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Kampf gegen Aids Forscher machen Hoffnung

In Durban startet die Welt-Aids-Konferenz. Ein Schwerpunkt ist das Thema HIV und Heilung. Ein Durchbruch scheint zwar noch weit entfernt zu sein, doch neue Technologien lassen hoffen. Von Jeanne Turczynski

Von: Jeanne Turczynski

Stand: 18.07.2016

HIV-Infizierter vor Aids-Schleife im Interview | Bild: picture-alliance/dpa

Heilung ist immer noch ein großes Wort bei HIV. Und nicht wirklich in Sicht. Es gehen schon die Meinungen auseinander, was mit Heilung gemeint ist: Das Virus unterdrücken oder es vollständig aus den Zellen bekommen? Fest steht: Es ist immer noch ein langer Weg. Doch neue Technologien lassen hoffen: Die Gen-Schere soll die Erbsubstanz des Virus zerstören.

Bisher einzige Heilung durch Stammzelltransplantation

Wenn hunderte HIV-Forscher über Heilung diskutieren, dann dauert es keine fünf  Minuten, bis der Name Timothy Brown fällt. Brown ist jener berühmte Berliner Patient, der bis heute als der Einzige gilt, der von HIV jemals geheilt werden konnte – mit Hilfe einer Stammzelltransplantation. Vollkommen klar, dass das keine Therapie für alle ist - und doch die bisher einzige Behandlung, die einen Patienten vollständig gesund machte. Forscher im niederländischen Utrecht untersuchen, ob sich der Erfolg einer Stammzelltransplantation wiederholen lässt.

"Das ist ein Projekt, wo wir Patienten beobachten, die eine HIV-Infektion haben und eine Bluterkrankung – für die sie eine Stammzelltransplantation brauchen. Diesen Patienten wollen wir zusätzlich helfen, möglicherweise indem wir sie von HIV heilen. Wenn man sich die Gesamtsituation ansieht, dann weiß man: Wir suchen nicht nur nach Heilung für ein paar wenige Patienten, es gibt so viele, die sich Heilung wünschen."

Annemarie Wensing, Virologin

Die Zahl der HIV-Infizierten steigt

Neue Erkenntnisse

25 Betroffene haben die niederländischen Forscher und ihre europäischen Kollegen im Blick. Das ist wenig, weil eine solche Therapie eben nicht für alle HIV-Infizierten in Frage kommt. Aber bei den drei Patienten, die am längsten dabei sind, haben die Wissenschaftler Verblüffendes beobachtet.

"Ein Düsseldorfer Patient hat einen Stammzellspender gehabt, ähnlich wie der Berliner Patient mit einer Resistenz gegen HIV. Die anderen beiden Patienten aus Spanien hatten das nicht. Interessant war, dass wir aber auch im Blut eines Spaniers keine Infektion mehr nachweisen konnten."

Forschungsteam aus Utrecht

Das zentrale Problem bei HIV ist: Selbst wenn das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar ist, so versteckt es sich offenbar im Körper, zum Beispiel in den Lymphzellen. Dort kann es jederzeit wieder hervorkriechen und sich breit machen. Deshalb wollen Forscher das Virus am liebsten in seinem Versteck, dem Depot aufspüren und zerstören.

Virus mittels Erbsubstanz unschädlich machen

Und eine solche  Strategie untersucht Monique Nijhuis, ebenfalls Niederländerin, ebenfalls an der Universität Utrecht. Sie verwendet dafür die Technologie CRISPR/CAS 9, die so genannten Gen-Scheren.

"Wir haben das CRISPR-System direkt gegen das HI-Virus gerichtet. Damit kommt man an das versteckte HIV-Depot im Körper ran, das ja das Hauptproblem für eine Heilung ist. Die Gen-Scheren können die Erbsubstanz  des Virus zerstören, so dass es seine genetischen Informationen nicht mehr weiter geben kann, auch wenn die Behandlung gestoppt wird."

Monique Nijhuis, Virologin Universität Utrecht

Wenn die Erbsubstanz  des Virus zerstört ist, kann es sich nicht mehr verbreiten. Diese Versuche machen die holländischen Forscher allerdings im Labor, nicht am lebenden Organismus. Doch zumindest dort funktioniert es.

Das Charmante an der Gen-Schere ist zudem, dass man damit nicht nur das Virus selbst attackieren kann. Die Forscher überlegen, mit CRISPR7Cas 9 auch die T-Zellen im Blut anzugreifen, also die weißen Blutzellen, die für die Immunabwehr zuständig sind und von den HI-Viren befallen werden.

"Man kann dieselbe Technik an T-Zellen einsetzen, um sie vor einer Infektion zu schützen. Mal angenommen, diese Scheren wären schon in der Zelle und würden dort auf das HIV-Gen warten, dann könnten sie sofort die Erbsubstanz des Virus zerstören und die Zellen sich nicht infizieren. Damit kann man also zweigleisig fahren und beides machen."

Niederländische Forschergruppe, Universität Utrecht

Test am Menschen steht noch aus

Bei aller Euphorie gibt es da nur ein kleines Problem. Die in Durban vorgestellte Studie hat gezeigt, dass das HI-Virus auch der Genschere ausweichen kann, indem es resistent wird gegenüber diesem Werkzeug. Klar ist also, eine Schere wird nicht reichen, um das Virus zu attackieren, es braucht mindestens zwei.

Bevor allerdings eine solche heilende Therapie jemals angewendet werden kann, muss sie zunächst getestet werden, und zwar an Menschen. Das wird die HIV-Forschung noch vor Herausforderungen stellen, glaubt die Soziologin Judi Auerbach von der Universität von San Francisco.

"Wir reden hier über Menschen, die HIV-positiv sind und die man fragen wird, ob sie ihre Therapie unterbrechen, die sie am Leben erhalten. Stattdessen sollen sie testen, ob eine dieser Heilungsstrategien funktioniert oder nicht – was sollte die Motivation für jemanden sein, das zu tun?"

Judi Auerbach, Universität San Francisco

Sollte die Genschere CRISR sich weiter so rasant entwickeln, dann wird man sich vielleicht schon bald auch über diese Fragen Gedanken machen müssen.


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