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Kriegswaffen in Terroristenhand Angriff auf das Herz Europas

Der Terror trifft Europa mitten ins Herz. Ob Breivik oder Islamisten - die Täter haben leichtes Spiel: Aus dem Balkan kommen ungehindert Kalaschnikows und Pumpguns zu uns. Behörden unterlaufen schwerwiegende Fehler.

Von: Daniel Harrich und Gerhard Brack

Stand: 05.01.2016 | Archiv

Illu: Europakarte und Schatten eines bewaffneten Kämpfers, Fadenkreuz | Bild: BR

Anders Behring Breivik, der rechtsextreme Attentäter von Norwegen, wurde in Deutschland mit Waffenteilen und Munition festgesetzt, noch bevor er das Blutbad in Norwegen anrichtete. Das bestätigten mehrere Insider unabhängig voneinander.

So wollte der Attentäter gesehen werden: Dieses Selfie publizierte Breivik am Tag des Attentats.

Die Kontrolle soll auf der Autobahn nahe dem hessischen Wetzlar stattgefunden haben. Doch nach einer Befragung ließ man Breivik wieder frei. Die Polizei wollte die Kollegen in Norwegen informieren und gab die Meldung, so heißt es, an das BKA weiter. In Norwegen kam die Information nie an. Wie konnte das passieren? Breiviks Attentat erschütterte am 22. Juli 2011 ganz Europa: Der Rechtsextreme tötete 77 Menschen. Das BKA wollte die Vorgänge nicht kommentieren, verweist dabei auf die Persönlichkeitsrechte Breiviks.

Polizei-Warnung aus Bayern kam nie an

Symbolbild: Festnahme mit Handschellen | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel Nach Festnahme in Bayern Das droht dem mutmaßlichen Terrorhelfer

Er war mit einem Auto voller Waffen unterwegs nach Paris und ging Rosenheimer Schleierfahndern ins Netz: Was dem Mann aus Montenegro jetzt droht, hängt davon ab, ob ihm eine direkte Verbindung zu den Attentätern nachgewiesen werden kann. Von Oliver Bendixen und Michael Bartmann [mehr]

Es war nicht der erste Fall, in dem europäische Ermittlungsbehörden versagten. Wenige Tage vor den jüngsten Anschlägen in Paris stoppten am 5. November 2015 Schleierfahnder einen Wagen auf der Autobahn Salzburg-München, in dem sie Kriegswaffen und Sprengstoff fanden.  Der Fahrer, ein 51-Jähriger aus Montenegro, hatte acht Sturmgewehre AK-47 Kalaschnikow mit Munition, zwei Pistolen, drei Handgranaten und 200 Gramm TNT-Sprengstoff dabei. Reiseziel im Navi: Paris, Frankreich. Wie es heißt, gaben die deutschen Ermittler die Warnung an ihre französischen Kollegen weiter. Anscheinend wurde die Nachricht aber nicht ernst genommen - oder sie kam nicht an.

Desaströse Fehler in der Kommunikation

TV-Doku "Waffen für den Terror"

Wie desaströs das Versagen der europäischen Ermittlungsbehörden in Sachen Waffenschmuggel ist, deckt jetzt exklusiv und erstmalig eine TV-Dokumentation in Zusammenarbeit mit dem rbb auf, die der Sender arte heute Abend um 21.15 Uhr ausstrahlt.

Kommunikation und Kooperation der europäischen Ermittlungsverfahren ergeben ein desaströses Bild. Wie gelangen die eingesetzten Mordinstrumente vorbei an Kontrollen der Sicherheitsbehörden in die Hände europäischer Islamisten und anderer Krimineller?

Europäische Behörden und Politiker sind von den Herausforderungen illegaler Waffen überfordert. Ermittler und Experten aus den von der aktuellen Terrorwelle betroffenen Ländern, Frankreich und Belgien, sowie den Drehscheiben Deutschland und Bosnien-Herzegowina, dem Herkunftsland vieler illegaler Waffen, berichten über den alltäglichen Kampf gegen Schmuggler und Schieber; denn Kriegswaffen gelangen seit Jahrzehnten, genauer gesagt, seit dem Ende der Balkankriege, nahezu ungehindert in alle europäischen Staaten und damit in die Hände von Terroristen und anderen Kriminellen.

Brüssel: Zentrale für Waffenschieber

Eine der Waffen des Rechtsextremisten Anders Breivik.

Die Spur der Waffen, die bei den Anschlägen der vergangenen Monate eingesetzt wurden, führt immer wieder in die Hauptstadt Europas, nach Brüssel, und von dort zurück auf den Balkan. Diese Verbindung besteht seit der Balkankriege in den 90er Jahren. Brüssel war Dreh- und Angelpunkt, organisatorische Zentrale der Dschihadisten im Kampf um Bosnien, das als Bollwerk des Islams in Europa galt. Auch Al-Kaida Führer Osama Bin Laden entsandte seine Mudschaheddin 1993 nach Bosnien. Islamistische Kämpfer, Ausrüstung und Waffen wurden aus der ganzen Welt in das kleine Land geleitet - meist koordiniert über die europäische Hauptstadt Brüssel.

