Krankenschwester oder Pflegekraft vor Intensivstation
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Krankenschwerster oder Pflegekraft müde vor Intensivstation

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"Die Hütte brennt": Bayerns Krankenhäuser in Alarmstimmung

Aus vielen Krankenhäusern in Bayern kommen seit Monaten Hiobsbotschaften: Sie schreiben Verluste und es fehlt an Personal. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit einer großen Reform gegensteuern. Doch die Probleme sind vielschichtig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Die Hütte brennt an manchen Orten lichterloh." Wenn Tamara Bischof, die Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), über die Kliniken in Bayern spricht, tut sie alles, um den Ernst der Lage klarzumachen.

Die BKG-Vorsitzende, die auch Landrätin in Kitzingen ist, macht sich vor allem um die Krankenhäuser der Städte, Landkreise und Bezirke große Sorgen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger werden von den Kliniken in öffentlicher Trägerschaft 90 Prozent dieses Jahr Verlust machen. Über alle Träger hinweg erwartet Roland Berger bei rund 70 Prozent aller Kliniken ein Defizit.

Kliniken am Finanz-Tropf der Träger

Viele Kommunen und andere Träger halten ihre Kliniken schon seit Jahren mit Millionen-Zuschüssen über Wasser. Der Grund für die Finanzprobleme liegt nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der Hand: Die Bezahlung über Fallpauschalen.

Vor 20 Jahren hielten es Lauterbach und auch andere Fachleute für eine gute Idee, den Kliniken Pauschalen zu zahlen, je nachdem, mit welcher Diagnose Patienten behandelt werden. Doch das habe sich als Irrtum herausgestellt, sagt Lauterbauch mittlerweile. Auch viele andere, die die Fallpauschalen früher unterstützt haben, wollen sie inzwischen abschaffen oder wenigstens grundlegend verändern. Doch darüber, wie das gelingen kann, gibt es Streit.

Anteil der Fallpauschalen soll sinken

Die Bundesregierung will den Anteil, den Kliniken weiterhin über Fallpauschalen bezahlt bekommen, auf bis zu 40 Prozent absenken. Bis zu 60 Prozent sollen als Vorhaltekosten dafür fließen, dass Kliniken an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr verfügbar sind.

Die Bundesregierung und die von ihr eingesetzte Expertenkommission wollen die Aufgaben der Kliniken gleichzeitig stärker voneinander abgrenzen. Als Beispiel nennt Bundesgesundheitsminister Lauterbach Krebspatienten: "Wenn ich eine Krebserkrankung habe, dann muss die zukünftig in einem zertifizierten onkologischen Zentrum behandelt werden." Neben spezialisierten Zentren soll es in der Region Kliniken geben, die die Notfallversorgung abdecken, und Häuser, in denen Patienten vor allem während des Genesungsprozesses und zur Beobachtung bleiben sollen. Dort sollen auch Pflegekräfte die Leitung übernehmen können, die Chefposten müssen nicht zwingend Ärztinnen oder Ärzte haben.

Staatsregierung warnt vor Zentralismus und Bürokratie

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht in den Berliner Plänen allerdings vor allem eines: "Planwirtschaft, Zentralismus am grünen Tisch." Holetschek will zwar ebenso wie der SPD-Gesundheitsminister Lauterbach die Kliniken stärker über Vorhaltekosten finanzieren. Insgesamt sieht Holetschek bislang aber nicht sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen den Vorstellungen Bayerns und denen der Bundesregierung. Er warnt vor einem "Berliner Bürokratiemonster."

Lösungen für einen Umbau der Kliniklandschaft müssten stets flexibel vor Ort mit den Betroffenen entwickelt werden, fordert Holetschek: "Ich lege jetzt nicht einen Plan auf den Tisch, wo ich in irgendeiner Art Nadelköpfe reinsteche in Regionen und sage, diese Krankenhäuser brauchen wir und diese nicht." Es gehe darum, vor Ort mit den Beteiligten kreative Ideen zu entwickeln.

Zustimmung der Landtags-SPD für Berlin

Die SPD im bayerischen Landtag kann die Kritik von Gesundheitsminister Holetschek an den Berliner Krankenhaus-Plänen nicht nachvollziehen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Landtags-SPD, Ruth Waldmann, wirft der Staatsregierung vor, sie sie habe die Planungshoheit bei den Krankenhäusern, die das Grundgesetz den Ländern zuweist, jahrzehntelang vernachlässigt. So sei eine Struktur gewachsen, die in Waldmanns Augen nicht mehr zukunftsfähig ist. Das müsse sich ändern, sagt sie: "Wir müssen eine echte Zukunftsplanung machen."

Ungelöstes Problem Pflege

Von vielen Krankenhaus-Profis hört man gleichzeitig, dass das Geld für die Kliniken zwar ein großes Problem ist. Ein noch größeres Problem sei aber der Mangel an Pflegekräften, sagt zum Beispiel der Leiter der Kinder-Intensivmedizin am Münchner Uni-Klinikum Großhadern, Nikolaus Haas: "Geld habe ich, aber ich habe zehn Stellen unbesetzt." Denn es finden sich nicht genug Fachkräfte, die in seiner Abteilung der Uni-Klinik arbeiten wollen.

Rückschlag bei der Ausbildung

Es gibt zwar seit geraumer Zeit auf den verschiedenen politischen Ebenen Versuche, den Personalmangel in der Pflege zu bekämpfen. Die Bundesregierung hat Maßnahmen für eine bessere Bezahlung auf den Weg gebracht. Die bayerische Landesregierung startet nach ihrer eigenen Einschätzung immer wieder gelungene Image-Kampagnen.

Doch die Zahl derjenigen, die in der Pflege eine Ausbildung beginnen, ist zuletzt schmerzhaft abgesackt. Im Jahr 2021 zählte die Bayerische Krankenhausgesellschaft rund 7.600 neue Pflege-Azubis, dieses Jahr waren es rund 6.500: Ein Rückgang um mehr als ein Zehntel. Der BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen findet die Zahlen "katastrophal".

Hoffnung auf Ende der Krise

Der BKG-Manager wünscht sich dabei zwei Dinge, die sich zu widersprechen scheinen: Gründliche Reformen, und gleichzeitig vor allem eines: "Ruhe." Es müsse wieder in jeder Hinsicht Verlässlichkeit für die Kliniken geben, fordert Engehausen.

Große Hoffnung, dass diese Ruhe einkehrt, hat er allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Reformpläne der Bundesregierung zu Finanzen und Qualitäts-Standards der Kliniken könnten das genaue Gegenteil auslösen, fürchtet er: "Wir erwarten ein ziemliches Hauen und Stechen." Konflikte erwartet Engehausen auch zwischen den Kliniken: "Denn es wird Gewinner und Verlierer geben."

Wie werden Bayerns Kliniken zukunftsfähig?
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Wie werden Bayerns Kliniken zukunftsfähig?

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