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Bundesfinanzhof in München

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BR24live: Urteil vom Bundesfinanzhof: Der Soli bleibt

Die Richter am Bundesfinanzhof geben heute ihr Urteil zum Solidaritätszuschlag bekannt. Die Kläger bezweifeln, dass der Soli vom Staat noch eingetrieben werden darf. BR24live berichtet live.

Heute gibt der Bundesfinanzhof eine Entscheidung über den Solidaritätszuschlag bekannt. Dagegen hatte ein Ehepaar geklagt. Die Konsequenzen sind politisch wie finanziell weitreichend – auch wenn das Verfahren in Karlsruhe am Bundesgerichtshof fortgesetzt würde.

Die Ausgangslage beim Solidaritätszuschlag

Seit über 30 Jahren begleitet der Solidaritätszuschlag die Steuerpflichtigen in Deutschland. Ursprünglich wurde er 1991 eingeführt, um die Lasten Deutschlands bei der Unterstützung des Golfkriegs zu finanzieren. Seit 1995 gilt der heutige Soli und wurde verwendet, um die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zu schultern. Er betrug seit 1998 5,5 Prozent der festgesetzten Einkommensteuer, entsprechend bei Unternehmen der Körperschaftsteuer.

Beim Solidaritätszuschlag handelt es sich um eine Ergänzungsabgabe, die einem Zweck unterliegt. 2019 lief der Solidarpakt II aus, der diese Unterstützung der neuen Länder absicherte. Trotzdem wurde der Soli für das Jahr 2020 in der alten Form weitergeführt. Im selben Jahr einigte sich dann die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD darauf, den Soli zu reformieren.

Die meisten zahlen keinen Soli mehr

In der Folge fiel die Ergänzungsabgabe für rund 90 Prozent der Steuerpflichtigen weg. Bis zu einem zu versteuernden Einkommen von rund 61.700 Euro wird kein Soli erhoben. Danach beginnt eine Milderungszone und erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 96.400 Euro wird der Soli in voller Höhe fällig.

In Zahlen bedeutet das: Der Fiskus hatte im Jahr 2020 Einnahmen von mehr als 18 Milliarden Euro, im Jahr 2021 von 11 Milliarden und 2022 bis November von knapp zehn Milliarden Euro. Die Einnahmen stehen, im Gegensatz zur Einkommensteuer, ausschließlich dem Bund zu. Das erleichterte das Gesetzgebungsverfahren für den geänderten Soli erheblich, da die Länder nicht zustimmungspflichtig sind.

Kritikpunkte der Kläger am Solidaritätszuschlag

Die Kläger, ein Ehepaar aus Aschaffenburg, sind der Ansicht, der Soli sei verfassungswidrig. Deren Prozessvertreter, der Bochumer Steuerwissenschaftler Professor Roman Seer, hob in der mündlichen Verhandlung vor allem zwei Punkte hervor. Es fehle schlicht der Zweck der Abgabe. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II sei der eigentliche Zweck des Solidaritätszuschlags entfallen.

Das zeige sich auch an Zahlen: 2011 lagen die Einnahmen bei 12,8 Milliarden Euro. Von denen gingen 12,7 Milliarden in die neuen Länder. 2019 lagen die Einnahmen bei 18,3 Milliarden, die Ausgaben aber bei 3,6 Milliarden. Auf einen Solidarpakt III habe der Gesetzgeber in Abstimmung mit den Ländern ausdrücklich verzichtet. Indem er aber weiter am Solidaritätszuschlag festgehalten habe, habe er diese Abgabe "verewigt", so Seer, und in eine "begründungslose Blanckettabgabe für jedweden Finanzierungszweck" umgewandelt.

Soli eine versteckte Reichensteuer?

Als zweiten Punkt bemängeln die Kläger, dass der Solidaritätszuschlag in der neuen Fassung nur noch für einen kleinen Teil der Steuerpflichtigen Anwendung finde. Der Gesetzgeber betreibe Etikettenschwindel. Er habe über die Hintertür eine "Reichensteuer" eingeführt, rügte auch Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler, der die Klage finanziert.

Der Gesetzgeber habe so den Spitzensteuersatz erhöht und damit seine Kompetenzen überschritten. Die Einnahmen aus der Einkommensteuer stünden Bund und Ländern gemeinschaftlich zu. Deswegen hätte der Bundesrat zustimmen müssen, was nicht geschah. Damit verstoße der Soli gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz, wie Seer ergänzte.

