Rote-Rüben-Salat, Weißkrautsalat mit Speck, Kartoffelsalat, Grillgemüse, Kaisersemmel und eine kleine Rostbratwurst auf einem weißen Porzellanteller
Bildrechte: BR / Ursula Klement

Rote-Rüben-Salat, Weißkrautsalat mit Speck, Kartoffelsalat, Grillgemüse, Kaisersemmel und eine kleine Rostbratwurst auf einem Porzellanteller.

    Ernährungswende: Was bringt eine höhere Steuer auf Fleisch?

    Eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Lebensmittel und keine Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse - das könnte unsere Ernährungsgewohnheiten ändern. Aber reicht das?

    Den vollen Mehrwertsteuersatz auf Fleisch, Milch und Eier, also 19 Prozent statt wie bisher sieben Prozent und gleichzeitig keine Mehrwertsteuer mehr auf Obst und Gemüse: Das fordern unter anderem der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, das Umweltbundesamt, die Zukunftskommission Landwirtschaft, die sogenannte Borchert-Kommission, Greenpeace, die EU-Kommission, der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Sozialverband VdK.

    Kurzum: Jede Menge Experten für Landwirtschaft, Verbraucher und Soziales. Das Motiv: Würde der Verzehr tierischer Lebensmittel und die Zahl der Nutztiere zurückgehen, würde man das Klima schonen, Wohlstandskrankheiten vorbeugen, wie etwa Diabetes oder Herz-Kreislaufprobleme. Außerdem könnte diese Preisgestaltung für mehr Tierwohl sorgen, so das Kalkül der Experten.

    Umfrage zeigt: Einzelne Verbraucher würden weniger Fleisch essen

    Ein Gedankenexperiment: Die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wird angehoben. Gleichzeitig entfällt die Steuer für Obst und Gemüse – was würde passieren? Was sagen die Kundinnen und Kunden auf dem Supermarkt-Parkplatz? Die Antworten reichen von "Wir würden darauf nicht verzichten" über "Ich esse eh schon wenig Fleisch" bis zu "Ich würde vielleicht einen weiteren Tag in der Woche kein Fleisch essen".

    Der Lebensmittelhandel erwartet keine Veränderungen

    Eine Umfrage unter den großen Lebensmittel-Handelskonzernen war wenig ergiebig – Rewe, Edeka, Aldi und Lidl verwiesen alle an die Handelsverbände. Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern geht davon aus, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte und eine Verbilligung von Obst und Gemüse keine besonderen Auswirkungen hätte: "Dass wirklich Verbraucher verstärkt zu Obst und Gemüse greifen, weil sie sieben Prozent für eine Banane weniger bezahlen müssen, das glaub ich kaum."

    Er denke nicht, dass man das Essverhalten steuern könne, indem man den Mehrwertsteuersatz ändere. Außerdem ist vollkommen offen, ob der Einzelhandel eine Steuererhöhung auf Fleisch und eine Steuersenkung auf Obst und Gemüse voll an den Kunden weitergibt. Die Discounter entscheiden schließlich, was die Kunden an der Kasse bezahlen.

    Tierbestände können nur sinken, wenn weniger Fleisch auf Teller kommt

    Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht und bis 2045 klimaneutral wird, muss die Tierhaltung halbiert werden, so das Ergebnis einer Studie des Öko-Institutes im Auftrag von Greenpeace. Damit kein Fleisch importiert werden muss, dessen Erzeugung andernorts die Klimabilanz und die Umwelt belastet, sollte auch der Verzehr von tierischen Produkten um die Hälfte zurückgehen.

    Das entspricht im Wesentlichen der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Der durchschnittliche Pro-Kopf-Fleischverzehr müsste aus gesundheitlichen Gründen von gegenwärtig 55 Kilogramm auf rund 30 Kilogramm im Jahr zurückgehen. Doch wie kann das gelingen?

    Im Durchschnitt geben die deutschen Haushalte elf Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, in ärmeren Haushalten sind es jedoch 20 Prozent und mehr. 2018 haben die Haushalte in Deutschland zum ersten Mal im Durchschnitt mehr Geld für Obst und Gemüse gezahlt als für Fleisch und Fisch. Was letztlich auf den Teller kommt, ist also auch eine soziale Frage.

    Experten: Ändern sich Preise, ändert sich auch Einkaufsverhalten

    Kieler Wissenschaftler haben versucht abzuschätzen, wie stark die Nachfrage zurückginge, wenn der Mehrwertsteuersatz auf tierische Produkte auf 19 Prozent angehoben, Fleisch also um rund elf Prozent teurer würde. Ihr Ergebnis: Die Fleischnachfrage würde um zwei bis elf Prozent sinken. Das Thünen-Institut rechnet mit einem Rückgang um rund fünf Prozent. Dabei haben die Experten noch nicht berücksichtigt, dass Obst und Gemüse gleichzeitig um sieben Prozent billiger werden könnten - wenn bei fleischlosen Lebensmitteln die Mehrwertsteuer komplett entfällt. Voraussetzung: Die Supermärkte geben die neuen Preise an die Kunden weiter.

    Katrin Zander, Professorin für Agrar- und Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel-Witzenhausen geht ebenfalls davon aus, dass sich die Nachfrage nach den Produktgruppen verschieben würde. Die Verbraucherinnen und Verbraucher reagierten, wenn sich die Preise verändern. So könne man aktuell sehen, "dass sie von den hochwertigeren Herstellermarken zum Beispiel auf Handelsmarken umschwenken."

    Auch andere Impulse könnten Ernährungsgewohnheiten ändern

    Wenn in der Öffentlichkeit diskutiert werde, dass Fleisch, Eier und Milch das Klima mehr belasten als Getreide, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, dann würde das zumindest bei einigen Verbrauchern auch zu einer Verhaltensänderung führen, so Zander. Sie geht davon aus, dass ein Klimalabel auf Lebensmitteln auch einen gewissen Einfluss auf den Speiseplan hätte – zumindest dann, wenn es bekannt genug wäre.

    Einen messbaren Erfolg erwartet die Professorin aus Kassel-Witzenhausen von der Außer-Haus-Verpflegung. Kantinen, Gaststätten, Mensen und Krankenhäuser werden immer relevanter. Sie müssten kleinere Fleischportionen und vielfältigere Gemüsebeilagen anbieten, auch mehr vegetarische und vegane Gerichte kochen.

    Viele Menschen würden außer Haus öfter Fleisch essen als daheim. Das habe man in den Corona-Lockdown-Phasen gesehen, als gleichzeitig die Außer-Haus-Verpflegung und der Fleischverbrauch zurückgegangen seien, so Zander. Den Konsum tierischer Lebensmittel zu reduzieren, das muss nicht heißen, Fleisch und Wurst nur noch einmal in der Woche. Es kann auch heißen, nur noch halb so große Fleischstücke wie bisher, ein Wiener statt einem Paar.

    Der Arzt als Ernährungsberater

    Welche Möglichkeiten gibt es jedoch darüber hinaus, den Fleischverbrauch zu senken? Wenn jemand das "Ernährungs-Ruder" herumreißen kann, dann ist es vielleicht der Arzt oder die Ärztin. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die Verbraucherinnen und Verbraucher vor dem Lebensmittelmarkt. Ihre Antworten: "Ja, wenn er sagen würde, Sie sollten weniger Fleisch essen, könnte ich verzichten", "Dann auf jeden Fall", "Wenn’s um die Gesundheit geht, dann schon". In der Sprechstunde beim Arzt entscheidet sich offenbar, was auf den Tisch kommt.

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