin nicht gelingt. Im Klartext möchten viele kommunale Unternehmen nicht dafür haftbar gemacht werden, wenn sich diese Umstellung verzögern sollte.

Umstellung auf Wasserstoff-Heizung trifft Gas-Etagenheizungen

In letzter Konsequenz wären davon dann auch die unzähligen kleineren Gasthermen/ Gasetagenheizungen betroffen, wie sie in vielen Mietwohnungen und Mehrfamilienhäusern gerade in größeren Städten eingebaut sind. Von diesen Geräten war im ersten Gesetzentwurf für das GEG noch nicht die Rede.

Diese Mehrfamilien- bzw. Mietshäuser müssten dann in einem ersten Schritt wohl zunächst eine Zentralheizung bekommen oder pro Etage eine Wärmepumpe, was kaum wirtschaftlich erscheint und zu extremen Mieterhöhungen führen könnte. Dem Bundesbauministerium zufolge würde es sich dabei um eine "Modernisierungsmaßnahme" handeln, deren Kosten in den Folgejahren auf die Nettokaltmiete umgelegt werden könnten.

Noch hat dieses Gesetz mit allen Teil-Vorschriften den Bundestag nicht passiert. Es ist daher möglich, dass noch einige letzte Änderungen vorgenommen werden. Die FDP hat das bereits angekündigt, doch es ist unklar, welche Regelungen die Liberalen dabei anstreben. Von SPD und Grünen ist dagegen zu hören, dass es bei dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf bleiben soll.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!