Deutschland und die EU haben ihren Streit über das Verbrenner-Aus beigelegt. Auch nach 2035 sollen Autos mit Verbrennermotor neu zugelassen werden können, sofern sie ausschließlich mit künstlich hergestellten, klimaneutrale Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betankt würden, teilte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit. Die Bundesregierung hatte sich in Brüssel bis zuletzt dafür stark gemacht.
Nun soll alles ganz schnell gehen. Die endgültige Abstimmung aller 27 EU-Staaten soll nun kommenden Dienstag stattfinden.
Grüne im Europaparlament beklagen "realitätsferne Debatte"
Im Europaparlament stößt die Vereinbarung auf ein geteiltes Echo. Die FDP spricht von einem großen Erfolg, das Pauschalverbot für den Verbrenner sei endgültig vom Tisch. Bei den Grünen heißt es dagegen, die Industrie setze voll auf das Elektroauto, die realitätsferne Debatte der vergangenen Tage habe Deutschland viel Glaubwürdigkeit gekostet.
Europaparlament und EU-Staaten hatten sich bereits im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Doch insbesondere Verkehrsminister Wissing von der FDP war es wichtig, auch die E-Fuels in der Entscheidung zu berücksichtigen.
Verbrenner-Aus bald ein Fall für den Europäischen Gerichtshof?
Die CDU befürchtet, dass die geplanten Ausnahmeregeln für alternative Kraftstoffe am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden, das bedeute für alle Beteiligten sehr viel Unsicherheit. Der CDU-Abgeordnete Peter Liese sprach von einer schlechten Politik für Europa und das Klima: "Verkehrsminister Wissing hat sehr viel Schaden für den europäischen Gesetzgebungsprozess angerichtet und am Ende praktisch nichts erreicht. Das Ergebnis ist genauso wie vorher. Das Verbrennerverbot wird beschlossen mit Zustimmung Deutschlands - und das ist schlecht."
Tiemo Wölken von der SPD glaubt, dass sich E-Fuels als Kraftstoffe für Autos nicht durchsetzen werden. Deshalb sehe es nur auf dem Papier so aus, als ob die FDP etwas erreicht habe. Tatsächlich habe sie aber diesen scheinbaren auf dem Rücken anderer errungen - "auf dem Rücken der Planungssicherheit der Automobilindustrie und damit der Beschäftigten, des Klimaschutzes und auf der Glaubwürdigkeit und der Effizienz des europäischen Gesetzgebungsverfahrens". Aus seiner Sicht seien die Ergebnisse auch nicht rechtssicher.
Greenpeace spricht von "faulem Kompromiss"
Scharfe Kritik kam von Greenpeace. "Dieser faule Kompromiss untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa", sagte der Mobilitätsexperte der Umweltorganisation, Benjamin Stephan. Die "dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf effiziente Elektromobilität" werde mit der Einigung verwässert. Stephan warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, die "rücksichtslose Erpressung der EU" durch die FDP nicht gestoppt zu haben.
"Wissing hat die Bundesregierung blamiert. Es ist unfassbar, dass Kanzler Scholz dieses Chaos über Wochen gedeckt hat", sagte der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen - seine Parteikollegen sind selbst in der regierenden Ampel vertreten. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte unter der Woche von Verkehrsminister Wissing eine Einigung gefordert - auch mit Blick auf den anstehenden Koalitionsausschuss am Sonntag. Auch wegen anderer Diskussionen streitet die Ampel auf offener Bühne.
Europaparlamentarier Rasmus und andere seiner Grünen Kolleginnen und Kollegen kündigten an, den Vorschlag "rechtlich und politisch sehr genau" zu prüfen.
Das große Fragezeichen hinter E-Fuels
Der Kanzler lobte dagegen die Einigung. Bei einer Bürgerveranstaltung in Potsdam sagte Olaf Scholz, niemand wisse, wieviel synthetischer Kraftstoff in gut einem Jahrzehnt tatsächlich zur Verfügung stehe. Deswegen sei es heute sinnvoll, alle technischen Möglichkeiten offenzuhalten.
Der Lobbyverband der synthetischen Kraftstoffe ist zwar grundsätzlich zufrieden, die Einigung sei aber nur der Anfang, die eigentliche Arbeit beginne erst jetzt. Positiv reagierte der deutsche Verband der Automobilindustrie. "Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen", sagte Präsidentin Hildegard Müller. Es sei daher im Sinne des Klimas, dass Berlin und Brüssel nun offensichtlich eine Einigung - mit entsprechendem Zeitplan - gefunden hätten. E-Mobilität bleibe die zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen.
E-Fuels sind heute noch sehr selten und teuer. Fachleute bezweifeln, dass es bis zum Stichdatum 2035 genügend E-Fuels für die Luftfahrt, für Schiffe und auch für den Individualverkehr weltweit gibt. Trotzdem sprach Verkehrsminister Wissing im bayerischen Landau von einer "guten Lösung": Deutschland baue die besten Verbrennungsmotoren der Welt, deswegen sei es fahrlässig, die Weiterentwicklung dieser Technik jetzt zu beenden, sagte Wissing.
Durch den weltweiten Bedarf an klimaneutralem Treibstoff werde auch das Angebot zunehmen. Jedes heute zugelassene Auto durch ein Elektrofahrzeug zu ersetzen, werde kaum möglich sein, sagte der Minister.
Mit Informationen von dpa

E-Fuel
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