Am liebsten greift Georg Schneider VI. in das Gerstenmalz. Gerade werden 25 Tonnen angeliefert und rieseln bedächtig ins Silo hinein. "Die Enzyme lassen es so schön süßlich duften", schwärmt der hochgewachsene Brauer-Sohn und sechste seiner Art aus der Dynastie der Schneider Weissen.
Am zweitliebsten aber greift er in die Holz-Hackschnitzel, auf der anderen Seite des Gebäudes. Denn die heizen den Ofen, mit dem die Brauerei ihr Bier in Kelheim herstellt. Schon vor 15 Jahren hat Schneider diese Investition gewagt und eine Holzhackschnitzel-Anlage gekauft. Ein riesiger grüner Kasten, der laut brummend seinen Dienst verrichtet. Damals ging er davon aus, dass die Ölpreise immer weiter steigen werden.
Unabhängig vom Erdgas heißt nicht unabhängig von Zulieferern
Viele Steuerberater hätten ihn schon belächelt dafür, erzählt Schneider. Aber inzwischen hat sich die Umstellung gelohnt, nicht nur finanziell: Schneider ist als einer der wenigen bayerischen Unternehmer unabhängig von Erdgas. Ihm sei es wichtig, in regionalen Wirtschaftskreisläufen zu denken, erzählt er. Lieber sei er abhängig vom Forstwirt um die Ecke als von einem Zaren am anderen Ende der Welt.
Und dennoch bereitet ihm die Gasknappheit Sorgen. Der Grund dafür liegt in der Verzahnung der Wirtschaftsketten. Schneider ist nicht allein mit seinem Unternehmen. Bis eine Flasche Bier mit dem typischen "Plopp" geöffnet werden kann, müssen locker 1.000 Arbeitsschritte gemacht werden, schätzt Schneider. Und die etwa 500 Zulieferer, die vom Gerstenmalz bis hin zur Flasche mit Kronkorken und Etikett alles zuliefern, sind fast alle abhängig vom Erdgas.
Früher oder später käme es zum Produktions-Stopp
Die Auswirkungen dieser Abhängigkeit sind für Schneider unterschiedlich: "Wenn zum Beispiel keine Kronkorken mehr produziert werden können, dann muss ich alle meine Kunden hierher einladen, ihr Bier selbst abzuholen", scherzt Schneider, der sich selbst als Berufsoptimist bezeichnet. Wenn aber beispielsweise die Gerste wegbleibt, dann könnte die Brauerei maximal noch eine Woche lang produzieren. Gerste ist nur einer der Rohstoffe, die jetzt schon knapp werden und deren Preise in die Höhe schnellen.
Das Beispiel zeigt, wie verzahnt selbst das Bierbrauen ist und wie sehr in der Wirtschaft "alles von allem" abhängt. Insofern sind Abschalt-Pläne mit Listen, die die Industrie nach Wichtigkeit abstufen, zum Scheitern verurteilt, finden viele Wirtschaftsvertreter. Eine Wäscherei beispielsweise erscheint zunächst nicht systemrelevant – könnte also vom Gas abgetrennt werden. Wenn die Wäscherei aber Arztkittel und Krankenhauswäsche reinigt und desinfiziert, dann wird sie plötzlich doch relevant.
Was systemrelevant ist, ist kaum zu beurteilen
Oder die Fabrik, die Gummischläuche zum Transport von Diesel herstellt – könnte man auch zunächst mal abschalten. Wenn aber diese Gummischläuche notwendig sind, um Diesel-Aggregate zu bauen, die im Notfall den Strom eines Krankenhauses erzeugen, dann ist auch diese Fabrik letztlich systemrelevant. Insofern bleibt nicht viel übrig, als zu hoffen, dass solche Listen gar nicht erst notwendig werden.
Braumeister Georg Schneider hat dafür Verständnis, dass so viele seiner Unternehmer-Kolleginnen und -Kollegen noch vom Gas abhängig sind. "Das galt lange als umweltfreundliche Alternative zum Öl", sagt er. "Und solange es nicht belohnt wird, wirklich mit erneuerbaren Energieträgern zu arbeiten, ergibt es aus unternehmerischer Sicht auch wenig Sinn, umzustellen." Schneider zeigt dabei auf einen roten Tank direkt neben dem großen grünen Holzhackschnitzel-Kasten im Heizungsraum.
Energie sollte aus mehreren Quellen kommen
"Das ist unser Öltank", sagt Schneider ohne jede Entschuldigung in der Stimme. "Den benutzen wir als Stand-by, um Spitzen abzudecken und als Notfallversorgung, sollten wir keine Holzhackschnitzel mehr bekommen." Tatsächlich sei das in einem besonders nassen Winter schon mal vorgekommen, erzählt er. Damals kamen die Waldarbeiter mit ihren Maschinen nicht durch den matschigen Waldboden. Drei Tage lang lief der Ölbetrieb.
Dieses Sowohl-Als-Auch-Denken, das Anzapfen mehrere Energiequellen – das müsse fürs erste die Zukunft sein, findet Schneider. Denn wenn die Betriebe ihre Hauptenergie aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen und nur zur Not die fossilen dazu holen, dann sei doch auch schon viel gewonnen.
Gut vernetzte Wirtschaft muss kein Risikofaktor sein
Dass diese Entwicklung jetzt viel schneller gehen muss als bisher gedacht, dem könne man nur durch positive Bestärkung begegnen, findet der Unternehmer. Nur, wenn es sich gut anfühlt, so eine Investition zu tätigen, würden Holzhackschnitzel-Öfen oder ähnliche Alternativen zum Standard werden. Und dann sei auch eine gut vernetzte Wirtschaft kein Risikofaktor mehr.
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