Europäische Zentralbank in Frankfurt
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Die Europäische Zentralbank gestaltet die Geldpolitik im Euroraum. Ihr wichtigstes Ziel, Geldwertstabilität, verfehlt sie seit über einem Jahr.

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So viel Einfluss hat die EZB auf unser Leben

Wenn die europäischen Währungshüter um Christine Lagarde den nächsten Zinsschritt bekanntgeben, dann stellt sich für viele Menschen die immer gleiche Frage: Was hat das mit mir zu tun? Bei genauem Hinsehen zeigt sich: Einiges.

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Zwar scheint die große Wirtschaftskrise abgewendet zu sein, und die Gefahr einer galoppierenden Inflation scheint auch gebannt – aber die EZB steht noch immer vor einer großen Herausforderung: Sie will die Kauflust der Menschen stark genug einbremsen, um die Inflation zu stoppen. Wenn sie aber dadurch die Nachfrage zu stark runterschraubt, dann könnte sie die Unternehmen in Gefahr bringen und doch noch eine Rezession verursachen.

Ob dieser Spagat gelingt, hängt maßgeblich von den Zins-Entscheidungen der EZB ab. Denn wenn es für die Banken teurer wird, sich Geld zu leihen, dann geben sie diese Mehrkosten an die Konsumentinnen und Konsumenten weiter. Erhöht die EZB also die Zinsen, dann hat das auch Einfluss auf die Verbraucherinnen und Verbraucher: Nicht nur auf deren Kaufentscheidungen, sondern auch auf deren Spar-Möglichkeiten.

Wie hängen die Zinsen der EZB und die Inflation zusammen?

Die EZB ist im Euroraum die Hüterin des Geldes. Ihr oberstes Ziel ist es, den Euro als Währung stabil zu halten, indem Nachfrage und Angebot möglichst in einem gesunden gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht bleiben. Nun war in den vergangenen Monaten das Angebot aber im Verhältnis zur Nachfrage stark zurückgegangen – zu knapp waren wichtige Güter aus gestörten Lieferketten, aber auch die Energie, um Produkte herzustellen.

Aus diesem Ungleichgewicht entstand im Euroraum eine Inflation, also eine Teuerung aller Güter und Dienstleistungen, um bis zu zehn Prozent. Auch wenn diese Inflation im Januar gesunken ist, auf 8,5 Prozent, muss die EZB dafür sorgen, dass die Teuerung weiter abnimmt. Die Zielmarke, die sich die Zentralbank selbst gesetzt hat, sind zwei Prozent. Das tut sie über ihr mächtigstes Werkzeug: Den sogenannten Leitzins.

Was genau macht der Leitzins?

Der Leitzins beeinflusst zunächst vor allem die privaten Banken. Wenn beispielsweise die Sparkasse um die Ecke sich Geld leihen möchte, um einer Kundin oder einem Kunden einen Kredit auszubezahlen, dann muss sie sich dafür über Umwege bei der EZB selbst Geld ausleihen.

Nun bekommt die Sparkasse das Geld aber nicht umsonst ausgeliehen, sondern sie muss Zinsen darauf bezahlen. Und diese Zinsen richten sich nach dem Leitzins. Den erhebt die EZB aber nicht, um in erster Linie selber Geld zu verdienen, sondern um die Geldmenge in der EU zu regulieren.

Sprich: Hebt sie die Zinsen an, dann macht sie das Leihen für die Banken teurer und die geben diese höhere Leihgebühr an die Kundschaft weiter – wiederum in Form von Kreditzinsen. Wenn also der Leitzins steigt, wird es insgesamt teurer, Kredite aufzunehmen – und zwar für Privatpersonen genauso wie für Unternehmen. Das führt dazu, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgeht - und sich so das Gleichgewicht zum Angebot wieder einstellt.

Wie erfolgreich ist dieser Mechanismus?

Bisher funktioniert es aus Sicht der EZB ganz gut. Vor einem Jahr, im Januar 2022 lag sie noch bei 5,1 Prozent und schnellte dann bis zum Oktober 2022 auf 10,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hoch. Besonders kräftige Preistreiber waren Energie und Lebensmittel. Inzwischen ist die Inflationsrate wieder gesunken: Im März 2023 waren die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat "nur noch" um 6,9 Prozent angestiegen.

