Ein Mitarbeiter eines Hochleistungszentrums hat ein Glasfaserkabel in der Hand (Symbolbild).
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Marijan Murat

Eine bessere Digitalisierung könnte helfen, um Fachkräfte schneller nach Deutschland zu holen.

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Fachkräftemangel: Was bringt das neue Gesetz?

Mit einem neuen Gesetz sollen Fachkräfte aus dem Ausland einfacher und schneller nach Deutschland kommen. Doch die Skepsis in der Wirtschaft ist groß, was es in der Praxis bringt - weil digitale Strukturen fehlen.

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Andrew Zeller ist inzwischen ein Meister im Warten. "Anträge werden gestellt, dann gibt es nach ein bis zwei Monaten eine Rückmeldung, dann eine Nachfrage - und schon sind vier Monate vorbei", erzählt er. So läuft es meistens, wenn Zeller Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland holen möchte.

Der 50-Jährige ist einer der beiden Geschäftsführer von Adorsys, einem Nürnberger IT-Unternehmen. Adorsys entwickelt Software vor allem für Versicherungen und Banken, was die Auswahl an qualifiziertem Personal wegen der hohen Sicherheitsanforderungen oft deutlich einschränkt.

Insgesamt bis zu einem Jahr kann es laut Zeller beispielsweise bei Indien oder Pakistan dauern, bis jemand tatsächlich in Bayern ankommt. Allein dieser Vorlauf koste das Unternehmen in der Regel zwischen 10.000 und 25.000 Euro. "Und wenn es nicht funktioniert, ist das Geld weg", sagt Zeller.

Gesetz: "Chancenkarte" und einfachere Zuwanderung für Fachkräfte

Damit Firmen in Zukunft einfacher, schneller und unkomplizierter Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland holen können, verabschiedete das Bundeskabinett kürzlich das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

So soll etwa unter bestimmten Voraussetzungen die formale Anerkennung von Berufsabschlüssen wegfallen. Außerdem sollen Fachkräfte jede qualifizierte Beschäftigung ausüben dürfen und nicht mehr nur jene, die sie ursprünglich gelernt haben. Ebenso soll es eine neue "Chancenkarte" möglich machen, ein Jahr lang in Deutschland einen Job zu suchen. Wer eine solche Karte erhalten möchte, muss dafür nach einem Punktesystem bestimmte Bedingungen erfüllen.

Wirtschaftsverbände fordern schnellere Visavergabe und weniger Bürokratie

In der Theorie klingen diese neuen Regeln nach einem Fortschritt. Doch die Skepsis in der Wirtschaft ist groß. "Das vorliegende Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein tatsächlicher Impulsgeber für spürbar mehr Zuwanderung", sagt Elfriede Kerschl, Referatsleiterin Fachkräftesicherung bei der IHK für München und Oberbayern. Denn: "Die Zuwanderung bleibt zu kompliziert, unverständlich und bürokratisch."

Auch sie verweist auf "die teilweise jahrelangen Visaverfahren an den deutschen Konsulaten und Botschaften", die beschleunigt werden müssten. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) sieht "die Gefahr, dass bürokratische Hürden eine effiziente Nutzung der neuen Optionen verhindern".

Eine digitale Plattform für ausländische Fachkräfte und alle Behörden?

Die größte Bremse bleibt, dass für viele Vorgänge nach wie vor Papier nötig ist. Für mehr Effizienz bräuchte es aus Sicht von Vanessa Ahuja deshalb digitale Strukturen. Ahuja ist im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit für das Thema Fachkräfte zuständig. "Eine gemeinsame digitale Plattform, auf die alle Behörden zugreifen, wäre ein großer Wurf", sagt sie im Gespräch mit BR24.

In der öffentlichen Debatte gehe es bisher jedoch allenfalls darum, dass mehr Digitalisierung nötig sei – aber nicht darum, wie diese umgesetzt werden könne. Und: Eine solche Plattform würde wohl erneut ein eigenes Gesetz erfordern, eine Art "Verfahrensvereinfachungsgesetz", wie Ahuja es ausdrückt.

Wer als Fachkraft zu lange warten muss, wird nicht nach Deutschland kommen

Auf die Digitalisierung angesprochen, überlegt Unternehmer Andrew Zeller kurz, dann sagt er: "Mir fällt auf Anhieb nichts Digitales ein, es ist alles analog." Seine Erwartungen an das neue Gesetz sind denn auch eher gering. Natürlich sei es richtig, dass die Fachkräftezuwanderung endlich vereinfacht werde. Doch Regeln allein sorgten nun mal nicht für mehr Tempo.

Obwohl die langwierige Rekrutierung das Wachstum bremst, will Zeller aber nicht schwarzsehen. Über die Jahre habe er sich einen gewissen Grundoptimismus zugelegt, Adorsys habe noch immer einen Weg gefunden und werde das auch weiterhin, erzählt er. Sätze wie dieser sind mit Blick auf das neue Gesetz von Firmen oft zu hören. Statt Grundoptimismus könnte man es auch Zweckoptimismus nennen.

Denn zur Realität gehört auch, dass Deutschland nicht der Nabel der Welt ist. Wer als ausländische Fachkraft zu lange warten muss, davon ist Zeller überzeugt, der sage sich irgendwann: "Dann gehe ich halt woanders hin."

Dieser Artikel ist erstmals am 27.04.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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