AKW Grafenrheinfeld geht im Juni vom Netz

Countdown zur Abschaltung AKW Grafenrheinfeld geht im Juni vom Netz

Stand: 03.06.2015

Sonnenuntergang am KKW Grafenrheinfeld | Bild: picture-alliance/dpa

Am 27. Juni 2015 soll das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet werden. Bald danach wird auch der Abriss der Kühltürme beginnen, so die bisherigen Pläne des Energieversorgers E.ON. Das Regionalstudio Mainfranken hat einen Countdown gestartet.

Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wird früher abgeschaltet als es der Gesetzgeber vorschreibt. Zunächst hatte E.ON beschlossen, den Reaktor bereits Ende Mai 2015 vom Netz zu nehmen, sieben Monate vor dem Ende der gesetzlichen Laufzeit. Ende April teilte E.ON jedoch überraschend mit, dass das AKW nun doch bis zum 20. Juni weiterlaufen soll. Anfang Juni gab der Betreiber schließlich auf BR-Anfrage bekannt, dass er das AKW am 27. Juni abschalten wolle.

Ein Weiterbetrieb bis zum Jahresende lohnt sich aus der Sicht von E.ON nicht, obwohl die Betriebsgenehmigung es erlauben würde. Denn: Dann müsste der Konzern noch einmal die Brennelemente des Reaktors austauschen. Und das würde auch bedeuten, dass E.ON noch einmal rund 80 Millionen Euro Brennelementesteuer zahlen müsste, wie Unternehmenskreise bestätigten.

Doch was kommt danach? Zwei Szenarien sind denkbar: Der Meiler könnte abgerissen werden. Oder es erfolgt ein sogenannter sicherer Einschluss. Dabei wird der radioaktive Bereich erst einmal für 30 Jahre ummantelt. In dieser Zeit soll die stärkste Radioaktivität abklingen, bevor die Abrissbirne kommt.

"Um jeglichen Spekulationen entgegenzutreten: Wir beabsichtigen nach der Stilllegung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld in den direkten Rückbau zu gehen."

Petra Uhlmann, Pressesprecherin des Kernkraftwerkbetreibers E.ON auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks

Direkter Rückbau bedeutet, dass E.ON nach dem Abschalten eine Stilllegungs- und Abbaugenehmigung beantragt. Das Genehmigungsverfahren würde die Öffentlichkeit mit einschließen und würde laut E.ON dann erst einmal einige Jahre dauern. Anlagenteile, wie beispielsweise die beiden Kühltürme, könnten nach entsprechender Genehmigung schon eher abgerissen werden.

2013 versorgte das Kraftwerk drei Millionen Haushalte

In einem Jahr erzeugt der Meiler mehr als elf Milliarden Kilowatt Strom.

Bei der 31. Revision des Kraftwerks 2013 zog die Betreiberin, E.ON Kernkraft, Bilanz: Innerhalb eines Jahres erzeugte der Meiler in Grafenrheinfeld über elf Milliarden Kilowattstunden Strom. Das entspricht laut E.ON dem jährlichen Strombedarf von drei Millionen Haushalten. Die letzten Brennelemente müssten noch fünf Jahre im Nasslager bleiben, um hier abzuklingen. Wenn sie in Castoren verladen und ins benachbarte Zwischenlager gebracht worden sind, würde das radioaktive Inventar um mehr als 99 Prozent sinken. Dann seien radioaktive Partikel überwiegend nur noch an den Oberflächen, die durch unterschiedliche Dekontaminationsverfahren beseitigt werden könnten. Der gesamte Abfall, der beim Rückbau anfällt, sei dann nur noch schwach- und mittelradioaktiv, heißt es von E.ON.

Kompetenter Abbruch möglich

E.ON verfüge über ein umfassendes Rückbau-Knowhow, schreibt die Pressesprecherin und verweist auf die Meiler Stade und Würgassen. In Stade bei Hamburg dauerte es rund zwölf Jahre, bis die letzten Bauwerke abgerissen waren. Es bleibt die Frage, ob das Atomkraftwerk auch grundsätzlich weiterbetrieben werden könnte? Darauf antwortet E.ON nicht. Aber es ist stark zu vermuten, denn alle bisherigen Revisionen wurden so angelegt, dass das Kernkraftwerk sicher läuft. Und dann steht natürlich immer im Raum, dass eine Rücknahme des Abschaltbeschlusses kommen könnte, der nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 gefällt wurde. Das fürchten zumindest einigige Bürger in Grafenrheinfeld.

"Ich traue dem Braten immer noch nicht. Ich glaube eher, dass das Kraftwerk noch länger läuft."