Bis dahin hatte es die Banken dank der sogenannten Null-Zins-Politik keinen Cent gekostet, sich Geld bei der EZB zu leihen. Im Juli 2022 aber kam der erste Zinsschritt seit zehn Jahren: Damals von 0 auf 0,75 Prozent. Seitdem hat die EZB ihre Leihgebühren stetig angehoben, mittlerweile sind sie bei 3,75 Prozent angekommen (Stand Mai 2023). Sascha Möhrle vom ifo Institut in München schätzt, dass es bis zum Sommer 4 Prozent sein werden. Vorausgesetzt, die Inflation sinkt weiter so zuverlässig ab – und nicht sturzflugartig.

Einige haben die Sorge, dass zu schnell und zu stark angehobene Leitzinsen zu einer Art Konsumverweigerung bei den Menschen in der Europäischen Union führen könnte. Das wiederum würde zu einem "Einbrechen der Nachfrage" führen, sprich: Die Unternehmen würde nicht mehr genügend Waren und Dienstleistungen verkaufen, um überleben zu können.

Inwiefern beeinflussen die EZB-Zinsen den Privatkonsum?

Wegen der Leihgebühr, die private Banken an die EZB zahlen müssen, sind auch die Zinskosten für Privatkredite in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Denn die Sparkasse um die Ecke muss ihre Mehrkosten refinanzieren. Das tut sie, indem sie die Zinserhöhung zusammen mit einem Aufschlag weiterreicht an ihre Kundschaft.

Das ist auch der Grund, warum viele Menschen jetzt beispielsweise zögern, ihren Traum vom Eigenheim zu realisieren. Die Kreditraten sind wegen der Zinsen plötzlich um mehrere hundert Euro teurer geworden, das macht es für viele sehr unattraktiv in ohnehin schon teure Immobilien zu investieren. An dieser Stelle ist der Einfluss der EZB-Zinsentscheidungen sehr konkret zu sehen. Ähnlich sieht es auch bei Krediten für Unternehmen aus. Gründerinnen und Gründer zum Beispiel stehen hier gerade vor neuen Herausforderungen.

Hat die Zins-Politik auch positive Effekte für Verbraucher?

Einen positiven Effekt haben die hohen Zinsen für Sparerinnen und Sparer. Noch ist es ein zartes Pflänzchen, aber es gibt schon einige Geld-Institute, die wieder Zinsen für Festgeld anbieten. Nicht nur bei den Fintechs, also den Finanz-Startups, bekommen Kundinnen und Kunden auf langfristig angelegtes Geld um die drei Prozent Zinsen pro Jahr ausgezahlt. Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern geht davon aus, dass die großen Finanzinstitute hier bald nachlegen werden.

Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Auch drei Prozent Einlagezinsen können eine Inflation von rund sechs Prozent nicht ausgleichen. Bis sich diese beiden Werte angenähert haben und sich das Sparen wieder wirklich lohnt, dürfte noch einige Zeit vergehen. Man sollte jedenfalls jetzt nicht übereilt die Bank wechseln und schon gar keine langfristigen Verträge eingehen.

Ist die Gefahr einer Rezession denn nun gebannt?

Bislang spricht vieles dafür, dass es nicht zu einer starken Rezession kommt, die Wirtschaftsleistung nicht, wie befürchtet, deutlich zurückgeht: Viele Unternehmen haben weiterhin volle Auftragsbücher, das heißt, die Nachfrage bleibt trotz der gestiegenen Zinsen hoch. Weil es so viel zu tun gibt, bleibt entsprechend auch der Arbeitsmarkt stabil, die Zahl der Arbeitslosen bewegt sich trotz der vielen Schwierigkeiten auf einem stabilen Niveau. Zudem stehen in diesem Jahr noch einige Tarifrunden an, was mittelfristig für steigende Löhne spricht. Auch dadurch könnte das Gleichgewicht aus Konsumlust und Sparneigung wiederhergestellt werden.

Auch die Höchststände der Inflation scheinen bereits hinter uns zu liegen. Beim ifo Institut in München geht man davon aus, dass die Preise für Waren und Dienstleistungen fürs erste stabil bleiben, während Energie wieder günstiger wird. Laut Umfragen planen auch immer weniger Unternehmen, ihre Verbraucherpreise noch weiter anzuheben.

Dieser Artikel ist erstmals am 2. Februar 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut aktualisiert.

Danke für den Hinweis eines Lesers - im Abschnitt "Wie erfolgreich ist dieser Mechanismus" war ein Sachverhalt missverständlich dargestellt. Wir haben korrigiert.

In einer großen Pfütze spiegelt sich am frühen Morgen die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB, l) am Frankfurter Mainufer.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Frank Rumpenhorst
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Europäische Zentralbank

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