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Fragen und Antworten zum Freihandel Die Knackpunkte von TTIP und CETA

Die Gegner der Freihandelsabkommen TTIP und CETA machen heute mobil: In insgesamt sieben deutschen Städten protestieren sie gegen die Abkommen zwischen der EU und den USA beziehungsweise Kanada. Was sind ihre Argumente, wie lauten die der TTIP-Befürworter - und wie ist der Stand der Verhandlungen? Brüssel-Korrespondent Holger Romann mit einem Überblick.

Von: Holger Romann

Stand: 17.09.2016

Das TTIP-Abkommen soll die Handelsbeziehungen zwischen Europa und den USA erleichtern. | Bild: picture-alliance/dpa

DIE IDEE

Durch TTIP sollen die beiden größten Wirtschaftsblöcke der Erde – EU und USA – noch enger zusammenrücken. Gemeinsam erwirtschaften sie fast die Hälfte des globalen Bruttosozialprodukts und stehen für ein Drittel des Welthandels. Doch die Länder des asiatisch-pazifischen Raums – allen voran China - holen rasant auf; sie sind drauf und dran, dem Westen den Rang abzulaufen.

Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA könnten diesen Trend ausgleichen, indem sie den Austausch von Waren und Dienstleistungen erleichtern, Kosten senken und das Wachstum ankurbeln. Wie groß der Effekt tatsächlich ist, lässt sich aber schwer voraussagen.

DIE GEMEINSAMKEITEN

Das Prinzip ist bei TTIP und CETA dasselbe: Durch die Abkommen würden fast alle noch verbliebenen Zölle wegfallen, Industrienormen und Produktionsstandards würden angeglichen. Unternehmen könnten Geld sparen, ihre Produkte leichter vermarkten und sich sogar um öffentliche Aufträge in Übersee bewerben.

Über 140 regionale Herkunftsbezeichnungen in der EU wären in ganz Nordamerika geschützt – vom Parmaschinken bis zum Allgäuer Bergkäse. Umstritten ist der sogenannte „Investorenschutz“: Firmen und Konzerne hätten ein spezielles Klagerechte, wenn sie ihre Interessen durch staatliche Maßnahmen verletzt sehen. Kritiker sprechen von intransparenter Privatjustiz.

Ceta hui, TTIP pfui?

CETA hui, TTIP pfui – Unterscheidungen, wie sie Bundeswirtschaftsminister Gabriel unter dem wachsenden Druck der Kritiker trifft, lässt die EU-Kommission nicht gelten. Allerdings gibt man sich in Brüssel auch keinen Illusionen hin. In seiner Rede zur Lage der Union hat Behördenchef Juncker gerade wieder betont, dass er zwar „kein fanatischer Freetrader“ sei, den Freihandel aber dennoch für eine große Chance halte, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen, die Europa so dringend brauche. CETA nennt der Luxemburger das beste Abkommen, das die EU je abgeschlossen habe. TTIP tauchte nicht in Junckers Rede auf. Der Grund: die Bilanz nach drei Jahren Verhandlungsmarathon ist eher bescheiden. Und: Hinter den Kulissen ist zu hören, die US-Seite zeige sich kaum kompromissbereit. Deshalb und weil die Zeit wegen der Präsidentschaftswahlen in den USA allmählich knapp wird, halten viele Beobachter TTIP inzwischen für tot. Holger Romann, Brüssel

DIE UNTERSCHIEDE

Kanada und EU: noch keine endgültige Einigung

Im Gegensatz zu TTIP ist CETA bereits ausverhandelt. Das über 500 Seiten lange Vertragswerk ist im Internet verfügbar. Besonders stolz ist man in Brüssel, dass statt der umstrittenen privaten Schiedsgerichte ein eigens geschaffener Handelsgerichtshof Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten klären soll.

Das System will die EU auch gegenüber den USA durchsetzen, weshalb CETA als Blaupause für TTIP gilt. Was noch fehlt, ist die Zustimmung des EU-Parlaments und des Rates, also der Vertretung der 28 Mitgliedsstaaten. Auch das kanadische Parlament muss das Abkommen noch ratifizieren. 2017 könnte CETA in Kraft treten. Allerdings nur vorläufig. Denn die nationalen Parlamente, darunter der Deutsche Bundestag, wollen ebenfalls ein Wörtchen mitreden, was das Verfahren erheblich in die Länge zieht. Am Ende könnte auch CETA noch platzen.

DAS ENDSPIEL


Bei TTIP hat man in drei Jahren 14 Verhandlungsrunden hinter sich gebracht. Bei zentralen Streithemen - etwa Investorenschutz, Agrarprodukte oder öffentliche Ausschreibungen – zeichnet sich bis jetzt aber keine Einigung ab. Trotz einer Transparenz-Offensive der Kommission ist der Widerstand einer kritischen Öffentlichkeit stetig gewachsen.

Deshalb und weil die Zeit wegen der US-Präsidentschaftswahlen allmählich knapp wird, halten viele Beobachter, unter ihnen sogar der Bundeswirtschaftsminister, TTIP inzwischen für tot. Frankreich möchte die Verhandlungen offiziell beenden. Die EU-Kommission will trotzdem weiterverhandeln und hält einen Deal bis Jahresende noch für möglich.

Scheitert TTIP, so heißt es in Brüssel, wird das Projekt wohl für die nächsten 15 bis 20 Jahre zu den Akten gelegt. Der Imageschaden und die geostrategischen Folgen wären wahrscheinlich größer als der wirtschaftliche Verlust.


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mkeits, Samstag, 17.September 2016, 13:07 Uhr

1. TV-Übertragung

Wo bitte bleibt - neben der Wiesn - die jedenfalls teilweise live-Übertragung der TTIP/Ceta-Demo in München, nachdem sich selbst der Richterbund-Vorsitzende eingeschaltet hat (spon)? Wer die SZ-Außenansicht von Gauweiler gelesen hat, worin er für die Gefahen der Demokratie durch diese speziellen Freihandelsverträge mit besten Gründen argumentierte, wird mit mir die Gewichtung der Live-Berichterstattung hinterfragen. Es geht nicht um "Ballermann", es geht um die Sicherung der immer weiter untergrabenen Demokratie wie Rechtsstaat.