Es ist beschlossene Sache: Von 2035 ab dürfen keine Autos mehr neu zugelassen werden, die Treibhausgase ausstoßen. Schon bis zum Jahr 2030 soll der CO₂-Ausstoß im Pkw-Verkehr um 55 Prozent gesenkt sein, so das EU-Parlament in einem Beschluss Mitte Februar. Und schon lange davor soll es Anreize geben, damit Betriebe ihren Fuhrpark auf emissionsfreie oder emissionsarme Fahrzeuge umstellen. Die Transformation zur Elektromobilität wird Arbeitsplätze kosten. Laut einer Studie der Boston Consulting Group, BCG, aus dem 2021 könnten 180.000 Jobs wegfallen. Gleichzeitig prognostiziert BCG bei den Herstellern und Zulieferern durch die Umstellung einen Zuwachs von 205.000 Arbeitsplätzen. Doch, ob die auch in Deutschland geschaffen werden, ist die Frage, meint der Bosch Betriebsratsvorsitzende Mario Gutmann.
Angst um den Arbeitsplatz
Der Betriebsrat und die IG Metall haben an zehn deutschen Bosch-Standorten zu einer Betriebsversammlung geladen. Auch das Bamberger Werk mit rund 6.300 Beschäftigten und der Nürnberger Standort mit rund 1.900 Mitarbeitern werden sich beteiligen. Grund ist die Angst vor einem massiven Stellenabbau und die Fertigungsverlagerung zukunftsträchtiger Produkte ins Ausland. Die Gefahr bestehe, so der Bamberger Betriebsratsvorsitzende Mario Gutmann, dass in Deutschland lediglich Teile für Verbrennermotoren hergestellt werden, die nach dem EU-Verbot ab 2035 niemand mehr braucht. Mittelfristig bedeutet das das Aus für viele Jobs auch in Franken.
Die Wirtschaftspolitik übersehe, so Gutmann weiter, dass 900.000 Arbeitsplätze bundesweit direkt und indirekt an der Produktion von Verbrennermotoren hingen. Alleine von den 6.300 Mitarbeitern bei Bosch in Bamberg sind derzeit zwei Drittel in der Fertigung an Komponenten für Verbrennermotoren beschäftigt.
Der Bosch-Betriebsrat kritisiert, dass er über die Zukunftsstrategie für die deutschen Standorte von Seiten der Geschäftsleitung im Unklaren gelassen werde. Auch wenn die Politik die E-Mobilität als Zukunftschance sehe, heißt das nicht, dass das auch sichere Arbeitsplätze in Deutschland bedeute, erklärt Gutmann.
Die deutschen Standorte wollen mit der Betriebsversammlung ein deutliches Signal senden, so Martin Feder von der IG Metall. "Die Zukunft der industriellen Fertigung ist in Gefahr.“ Das gelte nicht nur für Bosch, sondern für viele Unternehmen.
Gerade Produkte für die E-Mobilität würden Konzerne zunehmend im Ausland fertigen lassen, weil die Wirtschaftspolitik dort die Ansiedlung mit Milliarden fördere. Das bedeute aber gleichzeitig den Verlust vieler guter Arbeitsplätze und damit den Verlust des gesellschaftlichen Wohlstandes bei uns, so der IG Metall-Vertreter.
"Es herrscht Alarmstufe rot"
In Deutschland herrsche Alarmstufe rot, so der Betriebsratsvorsitzender Gutmann. Aktuelles Beispiel dafür sei Ford. Dort sollen 2.300 Arbeitsplätze an den Standorten Köln und Aachen binnen zwei Jahre abgebaut werden. Gleichzeitig will der Autokonzern mehrere Milliarden Dollar für ein Werk in den USA investieren, das Batterien für E-Autos produzieren soll.
Auch Audi stellt bereits Überlegungen an, in den USA zu fertigen. Die Volkswagen-Tochter hat bislang kein Werk dort, und mit den neuen Subventionen "ist der Bau eines US-Werks für Elektroautos natürlich hochattraktiv geworden", sagte Vorstandschef Markus Duesmann der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Volkswagen hat bereits ein großes Werk in Chattanooga in Tennessee, das bald auch E-Autos bauen soll.