Ein Grafenrheinfelder Bürger

Zukünftig keine Gewerbesteuern mehr vom AKW

Zumindest finanziell wäre es für die rund 3.400 Einwohner der Gemeinde Grafenrheinfeld recht attraktiv, wenn das Kernkraftwerk weiterlaufen würde. Sie müssen sich nämlich darauf einstellen, dass sie von der Gemeinde künftig mehr zur Kasse gebeten werden könnten. Grafenrheinfeld hat ein Haushaltsvolumen von rund 13 Millionen Euro. Rund zehn Millionen hat die Gemeinde auch noch in den Rücklagen. Die Gemeinde rechnet allerdings damit, dass künftig keine Gewerbesteuern mehr vom Kernkraftwerkbetreiber E.ON fließen werden. Schon vor zwei Jahren musste die Gemeinde nach Gewerbesteuervorauszahlungen sogar 10,2 Millionen Euro an E.ON zurückzahlen.

Bürger müssen höhere Gebühren zahlen

Beim Rückbau versiegt diese Einnahmequelle gänzlich. Die ausbleibenden Gewerbesteuereinnahmen durch E.ON haben schon jetzt Auswirkungen: Für die Bürgerinnen und Bürger wurden sowohl die Grund- und Gewerbesteuersätze erhöht als auch die Kindergartenbeiträge und Abwassergebühren angehoben. Wegen der üppigen Gewerbesteuereinnahmen durch den Atomkraftwerks-Betreiber hatte Grafenrheinfeld seit langem den Ruf, die Straßen "mit Gold pflastern" zu können. Die Gemeinde leistete sich vor ein paar Jahren sogar eine eigene Kulturhalle.

Atomkraftwerke in Bayern

Zankapfel Zwischenlager

Noch einen weiteren Punkt beobachten die Anwohner auch im Umland mit Argwohn: Das Zwischenlager am AKW Grafenrheinfeld mit bis zu 88 Castor-Stellplätzen für abgebrannte Brennelemente hat eine Betriebsgenehmigung bis 2046. Laut einem Gutachtern würden die Castorbehälter auch nach einem Beschuss oder nach einem Flugzeugabsturz dicht bleiben. Auch sollen die Behälter ein Feuer mit hohen Temperaturen bis zu einer halben Stunde unbeschadet überstehen können. Eine zehn Meter hohe Mauer bringt zudem weiteren Schutz. Dass es bislang weltweit kein funktionsfähiges Endlager gibt, macht den Menschen in Grafenrheinfeld jedoch die meisten Sorgen:

"Alle Zwischenlager sind eigentlich Endlager."

Eine Grafenrheinfelderin

Gaskraft oder Kernkraft

Das Hin und Her zu der Frage, ob am Standort zukünftig ein Gaskraftwerk neue Energie liefern könnte, tritt dabei eher in den Hintergrund. Letztlich liegt die Entscheidung beim Betreiber, der auf die schon vorhandenen Anschlussmöglichkeiten ans Stromnetz zurückgreifen kann und damit bares Geld für ein Umspannwerk spart. Das Schweizer Unternehmen PQ Energy hat sich bereits im Gewerbegebiet Mainpark auf Schweinfurter Gemarkung ein Ankaufsrecht von 40.000 bis 60.000 Quadratmetern zugesichert, um für 400 Millionen Euro ein Gaskraftwerk entstehen zu lassen. Das Unternehmen muss innerhalb von fünf Jahren die Kaufoption realisieren, sonst geht sie verloren. Insbesondere an sonnen- und windarmen Tagen soll damit der Strombedarf gedeckt werden. In dem Gaskraftwerk würden allerdings lediglich 14 Arbeitsplätze entstehen. So hoffen denn auch die Mitarbeiter im Kernkraftwerk und die etwa 1.500 Arbeitskräfte, die bei den jährlichen Revisionen Beschäftigung finden, eher auf den jahrzehntelangen Rückbau, bei dem es für Facharbeiter mit Know How genug zu tun gibt.

Aigner will Gaskraftwerk

Für Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remele (CSU) ist jedenfalls die Wahrscheinlichkeit für den Bau eines Gaskraftwerkes in Schweinfurt "höher denn je". Er reagierte damit auf die Forderungen von Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die "ein Kraftwerk mit schnell hochfahrender Gasturbine im räumlichen Umfeld von Grafenrheinfeld" mehrfach ins Gespräch gebracht hat. Mit dem Optionsvertrag ist es inzwischen allerdings erheblich wahrscheinlicher, dass das Kraftwerk dann auf Schweinfurter Gemarkung entstehen würde.

Stichwort: Atomkraftwerk Grafenrheinfeld

1974 wurde mit dem Bau des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld begonnen. Das Kraftwerk ging 1981 in Betrieb, im April 1982 brachte es erstmals 100 Prozent Leistung. Der Druckwasserreaktor der dritten Generation hat eine elektrische Bruttoleistung von 1.345 Megawatt. Er produziert jährlich circa zehn Milliarden Kilowattstunden Strom. Wurde der Meiler zunächst von den Bayernwerken betrieben, ging die Sparte im Jahr 2000 in den E.ON-Konzern über.