Geldbeutel mit verschiedenen Karten und einem 20-Euro-Schein
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Noch wird meistens in bar bezahlt. Doch Karten- und Digitalzahlungen werden immer beliebter

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Bares bald Rares?

"Bar oder mit Karte?" Jeden Tag beantworten Verbraucher millionenfach diese Frage. Doch vereinzelt haben Kunden nicht länger die Wahl. Denn einige wenige Geschäfte und Restaurants haben die Barzahlung komplett abgeschafft. Ist das die Zukunft?

Piep, piep, piep. Renate Marek sitzt an der Kasse einer Edeka-Filiale an der Münchner Theresienhöhe und scannt routiniert die Produkte, die auf dem Band liegen. Wie die Kunden bezahlen ist ihr eigentlich egal. Aber dann erklärt sie mit einem Augenzwinkern: "Karte geht halt schneller. Bis die älteren Herrschaften manchmal das Kleingeld rausgefieselt haben, das kann schon dauern."

Grundsätzlich haben die Kunden hier die Wahl: EC-Karte, Kreditkarte, kontaktlos Bezahlen mit dem Handy oder der Smartwatch. Oder eben in bar. Alles wird akzeptiert, letzteres ist für den Supermarkt aber zwischenzeitlich nicht nur das langsamste, sondern auch das teuerste Zahlungsmittel.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen besteht das Risiko, dass an der Kasse falsch herausgegeben wird und die Kasse zu Lasten des Supermarkts am Abend nicht stimmt. Zum anderen muss das Geld täglich gezählt und zur Bank gebracht oder durch eine Sicherheitsfirma abgeholt werden. Hier fallen Gebühren an. Und Bargeldeinzahlungen für Einzelhändel sind nicht umsonst. Hinzu kommt, dass auch für rolliertes Geld Kosten anfallen für die Einzelhändler.

Computerhändler schafft Bargeld ab

Gravis, ein Computerhändler mit bundesweit 40 Filialen, hat vor ein paar Tagen eine Änderung beschlossen. In den Geschäften, in denen es Produkte zwischen fünf und mehreren tausend Euro gibt, ist die Zahlung mit Bargeld seit einigen Tagen nicht mehr möglich. "Durch die Abschaffung von Bargeldzahlungen unternimmt der Apple Händler, der zur freenet AG gehört, den nächsten Schritt hin zu einem modernen, nachhaltigen und sicheren Einkaufserlebnis", heißt es in einer Pressemitteilung.

Eine vorab durchgeführte Testphase habe ergeben, dass die Kunden mit einer überdurchschnittlich großen Akzeptanz auf die Entscheidung reagiert hätten. Tatsächlich fallen die Reaktionen der Kunden nicht nur positiv aus, schildert ein Mitarbeiter einer Münchner Filiale. Letztendlich würden aber alle dann mit Karte zahlen.

60 Prozent Barzahlungen

Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE) hält es für durchaus möglich, dass viele Kunden von Gravis diesen Schritt hin zum Bargeldlosen tolerieren, weil sie vermutlich ohnehin technik- und digitalaffin sind. Doch für eine Mehrheit der Verbraucher gelte das zumindest noch nicht. "Das entspricht momentan nicht dem Kundenwunsch", stellt der Experte für Finanztransaktionen fest.

60 Prozent aller Zahlungen im Einzelhandel werden noch immer in bar beglichen. 40 Prozent entfallen auf alle anderen Zahlungsmittel, wie Kredit- und Girokarten sowie digitale Bezahlmethoden. Beim Umsatz verhält es sich genau umgekehrt. 60 Prozent werden mit "Plastikgeld" beziehungsweise mobilen Zahlungsmethoden beglichen und nur 40 Prozent des umgesetzten Warenvolumens wird mit Scheinen und Münzen bezahlt. Und je höher der Betrag ist, desto eher werden Karten, Handys oder Uhren gezückt.

Kunden fürchten gläsern zu werden

Im Mai 2022 gab es in Deutschland einen großflächigen Ausfall von Zahlungsterminals. Die Einzelhändler konnten keine Kartenzahlungen durchführen. Schuld war ein Programmierungsfehler. "Hier ist das Bargeld eine probate Notfalloption", erklärt Binnebößel vom HDE. Zudem hätten viele Menschen Angst davor zum gläsernen Kunden zu werden. "Anonymität wird hierzulande großgeschrieben. Viele möchten gar nicht, dass jede Transaktion auf dem Kontoauszug in Erscheinung tritt." Verbraucherschützer untermauern diese Sichtweise. So würden Angriffe auf Zahlungsnetzwerke für Kriminelle immer interessanter werden.

"Die Fragen nach Datenspuren sowohl der Konsumenten im Netz als auch der Anbieter spielen für Kriminelle eine immer größere Rolle", erklärt der Finanzexperte Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern. Absolute Sicherheit werde es nie geben, man müsse sich "auf Schadenseinschläge auf lange Sicht einstellen müssen. Das ist der Preis für Bequemlichkeit."

Viele praktische Fragen offen

Viele Kunden verbinden mit Bargeld neben einer Übersichtlichkeit über die eigenen finanziellen Möglichkeiten auch Emotionen. "Ich möchte nicht, dass das Bargeld verschwindet. Ich möchte ja meinen Enkelkindern ein Taschengeld geben", sagt Verbraucherin Brigitte Walbrun. Ein anderer Passant, der neben einem Straßenmusiker in der Münchner Innenstadt steht, empört sich: "Wie soll ich dem Mann hier, der so schön Musik macht, wie soll ich dem bitte 40 Cent oder einen Euro geben? Soll ich ihm meine Karte reinschmeißen, oder was?"

Die Frage, inwiefern Menschen, die über kein Konto und keine EC- oder Kreditkarten verfügen, in einer bargeldlosen Welt zurechtkommen sollen, beschäftigt auch die Verbraucherzentrale. "Kein unbares Zahlungsmittel erreicht ein ähnlich hohes Inklusionsniveau wie Geld. Wenn hier nicht eine digitale Alternative gefunden wird, die das Bargeld in seiner Funktion ersetzt, dann kann es schnell passieren, dass wirtschaftlich Schwächere bei der Teilhabe am Zahlungsverkehr benachteiligt werden", kritisiert Finanzexperte Straub.

Kartenzahlungen und "digital Payment" sind klar auf dem Vormarsch, darin sind sich alle Experten einig. Doch der Umkehrschluss, dass eine Mehrheit Bargeld ganz abschaffen möchte, ist zumindest jetzt und mittelfristig nicht möglich.

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