Tausende Dschihadisten in Europa

Bosnien-Herzegowina ist bis heute von Krieg und Zerstörung gezeichnet. Die Gräben sitzen tief – gesellschaftlich und wirtschaftlich, häufig entlang der Trennlinien der religiös-ethnischen Zugehörigkeit. Seit Jahren unterstützen vor allem Saudi-Arabien und Katar das Land finanziell. Sie errichteten im Jahr 2000 die größte Moschee Südosteuropas, bauten Schulen und Hilfsprojekte auf. Seitdem findet der Wahabismus, eine ultrakonservative Glaubensrichtung des Islam, die vor allem in Saudi-Arabien verbreitet ist, immer mehr Anhänger in der Region.

Dazu kommen tausende Dschihadisten, die nach Ende des Kriegs im Land geblieben sind. Diese Dschihadisten pflegen bis heute enge Beziehungen zu Islamisten in Europa, vor in allem Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und Belgien.

Deutschland ist Drehscheibe für Kriegswaffen aus Bosnien.

Die Kriminalpolizei Bosnien-Herzegowinas, SIPA, bestätigt, dass ihr Land heute die geheime Drehscheibe für islamische Kämpfer und Waffen nach Syrien, den Irak und Libyen ist. Beispielsweise ist Nusret Imamovic, ein religiöser Anführer der wahabitischen Gemeinde, seit 2013 bei den sunnitischen Al-Nusra Brigaden in Syrien und seit 2014 auf der Most-Wanted-Terrorliste der USA verzeichnet. Die Netzwerke aus dem Krieg sind weiter aktiv und halten die Bosnien-Verbindung seit Jahren am Leben.

Flut von Kriegswaffen

Ineffektive Kontrollen: Waffen genießen ziemliche Reisefreiheit in Europa.

Der Balkan wurde während des Krieges mit Kriegswaffen überflutet. Statistiken gehen von durchschnittlich zehn Kleinwaffen pro Einwohner aus, also Gewehren, Pistolen, Sturmgewehren, Panzerfäusten etc. - meist in illegalem Privatbesitz. Diese Waffen sind verfügbar, werden gehandelt und exportiert, bestätigt das Innenministerium von Bosnien-Herzegowina. Gleichzeitig berichtet der Leiter der Sondereinheit zur Bekämpfung des illegalen Waffenhandels der Bundespolizei SIPA über die Einsätze seiner Behörde. Regelmäßig werden riesige Waffenbestände sichergestellt, belegen Fotos und Videos. Aber, auch das bestätigt der Sonderermittler im Interview, all das ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Der Chief of Staff der europäischen Polizeibehörde EUROPOL, Brian Donald, betont im Interview immer wieder, dass der illegale Waffenhandel aus den Balkanstaaten völlig außer Kontrolle geraten ist. Seine Behörde, die die Aktionen aller 28 Mitgliedsstaaten berät und koordiniert, sieht sich außer Stande, die Gefahr durch Waffenschmuggel zu bannen.

Skandalöses Versagen der Behörden

Deutschland, Frankreich und Belgien sind Drehscheibe, Durchgangsländer und Destination für illegale Waffen. Die Netzwerke der Waffenschmuggler bringen Kriegswaffen in die Hände von Verbrechern und Mördern. Gleichzeitig scheinen die europäischen Ermittlungsbehörden im Kampf gegen terroristische Strukturen und kriminelle Netzwerke sowie in der Bekämpfung der illegalen Waffenströme überfordert, hilflos und unkoordiniert.

In zwei kritischen Fällen, hat die Kommunikation zwischen den Behörden der EU-Mitgliedsstaaten auf skandalöse Weise versagt. Es fehlt zudem ein einheitliches Waffengesetz auf europäischer Ebene, was die Ermittlungs- und Strafverfolgungsansätze zusätzlich verkompliziert. Um den aktuellen Gefahren durch zunehmende terroristische Bedrohungen in Europa gerecht zu werden, müssen die Ermittlungsbehörden endlich effizient kommunizieren – es muss eine grenzübergreifende europäische Zusammenarbeit geben.


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Heiko Humbert, Samstag, 09.Januar 2016, 10:35 Uhr

15. Korrekter Bericht ... bis auf eine Kleinigkeit

Harmonisierte Waffengesetze in Europa werden gegen Waffenschmuggel überhaupt nichts helfen. Im Gegenteil, sie werden den Handel mit illegalen Waffen ankurbeln. So wie die EU-Kommission derzeit die Regeln anziehen will, werden viele Besitzer legaler und registrierter Waffen enteignet. Terroristen und Verbrecher halten sich aber nicht an Waffengesetze.

In jedem Land, in dem die Waffengesetze verschärft wurden, stieg danach die Schußwaffenkriminalität stark an. Paradebeispiel ist England wo die Waffenkriminalität nach dem Verbot von Kurzwaffen innerhalb von 10 Jahren um 89% anstieg. Länder mit geringem Waffenbesitz bzw. Waffenverboten haben in der Regel höhere Waffenkriminalität als Länder in denen es mehr Waffenbesitz gibt. Dazu gibt's offizielle Statistiken.

