Musik-Streaming-App Spotify

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Börsengang: Ist Spotify auf dem Weg zum Musikmonopol?

Die Aktie des Musikstreamingdienstes startet heute an der Börse. Ist Spotify jetzt auf dem Weg zum Musikmonopol, das Labels, Promoter und Radiosender verdrängen wird? Von Christoph Möller

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Spotify ist der größte Musikstreamingdienst der Welt. 159 Millionen Menschen nutzen das werbefinanzierte Angebot des Dienstes, weitere 71 Millionen zahlen um werbefrei Musik zu hören Musik. Spotify steht für den Aufschwung der Musikindustrie, die den digitalen Wandel lange verschlafen hatte, doch seit 2013 – vor allem wegen der Ausschüttungen der Streamingdienste – wieder ordentlich wächst. Gleichzeitig macht Spotify massive Verluste: 2017 über 1,2 Milliarden Dollar.

Am dritten April 2018 , sein Wert wird auf bis zu 23 Milliarden Dollar geschätzt – das ist mehr als die gesamte Musikindustrie im Jahr umsetzt. Der Börsengang könnte den Musikmarkt der Zukunft verändern.

Für Daniel Ek, dem Geschäftsführer von Spotify sei der erste Börsentag nicht so wichtig, die Tage danach, sagte er beim Spotify Investors Day, Mitte März in Los Angeles: "Denn das werden Tage sein, an denen wir weiter hart daran arbeiten, einer Million Künstlerinnen und Künstlern zu ermöglichen, von ihrer Kunst zu leben." Zum Börsengang zeigt Ek sein Unternehmen von der besten Seite: Spotify als Retter der Musikindustrie – immer auf der Seite der Musik. Spotify bringe die Musikindustrie nicht durcheinander, sondern sei einfach Teil einer Entwicklung, "Wir ersetzen niemanden, wir wollen einfach alle besser, effizienter und schlagfertiger machen."

Spotify ist nicht profitabel – aber der Umsatz wächst

Eks Rede ist voll von diesen gut klingenden Sätzen. Kunst, Kreativität, Community – Spotify als Plattform, von der alle profitieren: Künstler, Fans und Labels. Die Realität ist nüchterner: Im Vergleich zu Streamingdiensten wie Apple Music oder Deezer zahlt Spotify weniger Geld pro abgespieltem Song. Noch ist der schnell wachsende, kostenlose, Teil des Dienstes nicht profitabel. 2017 machte Spotify über 1,2 Milliarden Dollar Verlust. Hinzu kommt eine Milliardenklage wegen möglicher Urherberrechtsverletzungen. Trotzdem: Spotifys Umsatz wächst und wächst.

Spotify sei eine marktbeherrschende Plattform, meint Eric Eitel, Musikwirtschaftsexperte und Gründer des Musik Pool Berlins, einer Beratungsstelle für Musikerinnen und Musiker, "man spricht ja inzwischen dann auch von einem Gatekeeper." Eitel glaubt, am Branchenprimus kommt keiner mehr vorbei, Spotify könne sich noch in vielen Bereichen ausbreiten: "Es wird auch darüber gesprochen, dass Spotify auch die Rolle des klassischen Radios perspektivisch einnehmen könnte."

Das kostenlose Angebot von Spotify zählt schon jetzt in fast allen deutschen Bundesländern zu den 20 meist gehörten Audioangeboten. Der Dienst betreibt eigene Musikredaktionen, die Playlists erstellen, die von Millionen Menschen gehört werden. Labels tun alles, um ihre Künstler in diesen Listen zu platzieren. Musikentdeckung findet immer weniger im klassischen Pop-Radio statt, und immer mehr auf Streamingdiensten.

Nicht nur Konkurrenz fürs Radio – auch für die Plattenlabels?

Schon jetzt scheint Spotify auch subtil als Musikproduzent aufzutreten. Letztes Jahr wurde dem Streamingdienst vorgeworfen, er produziere Fake Artists, und platziere deren Songs in populären Playlists. So würden Künstler, die es nur auf Spotify gibt, millionenfach gehört werden – ohne dass das Unternehmen dafür Tantiemen zahlt. Ein Fake Artist soll etwa Karin Borg sein. Borg hat nur drei Songs auf Spotify. Einer davon mit 30 Millionen Abrufen, weil er eben in beliebten Klavier- und Chill-Out-Playlists platziert wurde. Aber die Künstlerin scheint außerhalb der Plattform nicht zu existieren. Produziert Spotify schon jetzt eigene Musik? Das Unternehmen dementiert vehement.

Digitale Musik wird schon jetzt ausschließlich durch Streamingdienste vertrieben. Der Verkauf physischer Tonträger geht zurück. Jörg Heidemann, Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Tonträgerunternehmen, würde es nicht wundern, wenn Spotify auch in andere Bereiche expandiert: "Dass die jetzt Ambitionen haben, vielleicht auch Künstler zu entwickeln oder exklusiven Content herzustellen, liegt in der Natur der Sache. Das finde ich jetzt nicht ungewöhnlich." Würde Spotify aber seine Macht nutzen, um Labelstrukturen zu umgehen oder selbst aufzubauen, wäre das ein "Worst-Case-Szenario". Dennoch ist Heidemann optimistisch. Er glaubt, Indie-Labels können immer noch eine kritische Masse erzeugen, um Lobbyarbeit zu betreiben: "Wenn wir uns als Independents zusammenschließen, sind wir in der Lage weltweit koordiniert Alarm zu geben und das werden wir dann auch immer wieder tun."

Ein wenig Hoffnung für Musikschaffende

Der Börsengang ändere daran nichts. Tatsächlich wird der aber zeigen, wie groß Spotifys Marktmacht wirklich ist. Konkurrent Apple Music wächst derzeit schneller und könnte in den USA bereits dieses Jahr mehr zahlende Nutzer vorweisen als Spotify. Werden Investoren den Lobhudeleien von Spotify-CEO Daniel Ek folgen? Falls ja: Für Künstlerinnen und Künstler könnte es zumindest einen guten Effekt haben: Sie könnten auf den Erfolg verweisen – und endlich eine faire Bezahlung verlangen.