Das zeige deutlich, dass weltweit ein Wirtschaftskrieg herrsche, so Gutmann. Mit außerordentlichen Subventionen und Steuererleichterungen fördere vor allem die USA und China die Produktion im eigenen Land. Das führe zur Deindustrialisierung in Deutschland. "Die Politik verschläft gerade den Innovationsschub in die Zukunft", kritisiert der Bosch-Betriebsratsvorsitzende.
Die Robert Bosch GmbH schreibt dazu auf Anfrage von BR24: "Grundsätzlich gehen wir dahin, wo unsere Kunden sind, und folgen damit unserem 'Local-for-local'-Prinzip. Das heißt, wir fertigen vornehmlich in der Region für die Region". Der kaufmännische Werkleiter Robert Bosch GmbH Bamberg sieht in der Bewältigung des Wandels keinen Sprint, sondern einen anspruchsvollen Marathon.
"Wir sehen allerdings auch die Politik in der Mitverantwortung, bei ihren Entscheidungen zur Zukunft der Mobilität die Ausgewogenheit zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragen im Auge zu behalten.” Martin Schultz, kaufmännischer Werkleiter Robert Bosch GmbH Bamberg
Auch unter Biden gilt "America first"
Unter Biden werden grüne Technologien und die Industrie massiv mit Subventionen und Steuererleichterungen gefördert. Das Investitionspaket "Inflation Reduction Act", das im August in den USA verabschiedet wurde, hat ein Volumen von rund 370 Milliarden Dollar. Damit will sie die Konzerne unterstützen, die in den USA, Kanada oder Mexiko produzieren und sich von dort auch Teile zuliefern lassen. China hat ebenfalls Investitionen in saubere Technologien in Höhe von rund 260 Milliarden Euro angekündigt, wie auch Indien, Japan und Großbritannien.
Die EU ist aufgewacht. Die Kommissionspräsidentin von der Leyen denkt über eine industriepolitische Offensive nach und hat konkrete Maßnahmen angekündigt. Damit will sie europäische Unternehmen davon abhalten, sich Standorte außerhalb der EU zu suchen. Die EU werde auf die Milliardensubventionen der USA "in angemessener und wohl kalibrierter Weise reagieren", sagte sie.
Bosch will Geschäft im Ausland ausbauen
Auch der Bosch-Konzern wird rund 950 Millionen Euro in ein neues Entwicklungs- und Fertigungszentrum im chinesischen Suzhou stecken. Dort sollen Komponenten für die E-Mobilität erforscht werden, speziell für die Nachfrage im lokalen Markt, schreibt Bosch. Und weiter heißt es: "Bosch plant zudem, sein Geschäft stärker als bisher über die Weltregionen hinweg auszubauen, darunter in Ägypten, Indien, Mexiko, den USA und Vietnam.
Der Anreiz hoher Subventionen in den USA und Asien macht den Betriebsrat von Bosch immer nachdenklicher. "Die Zukunft des E-Automobilmarktes wird in diese Länder verlagert und Deutschland schaut zu", so Gutmann. "In der Triade der Wirtschaftsmächte Nordamerika, Europa, Asien verliert Europa und damit auch Deutschland immer mehr an Boden", so der Betriebsratsvorsitzende.
"Wenn unsere Politiker weiter an den bestehenden idiologischen Grundsätzen festhalten, unsere Energiepolitik nicht konkurrenzfähig wird, endet das Ganze in einer wirtschaftlichen Katastrophe und der soziale Frieden ist in Gefahr." Mario Gutmann, Bosch-Betriebsratsvorsitzender
Erst im Dezember hat die Bayerische Staatsregierung Vertretern von Bosch Bamberg zugesagt, den Aufbau von Prüfständen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff mit bis zu 50 Prozent zu unterstützen. Das sei ein Anfang, so Gutmann, und es sei der richtige Weg. Doch die Wasserstofftechnologie, die eine Chance in der Zukunft hat, werde lediglich Beschäftigung sichern, aber keine Arbeitsplätze im großen Stil schaffen.

Das Logo des Industriekonzerns Bosch