Kellner, Mittwoch, 06.Januar 2016, 05:01 Uhr

14. BRD wird zum Polizeistaat

Diese registrierten Waffen werden hauptsächlich für Amokläufe oder Familiendramen benutzt, man kann dann auch ne Axt im Baumarkt besorgen wenn die Flinte nicht mehr da ist, oder ein Seil. Wer derartiges plant findet seinen Weg.

Terroristen agieren lieber mit Militärgerät, und das kriegt man nur über illegale Kanäle. Diese gilt es zu blockieren.

Da wird die Polizei einiges zu tun bekommen, die lockere Fahrt auf Streife und Bericht schreiben wird bald vorbei sein.
Wenn man bedenkt was nun alles überwacht werden muss: Grenzübergänge, Pässe, Autos, Schläfer, Rechtsextreme, Islamisten, Familienclans, Großveranstaltungen, Demos, Asylbewerberheime... Und normale Polizeiarbeit wie bisher.

Ich bin sicher das der Polizei bald über den Kopf wächst. Die Polizei kann nicht überall sein.

Es wird mit Stasi-ähnlichen Methoden weitergehen, Merkel hat da schon Erfahrung.

Einschneidung der Persöhnllichkeitsrechte, Verstöße gegen die Verfassung, Kriminalisierung von Kritikern...

  • Antwort von Schwarzmaler, Mittwoch, 06.Januar, 23:38 Uhr

    Sie sind zu pessimistisch. Think positive!

    Bislang hatte der Staat immer noch die adäquate Antwort auf Herausforderungen. Aber die Augen vor diesem Rechtsruck, und da gebe ich Ihnen recht, darf man nicht ausser acht lassen. Es bleibt spannend.

  • Antwort von Franz, Freitag, 08.Januar, 01:26 Uhr

    Tja, ich wäre gerne mehr positiv gesinnt, nur ist mir in Bochum auf einem beleuchteten Bezahl- Parkplatz um 21:00 Uhr das Auto aufgebrochen worden und Wertgegenstände entwendet worden, das war vor 1,5 Jahren. Da gab es noch keine Flüchtlinge.
    Und von der Polizei kam nur so was lapidares wie: "Wenn sie Das Navi auf ebay finden sollten, und die Nummer mit dem Ihrem identisch ist, werden wir weiter ermitteln, die Strafanzeige dient nur der Statistik und als Beleg für die Versicherung.

    Das es sich hierbei um organisierte Kriminalität handelt war denen wurscht, Man hätte beispielsweise den Hehler der gebrauchte Navis zu hunderten verkauft mal unter die Lupe nehmen können...

    Auch den Frauen aus Köln wird es nicht anders ergehen. Ich schätze mal das keine 10 Täter dingfest gemacht werden können.
    und maximal 3 werden Konsequenzen zu spüren kriegen

    Hauptsache wir, Malochen, zahlen brav Steuern und sehen zu wie Merkels Politik in der Hilflosigkeit der eigenen Dummheit versinkt.

Xaver, Dienstag, 05.Januar 2016, 23:46 Uhr

13. Sehenswerte Dokumentation

Ein sehr interessanter und zu gleich erschreckender Beitrag vo Rbb und Arte. Höchste Zeit, dass auf europäischer Ebene eine Zentrale ähnlich des GTAZ eingerichtet wird. Es sollte doch wohl möglich sein nachzuweisen, wer, wann, an wen, was mitgeteilt hat? Problem liegt natürlich beim Empfänger, was er aus einem Hinweis macht.

Gut ist auch, dass der BR auf dieses Thema hingewiesen hat. Danke BR!

wm, Dienstag, 05.Januar 2016, 22:06 Uhr

12. Ende September wurden in Aachen....

....3 Waffenschmuggler festgenommen,die im Besitz von 30 scharfen Granaten,5 Sturmgewehren,Munition und Sprengstoff waren.

Die Spur der Schmuggler verfolgten BOSNISCHE ERMITTLER bis Aachen!

  • Antwort von Ergänzer, Mittwoch, 06.Januar, 23:34 Uhr

    ...in Zusammenarbeit mit BKA (deutsches Hoheitsgebiet).

seppl, Dienstag, 05.Januar 2016, 18:13 Uhr

11. und das ist erst der Anfang

Die gesellschaftliche Zersetzung und Chaotisierung Europas ist in vollem Gange.

  • Antwort von Gerolf Gahlheimer, Mittwoch, 06.Januar, 00:21 Uhr

    Die gesellschaftliche Zersetzung und Chaotisierung Europas ist in vollem Gange.
    Da möchte ich Ihnen voll zustimmen, aber mehr darauf darf man ja nicht mehr schreiben.
    Und somit sind alle Kommentare nur "bla-bla -bla".
    Alles wird sich einmal rächen, hoffe nur , dass wir es nicht mehr erleben müssen.
    Ach Ja, schöne Grüße noch nach Berlin!