Es geht um das Thema Geldwäsche am letzten Prozesstag in diesem Jahr. Als Zeugen hat die Kammer Markus K. geladen, den früheren Anti-Geldwäsche-Beauftragten von Wirecard. Der sitzt auf einem Stuhl neben seinem Anwalt und schaut sich E-Mail und Excel-Tabellen an, die während seiner Vernehmung an die Wand auf der Stirnseite des Verhandlungssaals auf eine Leinwand projiziert werden. Die beiden Angeklagten, Ex-Vorstandschef Markus Braun und der frühere Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, stellen Fragen. Der ehemalige Chefbuchhalter des Konzerns, Stephan von Erffa, der dritte Angeklagte, schweigt.
So war das häufig in den vergangenen Monaten in dem unterirdischen Saal, der auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim im Münchener Süden liegt. Von Erffa hat sich bislang nicht persönlich zu den Vorwürfen geäußert, die gegen ihn von der Staatsanwaltschaft erhoben werden. Er wird möglicherweise im kommenden Frühjahr sein Schweigen brechen. Die Position von Markus Braun ist dagegen unverändert.
Braun betont nach wie vor seine Unschuld
Von Anfang an hat der Ex-Vorstandschef vehement seine Unschuld betont und immer wieder klarzumachen versucht, eine Bande rund um den flüchtigen Ex-Vorstand Jan Marsalek und den Mitangeklagten Oliver Bellenhaus habe hohe Summen aus dem Wirecard-Konzern geschleust. Oliver Bellenhaus, der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, hat dagegen Braun und von Erffa in den vergangenen Monaten schwer belastet. Allerdings hat er auch eingeräumt, dass er daran beteiligt war, Wirecard durch falsche Bilanzen sehr viel profitabler darzustellen, als der Aschheimer Zahlungsdienstleister tatsächlich gewesen ist.
Brauns Anwalt Alfred Dierlamm hat die Staatsanwaltschaft München, die den drei Angeklagten unter anderem Marktmanipulation, Untreue und Bandenbetrug vorwirft, seit Prozessbeginn und zuletzt wiederholt verbal hart attackiert und unter anderem eine "Verdrehung der Tatsachen" vorgeworfen. Er äußert sich während des laufenden Verfahrens nicht außerhalb des Gerichtssaals.
Strittig ist nach wie vor die Frage, ob das Wirecard-Geschäft mit den im Ausland sitzenden Drittpartnern in irgendeiner Form existiert hat, oder ob es frei erfunden war. Braun betont, dieses Business sei real gewesen. Bellenhaus hat immer wieder dargestellt, es sei frei erfunden gewesen. "Ein Strafprozess hat die Aufgabe, herauszufinden, ob Angeklagte sich im Rahmen der Vorwürfe strafbar gemacht haben. Es geht in diesem Strafprozess nicht um eine allumfassende Aufklärung eines möglichen Bankenskandals" sagt Gerichtssprecher Laurent Lafleur.
91 Prozesstage, 70 Zeugen, noch lange kein Urteil
"Das Verfahren befindet sich genau in dem Zeitplan, den sich die Kammer vorgenommen hat. Zu relevanten Verzögerungen ist es in dem Jahr nicht gekommen", betont Lafleur denn auch. An den insgesamt 91 Prozesstagen hat das Gericht 70 Zeugen vernommen – unter anderem Ermittlungsbeamte von der Polizei, frühere Wirecard-Mitarbeiter, Geschäftspartner des Zahlungsdienstleisters. Ihre Aussagen haben die Auffassung der Kammer offensichtlich noch nicht wesentlich verändert, zum Beispiel mit Blick auf die Rolle der beiden Angeklagten Bellenhaus und Braun in diesem Skandal.
Denn beide sitzen nach wie vor in Untersuchungshaft, seit mehr als drei Jahren. "Das Gericht hat selbstverständlich in Fällen der Untersuchungshaft auch ohne entsprechenden Antrag jederzeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft weiterhin gegeben sind. Nachdem sich beide Angeklagte weiterhin in Untersuchungshaft befinden, geht die Kammer davon aus, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen" betont Gerichtssprecher Lafleur.
Marsalek-Brief – Verlesung im neuen Jahr?
Mehrfach hat Braun-Verteidiger Dierlamm versucht, seinen Mandanten aus der Haft zu holen – ohne Erfolg. So sieht die Kammer bei ihm unter anderem Fluchtgefahr. Bellenhaus-Verteidiger Florian Eder will im neuen Jahr einen Antrag auf Haftentlassung stellen. Ob dieser erfolgreich sein wird, ist genauso wenig absehbar wie ein mögliches Ende des Prozesses. "Ab Januar wird weiterhin mindestens zwei Tage, gelegentlich drei Tage die Woche verhandelt. Ein Ende ist derzeit nicht absehbar" sagt Gerichtssprecher Laurent Lafleur.
Unklar ist auch, ob und wann Richter Markus Födisch den Brief vorlesen kann, den Jan Marsalek im Juli dieses Jahres an die Kammer geschickt hat. Der ehemalige Wirecard-Vorstand hatte in dem achtseitigen Schreiben seine Sicht auf den Skandal geschildert und darin unter anderem der Anklage widersprochen. Eigentlich wollte Marsalek-Anwalt Frank Eckstein bis Weihnachten klären, ob sein Mandant mit der offenen Verlesung einverstanden ist. Das ist ihm bisher nach Darstellung des Gerichts noch nicht gelungen.
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