Das klagende Ehepaar widersprach auch der Ansicht, dass es weiterhin Finanzbedarf gebe, wenn nicht sogar mehr. Eine Umwidmung der Einnahmen, zum Beispiel, um die Corona-Lasten oder die zusätzlichen Ausgaben wegen des Ukrainekriegs zu bezahlen, sei unzulässig. Dies widerspreche dem Gebot der Normenklarheit im Steuerrecht.

Nächster Halt Karlsruhe

Wie der IX. Senat des Bundesfinanzhofs unter der Leitung des Präsidenten Hans-Josef Thesling entscheiden wird, ließ er während der mündlichen Verhandlung offen. Es wurde über die verfassungsrechtliche Problematik inhaltlich nicht diskutiert. Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass sich der BFH mit dem Soli auseinandersetzen muss. Bislang hatte das oberste deutsche Finanzgericht den Soli nicht in Frage gestellt. Er sei verfassungskonform, was sich aber für zukünftige Jahre ändern könne. Die meisten Steuerexperten halten den Solidaritätszuschlag spätestens seit 2021 für verfassungswidrig.

Kommt der Bundesfinanzhof zum Ergebnis, dass die Regelungen zum Soli verfassungswidrig sind, wird er das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Nur die Karlsruher Richterinnen und Richter dürfen im Rahmen des konkreten Normenkontrollverfahrens prüfen, ob die Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Spricht der Bundesfinanzhof hingegen ein Urteil und weist die Klage ab, weil er der Ansicht ist, der Soli sei verfassungskonform, so ist sehr sicher damit zu rechnen, dass die Kläger eine Verfassungsbeschwerde erheben und ebenfalls nach Karlsruhe ziehen.

Der Posten Solidaritätszuschlag ist auf einer Lohnabrechnung zu sehen.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Jens Büttner

Der Posten Solidaritätszuschlag ist auf einer Lohnabrechnung zu sehen.

Was macht der Bundesfinanzminister?

Es ist sehr ungewöhnlich, dass das Bundesfinanzministerium seine Beiladung zu einem Verfahren vor dem BFH zurückzieht. Der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte 2021 entschieden, den Soli vor dem BFH zu verteidigen. Doch Anfang Januar dann die Wende, als der Sprecher des Ministeriums mitteilte, dass es auf ausdrücklichen Wunsch von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) von der Teilnahme abgerückt sei.

Politisch setzen sich Lindner und die FDP seit Jahren für die Abschaffung des Soli ein. In der Ampel-Koalition wäre das nur durchsetzbar gewesen, wenn man den Spitzensteuersatz erhöht hätte, was aber für die FDP politisch noch brisanter wäre. Möglicherweise nehmen nun der BFH und das Verfassungsgericht Lindner zumindest in diesem Punkt die Arbeit ab.

Milliardenschwere Soli-Rückzahlungen befürchtet

Rund zwölf Milliarden Euro beträgt das Aufkommen aus dem Rest-Soli momentan. Sollte der Solidaritätsbeitrag schlussendlich vor dem Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden, drohen dem Bund milliardenschwere Steuerrückzahlungen. Davor hatte der Bundesrechnungshof schon vor Jahren gewarnt. Im Extremfall droht dem Fiskus die Rückzahlung aller Soli-Zahlungen seit 2020, also nach Auslaufen des Solidarpaktes II. Für die Jahre 2020 bis 2022 wären das rund 40 Milliarden Euro plus Zinsen.

Angesichts der weiter anhaltenden milliardenteuren Verpflichtungen des Bundes wäre das für den Fiskus eine schwere Bürde. Möglich wäre, dass das Karlsruher Gericht den Soli auch erst ab einem bestimmten Datum verbietet. Zudem könnte das Bundesfinanzministerium nach einem kritischen Urteil des BFH auf die Eintreibung des Soli vorerst verzichten.

Zukunft des Soli auf Kapitalerträge

Der Solidaritätszuschlag auf Kapitalerträge spielt in der gesamten Diskussion eine eher untergeordnete Rolle. Denn im Gegensatz zu den Einkünften aus abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit blieb dieser Teil des Soli unangetastet, etwa bei Zinseinkünften oder Dividenden.

Das heißt, er wird auch dann erhoben, wenn die Schwelle zum allgemeinen Solidaritätszuschlag noch lange nicht erreicht ist. Bei Kapitaleinkünften sind die Finanzinstitute die Zahlstelle für die pauschale Abgeltungsteuer. Eine individuelle Besteuerung wäre diesen nicht zuzumuten und auch aus datenschutzrechtlichen Grenzen nicht erlaubt. Umgekehrt ist die gesetzliche Grundlage für den Soli überall gleich. Sollte das Bundesverfassungsgericht dem Soli den Stecker ziehen, gingen auch beim Soli für Kapitalerträge die Lichter aus.

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