Eine mögliche Energiekrise im Winter beschäftigt weiter die deutsche Politik. Niemand kann absehen, ob – und wenn ja, wie viel – russisches Gas im Laufe des Jahres weiter nach Deutschland geschickt wird. Der Aufruf lautet also: Sparen. Zum einen aus finanziellen Gründen, weil die Preise immens gestiegen sind. Zum anderen, um einen möglichen Energie-Notstand zu verhindern.
Da lassen die neuesten Daten auf eine positive Entwicklung schließen: Die Bundesnetzagentur meldet einen deutlichen Rückgang beim Gasverbrauch im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr. So wurden deutschlandweit im Januar 9 Prozent, im Februar 13, im März 16, im April 14, im Mai 25, im Juni 14 und im Juli immerhin 3 Prozent weniger Gas verbraucht. Insgesamt ist in den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 der Gasverbrauch um rund 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Ist der Spar-Appell also bei der Bevölkerung angekommen? Daran liegt es wohl eher nicht, glauben Experten.
Vor allem die Industrie spart Gas
Die Arbeitsgemeinschaft Gas erklärt, vor allem die Industrie würde Gas einsparen. Zum einen würden Betriebe effizienter wirtschaften und zum anderen die Energie auch aus anderen Quellen beziehen. Zudem verringerte sich der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung, weil die erneuerbaren Energien – vor allem im 1. Quartal – höhere Beiträge lieferten.
Für ein Drittel des deutschen Gasverbrauchs sind die privaten Haushalte verantwortlich. Und auch die würden bereits sparen. Das liege hauptsächlich an den hohen Preisen und an den höheren Temperaturen, so ein Sprecher des Ifo-Instituts gegenüber dem BR.
Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) sieht das differenzierter: "So richtig wird noch kein Gas gespart. 50 Prozent des Rückgangs liegt am milden Winter und an den hohen Temperaturen im Sommer."
Erst in der Heizperiode wird sich zeigen, wie viel gespart wird
Beim Energieversorger Erdgas Schwaben beobachte man aktuell einen Gas-Einspareffekt, der geringfügig über den reinen Temperatureffekt aufgrund des warmen Sommers hinausgehe, so Pressesprecher Christian Blümm. "Wir können aber nicht sagen, dass es an den Privatkunden liegt, denn die verbrauchen im Sommer ohnehin so gut wie kein Gas." Wie viel hier gespart werde, lasse sich erst sagen, wenn die Heizperiode laufe, so Blümm. Vielmehr geht man bei dem Energieversorger davon aus, dass die Einspareffekte dadurch zu erklären sind, dass die Stromerzeugung aus Erdgas aktuell rückläufig ist.
Die Stadtwerke Landshut verzeichnen in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr, im Vergleichszeitraum von Januar bis Juli, insgesamt rund sechs Prozent weniger Gasverbrauch. Laut einer Sprecherin der Stadtwerke Landshut soll es 2021 im Vergleichszeitraum allerdings auch etwas kälter als 2022 gewesen sein.
- Zum Artikel: Wie man im Alltag Gas sparen kann
Langfristiger Vergleich notwendig
Die REWAG in Regensburg sieht auf BR-Anfrage im Vergleich zu 2021 ebenso leicht rückläufige Verbräuche. Allerdings kann dies aus ihrer Sicht nicht 1:1 auf die Begleiterscheinungen der Gas-Krise und die Aufrufe zum Energiesparen zurückgeführt werden. Laut einem Sprecher der REWAG müssten zusätzlich andere Jahre betrachtet werden: "So ist der Verbrauch in 2022 höher als in 2020 und sogar deutlich höher als beispielsweise in 2014. Um ein Gesamtbild in Sachen Verbrauchsverhalten zu bekommen, muss aus unserer Sicht bis zur Heizperiode im Oktober/November gewartet werden."
Erst dann sollen die Verbräuche steigen und es wird erkennbar, inwieweit ein Spareffekt gesehen werden kann. Im Sommer sei dies eigentlich noch nicht abzusehen.
Bundesnetzagentur-Chef: Gasspeicher über 72 Prozent gefüllt
Die deutschen Gasspeicher sind mittlerweile über 72 Prozent gefüllt. Das sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, beim hessischen Gasgipfel in Wiesbaden. "Das ist besser als in den letzten Wochen und Monaten." Müller zeigte sich sehr zuversichtlich, bis zum 1. September eine Füllung der Gasspeicher von 75 Prozent zu erreichen. "Da sind wir auf einem guten Weg."
Die Lage sei jedoch aus Sicht der Bundesnetzagentur weiter angespannt, da nur etwa 20 Prozent der vertraglich zugesicherten Gasmenge aus Russland geliefert werde, sagte Müller. Um eine Gasmangellage zu vermeiden, müsse zudem deutlich mehr Gas eingespart und neue Gasquellen müssten erschlossen werden.
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