Es ist nach wie vor eines der größten Tabuthemen im Sport, dem sich die ehemalige Biathletin Miriam Neureuther und die ehemalige Weltklasse-Turnerin Kim Bui in der BR-Dokumentation "Hungern für Gold" widmen. Der Zwang zum Abnehmen im Sport - bis hin zu Essstörungen.
Ein Stück weit haben die beiden das Thema, das ihnen so sehr am Herzen liegt, alleine damit schon enttabuisiert. "Mir ist es sehr wichtig, dass man darauf aufmerksam macht, weil ich auch unter Druck gesetzt worden bin, Gewicht zu verlieren", sagte Miriam Neureuther in Blickpunkt Sport im BR Fernsehen am Sonntagabend (05.03.2023). "Ich weiß, was das mit einem macht, wenn du da stehst und denkst: 'Eigentlich bin ich ja gut, wie ich bin. Oder bin ich doch nicht gut, wie ich bin?'"
Neureuther und Bui: "Dunkelziffer ist viel größer"
Darüber reden hilft. Der Meinung ist auch Bui. Die beiden haben, seit vergangenem Montag - seitdem die Dokumentation in der ARD Mediathek - zu sehen ist, viele Nachrichten bekommen. "Die Dunkelziffer ist viel größer als diese 42 Prozent, von der da die Rede ist", sagen die beiden unisono. Damit meinen sie: 42 Prozent der Frauen alleine in ästhetischen Sportarten wie Turnen, Ballett oder der Rhythmischen Sportgymnastik leiden an Essstörungen.
Beide haben dabei unterschiedliche Erfahrungen. Miriam Neureuther verlor für den Sport viel Gewicht, Kim Bui geriet in den Teufelskreis der Bulimie. Gemeinsam mit Betroffenen sowie Expertinnen und Experten wollen Miriam Neureuther und Kim Bui in der BR-Dokumentation "Hungern für Gold" das Schweigen brechen, bestehende Systeme hinterfragen, Wege und Lösungen aus dem Teufelskreis der Essstörungen heraus suchen.

Kim Bui und Miriam Neureuther
Bui: "Das war der Beginn der Bulimie"
Am Sonntag in Blickpunkt Sport sprachen die beiden deshalb auch darüber, wie das Thema in ihre Sportkarrieren kam. Bei Bui fing es mit 15 Jahren an, "als meine Trainerin zu mir gesagt hat: 'Vielleicht achtest du mal ein bisschen mehr auf dein Gewicht.' Das kam dann immer öfter." Irgendwann glaube man das, wenn man es immer wieder hört, erzählte Bui.
Statt die Kohlenhydrate wegzulassen, wie man ihr nach einer Zeit riet, aß sie weiterhin Reis. Doch nachdem der Hunger gestillt war, kam dann das schlechte Gewissen, das Essen "musste wieder raus. Und das war der Beginn der Bulimie."
Neureuther: "Jetzt reicht's. Ich bin gut so, wie ich bin."
Auch Neureuther wurde zum Abnehmen gedrängt. Sie informierte sich, nahm sich schließlich vor mit Diäten abzunehmen. Was sie zwar schaffte - aber zu gut: Dann nahm sie nämlich statt der avisierten drei oder vier Kilogramm zehn Kilo ab - und konnte diese nicht mehr zunehmen. "Ich saß zu Hause, heulend bei meiner Mama am Tisch. Und sie hat gemeint: 'Warum tust du dir das an?'"
Diese Momente brachte sie zum Umdenken. Über die Biathlon-Saison hinweg, als mehr Wettkämpfe und weniger Trainingseinheiten stattfanden, hat sie schließlich wieder zugenommen. Am Ende war sie beim "Wohlfühlgewicht" angekommen, ehe sie sich bei einem Fahrradunfall mit vier Wirbelbrüchen schwer verletzte. Danach wurde ihr schnell wieder gesagt, dass sie zu schwer sei. "Das war für mich der Moment, an dem ich mir gedacht habe: Jetzt reicht's. Ich bin gut so, wie ich bin."
Eine Erkenntnis, die bei beiden über die Jahre gereift ist. Für Bui, die ihre Geschichte auch in einem Buch aufgeschrieben hat, zählt deshalb nun vor allem: "Wenn ich auch nur einem Betroffenen oder einer Betroffenen da draußen das Gefühl geben kann, er oder sie ist nicht alleine, dann war es das wert, meine Geschichte festzuhalten."

Kim Bui, ehemalige Turnerin
Doku mit Bui und Neureuther in TV und Mediathek
Die Dokumentation "Hungern für Gold" schon jetzt in der ARD Mediathek, das BR Fernsehen sendet den Film ebenfalls - am 8. März ab 22.00 Uhr.
Beratungsstellen für Essstörungen:
- Bundesfachverband Essstörungen e.V.: kontakt@bfe-essstoerungen.de
- ANAD e.V. Versorgungszentrum Essstörungen: kontakt@anad.de
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
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