Die ehemaligen VW- und Audi-Chefs Winterkorn (l.) und Stadler
Bildrechte: picture alliance / SvenSimon | FrankHoermann/SVEN SIMON

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen den über den Dieselskandal gestürzten VW-Chef Martin Winterkorn Anklage erhoben.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Abgasskandal: Anklage gegen Winterkorn, VW erhält Entschädigung

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen den über den Dieselskandal gestürzten VW-Chef Martin Winterkorn Anklage wegen Falschaussage erhoben. Volkswagen hat sich derweil mit Winterkorn und anderen Ex-Managern auf Entschädigungszahlungen geeinigt.

Der Volkswagen-Konzern hat sich mit seinem früheren Vorstandschef Winterkorn und drei weiteren Ex-Topmanagern sowie deren Versicherungen auf Rekord-Entschädigungen geeinigt. Die Summe beträgt insgesamt knapp 288 Millionen Euro. Winterkorn persönlich soll 11,2 Millionen Euro überweisen.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen VW-Chef Anklage wegen uneidlicher Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Abgasaffäre erhoben hat.

Vorwurf gegen Winterkorn: Uneidliche Falschaussage

Der heute 74-Jährige solle "bewusst falsche Angaben" zur Frage gemacht haben, zu welchem Zeitpunkt er über den Einsatz einer Software zur Manipulation der Abgaswerte unterrichtet war, teilte die Behörde mit. Die Anklage wurde am Landgericht Berlin erhoben.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten zur Last, am 19. Januar 2017 als Zeuge vor dem "Abgas"-Untersuchungsausschuss uneidlich falsch ausgesagt zu haben, heißt es in der Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin.

Ab wann wusste Winterkorn von Abschalteinrichtungen?

In seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der VW AG soll Winterkorn demnach bewusst falsche Angaben zu der Frage gemacht haben, zu welchem Zeitpunkt er über den Einsatz einer Softwarefunktion zur Prüfstandserkennung und Manipulation der Abgaswerte im Testbetrieb in der Motorsteuerungssoftware bestimmter VW-Fahrzeuge mit Dieselmotor unterrichtet worden war.

Winterkorn hatte behauptet, erst im September 2015 über solche Abschalteinrichtungen unterrichtet worden zu sein. Der Anklage zufolge soll ihm aber bereits seit Mai 2015 bekannt gewesen sein. Die Thematik soll beispielsweise auch Besprechungsgegenstand des sogenannten "Schadenstisches" der VW AG im Juli 2015 gewesen sein.

Winterkorn und Volkswagen einigen sich auf Vergleich

Unterdessen wurde bekannt, dass sich der Volkswagen-Konzern mit Winterkorn und drei weiteren Ex-Vorständen auf Details einer Entschädigung für den Dieselskandal verständigt hat. Winterkorn zahlt demnach die Rekordsumme von 11,2 Millionen Euro, auf Ex-Audi-Chef Rupert Stadler entfallen 4,1 Millionen Euro, wie der Wolfsburger Autobauer mitteilte. Die ehemaligen Entwicklungsvorstände von Audi und Porsche, Stefan Knirsch und Wolfgang Hatz, hätten sich bereit erklärt, eine Million beziehungsweise 1,5 Millionen Euro zu zahlen.

Dagegen sei der frühere Audi-Technikvorstand Ulrich Hackenberg nicht zu einer Einigung bereit gewesen. Gegen ihn will Volkswagen nun gerichtliche Schritte einleiten. Ausgenommen von dem Vergleich ist auch der frühere Entwicklungschef der Marke VW, Heinz-Jacob Neußer. Gegen ihn hatte VW schon vorher Ansprüche angemeldet, gegen die sich Neußer in einem arbeitsrechtlichen Verfahren wehrt.

Haftpflichtversicherung zahlt Millionenbetrag

270 Millionen Euro erhält Volkswagen außerdem von der Haftpflichtversicherung (D&O), die der Konzern für sein Top-Management abgeschlossen hat. Der Aufsichtsrat hatte bereits am Wochenende wesentliche Eckpunkte des Vergleichs festgezurrt. Über den Anteil des aus mehr als 30 Versicherungen bestehenden Konsortiums an den Kosten war bis zuletzt gerungen worden. Die vereinbarte Summe ist die mit Abstand höchste, die ein solches Konsortium bisher gezahlt hat.

In dem mit Milliardenaufwand aufgearbeiteten Dieselskandal fließen dem Konzern damit nun insgesamt 287,8 Millionen Euro an Entschädigungszahlungen zu. Ursprünglich war Winterkorn ein Schaden von mehr als einer Milliarde Euro zugerechnet worden. Bei Stadler kamen die VW-Anwälte auf mehrere hundert Millionen Euro. Den Vergleich müssen noch die Aktionäre auf ihrer Hauptversammlung am 22. Juli absegnen.

Prozess um Dieselskandal startet im September

Winterkorn muss sich auch vor dem Landgericht Braunschweig wegen des Dieselskandals verantworten. Der Diesel-Betrugsprozess soll im September losgehen. Insgesamt sind mehr als 130 Verhandlungstage angesetzt. Das Gericht hatte fünf Jahre nach dem Auffliegen der Manipulation von Diesel-Abgaswerten bei Volkswagen zwei Anklagen gegen den damaligen Konzernchef und weitere Manager zugelassen. Das Strafverfahren wegen Marktmanipulation hatte das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt, weil die zu erwartende Strafe in diesem Fall geringer sei als im Strafverfahren im Dieselprozess. Den Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs hat Winterkorn zurückgewiesen.

Winterkorn war nach Bekanntwerden des Skandals um manipulierte Abgaswerte bei Diesel-Fahrzeugen im September 2015 von allen Ämtern in dem Konzern zurückgetreten. Er hat stets bestritten, von der millionenfachen Abgasmanipulation gewusst zu haben. Ihm und den anderen ehemaligen Führungskräften warf Volkswagen nach umfangreichen Untersuchungen durch eine Anwaltskanzlei eine fahrlässige Verletzung aktienrechtlicher Sorgfaltspflichten vor. Die Wiedergutmachung hat den Konzern bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet, vor allem Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA.

"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!