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Vorher - Nachher 75 Jahre München aus der Luft

So viel Überblick war selten: Eine Million Bayern-Fotos lagern im bayerischen Luftbildarchiv und dokumentieren, wie sich der Freistaat in den vergangenen sieben Jahrzehnten entwickelt hat. Wir zeigen Bilder aus München - von der Altstadt bis zur Allianz Arena.

Von: Michael Kubitza

Stand: 29.11.2017 | Archiv

Rosenheim | Bild: Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung

Eine Schatzkammer für Historiker und Adleraugenmenschen: Seit über vier Jahrzehnten lässt das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung "Bayern befliegen", um sich einen fotografischen Überblick über die jeweils aktuelle Topografie des Freistaats zu verschaffen. Eine Million "Senkrechtaufnahmen mit Bodenauflösung von 20 Zentimetern" sind so entstanden. Dazu kommen ältere Aufnahmen vor allem aus Militärbeständen.

Wollte man alle Bilder im Archiv aneinanderreihen, bräuchte man eine Fläche größer als Europa. Was klingt wie ein Hobby für spleenige Monarchen, hat ganz pragmatische Gründe. Die Nutzung der Aufnahmen reicht vom Hochwasserschutz über Landschaftspflege bis zur Entschärfung übrig gebliebener Weltkriegsbomben.

München: Sieben Jahrzehnte im Zeitraffer

Beispiel München: Mit vier Bildergalerien dokumentieren wir hier, wie sich die Landeshauptstadt seit baulich verändert hat - erst "Hauptstadt der Bewegung", dann Trümmerlandschaft, heute Weltstadt mit Herz und Völlegefühl:

Das erste und das 1.000.000. Bild

Voilà: Staatsminister Markus Söder präsentiert Bild Nummer 1 des Landesluftbildarchivs: München 1941.

Auch das allererste erhaltene Bild des Landesluftbildarchiv stammt aus München. Es wurde in einer Zeit geschossen, als dieses Verb noch eine sehr konkrete Bedeutung hatte: es ist ein Aufklärungsbild der Royal Navy, zu sehen: das baulich gerade noch unversehrte München des 17. September 1941. Insgesamt existieren 64.000 Aerial Photographs der Allierten, die bis heute Hinweise auf Blindgänger liefern.

Bild Nummer 1000.000: Raitenbuch im Landkeis Weißenburg-Gunzenhausen

Inzwischen gibt es über eine Million Fotos. Nummer 1.000.000: die Infrarotaufnahme eines Flurstücks rund um den malerisch gelegenen 1.200-Einwohner-Ort Raitenbuch in Mittelfranken. Die Infrarotaufnahme dient hier nicht der besseren Lichtausbeute, sondern soll durch eine andere Oberflächenreflexion Landschaftsmerkmale hervortreten lassen.

So entstehen die Luftkarten

Wie bei der klassischen Dreifelderwirtschaft befliegen die Luftbildfotografen in dreijährigem Turnus jeweils ein Drittel Bayerns - seit 2009 mit digitalen Großformatkameras. Am Computer entsteht anschließend ein lückenloses Abbild Bayerns - wahlweise schwarzweiß, farbig, infrarot oder 3-D.

Bauen, Bomben, Borkenkäfer: Wozu Luftbilder nütze sind

Umweltschutz

Fichte oder Lärche? Krank oder gesund? Mithilfe der oberflächensensiblen Infrarotfotografie lässt sich der Zustand des bayerischen Waldes erstaunlich präzise darstellen. Legt man Luftbilder verschiedener Jahrgänge übereinander, lassen sich Abholzungen und Aufforstungen ermitteln. Über Oberflächenmodelle, die aus Luftbildern generiert werden, kann in absehbarer Zukunft nicht nur die Art der Vegetation, sondern auch ihr Wachstum berechnet werden - und wie sich der Klimawandel darauf auswirkt.

Stadtplanung

Für die Stadt- und Landschaftsplanung sind Luftbilder hoch interessant, da sie als Momentaufnahmen einen neutralen Blick auf die Erdoberfläche zulassen. Im Gegensatz zu einer Karte werden wichtige Informationen immer hervorgehoben ( z.B. Autobahnen, Eisenbahnlinien) und unwichtige Details wie Nebenstraßen und Nebenhäuser weggelassen. Über Luftbilder können Stadtmodelle erzeugt werden. Über 3D-Auswertesysteme werden Gebäude in ihrer Lage und in ihrer Höhe erfasst und können mit Architektur-Planungen in einem Geoinformationssystem zusammen gespielt werden. Planungsfragen können somit beantwortet werden, ob zum Beispiel eine bestehende Sichtachse zerstört wird oder wie groß die Verschattung bei hohen Gebäuden ist.

Hochwasserschutz

Luft- und Satellitenbildern werden auch bei Katastrophen eingesetzt - etwa, um Hochwasserschäden zu dokumentieren. Wo fließt das Wasser zu oder ab? Wo sind Häuser gefährdet? Daraus lassen sich kurz- und langfristig Gegenmaßnahmen ableiten. Beim Hochwasserschutz werden oftmals alte Flussläufe wieder renaturiert, um das Wasser möglichst lange vor Ort zurückzuhalten - mit Hilfe historischer Luftbilder können alte Flussläufe wieder rekonstruiert werden.

Klarsicht auf Blindgänger

Zentraler Bestandteil des Luftbildarchivs sind 64.000 historische Luftbilder, die zwischen 1941 und 1945 von alliierten Aufklärungsflugzeugen aufgenommen wurden, sind in einem eigenen Web Map Service zusammengefasst. Mit ihrer Hilfe lässt sich herausfinden, ob über einem Neubaugebiet seinerzeit Bomber geflogen sind und im Boden möglicherweise noch explosive Überraschungen schlummern.

Fachleute vermuten, dass sich in Deutschland 10 bis 15 % der abgeworfenen Bomben immer noch im Erdreich befinden - das wären 100.000 Blindgänger.

Zeitgeschichte

Was in und mit Bayern passierte in den vergangenen sieben Dekaden: vieles davon findet sich im Luftbildarchiv wieder. Kriegszerstörung und Wiederaufbau, Flurbereinigung und das Wachsen der Städte, gespiegelt in Aufnahmen. die ein und denselben Ort zu verschiedenen Zeiten abbilden – die "Zeitreihen".

Wir danken Barbara Doll und Thomas Meier vom Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. Weitere Luftbilder aus anderen Teilen Bayerns und vieles mehr finden Sie im "BayernAtlas".


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