Seit fast einem Monat ist Shanghai wegen des jüngsten Corona-Ausbruchs in einem harten Lockdown. Niemand darf in der größten Stadt Chinas seine Wohnung oder sein Haus verlassen, es herrscht Hausarrest. Der Hafen ist zwar in Betrieb. Trotzdem gehen viele Exportwaren nicht aus Shanghai raus. Von dem Lockdown sind auch die Hafenmitarbeiter betroffen, die nicht raus zur Arbeit dürfen. Das bedeutet, dass der größte Hafen der Welt mit weniger Personal arbeitet als sonst.
Das größte Problem sind jedoch die Transportwege, sagt Maximilian Butek, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Shanghai. Es gebe nicht genügend Lastwagenfahrer, die die Güter zum Hafen bringen oder vom Hafen wegbringen können. Manche hätten Angst, in Shanghai festzusitzen. Sie bräuchten zudem Sondergenehmigungen, um von anderen Landesteilen Chinas nach Shanghai reinzukommen oder um von einem Stadtteil in den nächsten zu fahren.
Die App "MarineTraffic" zeigt Frachtschiffe (grün) vor dem Hafen von Shanghai. Der Corona-Lockdown in Shanghai stört die globalen Lieferketten.
Lieferengpässe sorgen für höhere Preise in Deutschland
Am Hafen führt das dazu, dass Schiffe nicht beladen oder entladen werden können. Die Container stapeln sich, Schiffe stecken vor dem Hafen fest. Nach Angaben der Deutschen Auslandshandelskammer reichen alternative Lieferwege über andere Häfen nicht aus. Viele Unternehmen, die in China produzieren, bekommen ihre Waren seit mehr als drei Wochen nicht aus dem Land. In Deutschland hätten diese Güter zum jetzigen Zeitpunkt längst ankommen sollen. Die Lieferengpässe führten in Deutschland wegen des geringeren Angebots zu noch höheren Preisen, in einer Zeit, in der die Inflation auf einem Rekordhoch ist, so die Auslandshandelskammer.
In Deutschland wachsen auch die Sorgen der Reedereien. Die maritimen Lieferketten seien schon vor dem Lockdown in Shanghai angespannt gewesen, sagt Gaby Bornheim, Präsidentin des deutschen Reederverbandes VDR. "Nun befürchten wir weitere Verzögerungen im Seetransport." Es sei "Sand im Getriebe" und Geduld nötig. Die Linienreedereien versuchten alles, um die Ladungsmengen zügig zu transportieren.
Lieferengpässe wohl in zwei Monaten vollkommen spürbar
Die Probleme dürften sich in etwa zwei Monaten voll auf Deutschland auswirken, schätzt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Güter benötigen etwa 30 bis 40 Tage von Shanghai nach Hamburg und danach müssen sie noch weitertransportiert werden. "Dann könnte es etwa bei Elektronikartikeln wie Fernsehern oder Tablets oder bei Zwischengütern für die deutsche Produktion zu Verzögerungen kommen", schätzt IfW-Handelsexperte Vincent Stamer.
Im Prinzip betreffe es alle Warengruppen, erklärt Maximilian Butek, der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai. Aber vor allem bei Elektronikartikeln und Rohstoffen oder Vorprodukten sei die Sorge groß. Damit könnten die Lieferengpässe beispielsweise Automobil-Hersteller oder Maschinenbauer treffen.
Produktionsstopp bei vielen deutschen Unternehmen in Shanghai
Shanghai ist ein modernes Finanz- und Industriezentrum und der Sitz vieler internationaler Fabriken, wie die des US-Autobauers Tesla und des führenden chinesischen Chipherstellers Semiconductor Manufacturing International. Auch etwa 2.000 deutsche Unternehmen sind in Shanghai und Umgebung ansässig. Etwa 70 Prozent aller deutschen Firmen, die in China tätig sind.
Sie gehen davon aus, dass sich die Situation erst in mehreren Monaten entspannt. Die meisten haben ihre Produktion aufgrund des Lockdowns einstellen müssen. Nur wenige haben laut Auslandshandelskammer Sondergenehmigungen erhalten, um minimal weiter produzieren zu können.
Lockdown bremst Wirtschaft in Shanghai
Seit vier Wochen ist die Metropole im Corona-Lockdown und die Wirtschaft in Shanghai schrumpft bereits. Laut chinesischen Behörden brach die Industrieproduktion im März um 7,5 Prozent ein im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist der erste Rückgang seit zwei Jahren, als die Wirtschaft der Finanzmetropole unter dem Beginn der Pandemie litt.
Der aktuelle Virusausbruch habe die "industriellen Aktivitäten der Stadt stark beeinträchtigt", sagte der Chef der örtlichen Planungsbehörde, Wu Jincheng. Im gesamten ersten Quartal reichte es aber noch zu einem Wachstum der Industrieproduktion von 4,8 Prozent.
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