01.12.2022, Katar, Al-Chaur,: Fußball, WM 2022 in Katar, Costa Rica · Deutschland, Vorrunde, Gruppe E, Spieltag 3, im Al-Bait Stadion, ein Fan Deutschlands nach dem Spiel mit einem durchgerissenen Pappschild. (zu dpa: «WM-Stimmung und geheime Bars: Wie sich zwei Turnierwochen anfühlen») Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Ein deutscher Fan nach dem Gruppenphasen-Aus in Katar.

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Jahresrückblick: Das war die FIFA WM 2022 in Katar

Selten wurde bei einem Turnier so viel über Politik geredet wie bei der WM 2022 in Katar. Auch wenn die FIFA alles unternahm, um das sportliche in den Vordergrund zu stellen, so wurde es dennoch sehr politisch. Ein Rückblick.

Dass Politik bei dieser WM eine große Rolle spielen wird, war von Anfang klar. Schließlich war Katar als Gastgeberland sehr umstritten. Zum ersten Mal musste das Turnier im Winter ausgetragen werden. Außerdem wurde der Umgang Katars mit seinen Gastarbeitern stark kritisiert.

Dass die katarische Bevölkerung Menschenrechte anders definiert, zeigte sich unmittelbar vor dem Turnierstart. In der ZDF-Doku "Geheimsache Katar" bezeichnete der offzielle WM-Botschafter Khalid Salman Homosexualität als "geistigen Schaden".

Infantinos fragwürdige Pressekonferenz zum Turnierstart

Daraufhin erreichte die Kritik ihren Höhepunkt. Gerade in Deutschland forderten viele, die WM zu boykottieren. Die Stimmen eines Boykotts wurden so laut, dass sich FIFA-Präsident Gianni Infantino einen Tag vor dem Eröffnungsspiel gezwungen sah, eine beispiellose Pressekonferenz zu geben.

In dieser behauptete er zu wissen, wie sich die Kataris oder Arbeitsmigranten fühlen würden ("Today I feel Qatari. Today I feel Arab. Today I feel African. Today I feel gay. Today I feel disabled. Today I feel a migrant worker.") und warf dem Westen Doppelmoral vor. Er selbst sei aufgrund seiner roten Haare als Kind gehänselt worden und könne deshalb mitfühlen, so die fragwürdige Begründung Infantinos.

DFB lässt sich "One Love"-Binde verbieten

Um die Kritik des Westens an der Menschenrechtssituation zum Ausdruck zu bringen, wollten der DFB und andere europäische Fußball-Verbände mit der "One Love"-Binde ein Zeichen setzen - das führte schon vor Beginn der WM zum Aufreger-Thema. Trägt Manuel Neuer im Auftaktspiel gegen Japan die "One Love"-Binde oder nicht? Der DFB-Kapitän trug sie nicht, der Weltverband FIFA hatte sich unter der Androhung drastischer Strafen gegen die europäischen Verbände durchgesetzt.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf räumte im Nachgang Fehler ein. Man hätte, so Neuendorf, "den direkten Draht zu Gianni Infantino suchen und ihn nach der Haltung der FIFA fragen müssen".

DFB-Elf mit Hand vor dem Mund

Der Wirbel überschattete den Turnierstart - und der ging für das DFB-Team ordentlich schief. Bei der Mannschaftsaufstellung vor dem Auftaktspiel gegen Japan hielten sich die Nationalspieler demonstrativ den Mund zu, um auf dem Maulkorb hinzuweisen, den ihnen die FIFA verpasst hatte. Doch vor lauter Zeichensetzen vergaß das Team von Bundestrainer Hansi Flick, warum man überhaupt nach Katar gereist war: Um Fußball zu spielen.

Erneutes Aus in der Gruppenphase

Der Traum vom fünften Stern endete schnell. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft reiste von der WM in Katar wie schon 2018 bereits nach der Gruppenphase ab. Die DFB-Auswahl eine Turniermannschaft? Das war einmal. Fehlstart gegen Japan (1:2), Mutmacher gegen Spanien (1:1), Pflichtsieg gegen Costa Rica (4:2) - Hansi Flicks erstes Turnier als Bundestrainer war ein Fiasko. Der 57-Jährige darf seinen bis zur Heim-EM 2024 laufenden Vertrag trotz eigener Fehler erfüllen.

Bierhoff geht, Flick darf bleiben

"Flick", betonte Präsident Bernd Neuendorf, sei die "ideale Besetzung". Dafür gingen der DFB und Oliver Bierhoff nach 18 Jahren getrennte Wege. Nach drei Turnier-Enttäuschungen soll auch durch die Hilfe eines namhaft besetzten Expertengremiums das havarierte Nationalmannschaft-Schiff wieder flott gemacht werden. Bei der Heim-EM in 18 Monaten muss fast schon ein Sommermärchen 2.0 geschrieben werden. "Wir haben für die EM den einen Schuss, der sitzen muss", sagte Neuendorf.

Iranische Spieler singen Hymne nicht mit

Dass der DFB bei der "One Love"-Binde so leicht klein beigegeben hatte, sorgte in Deutschland für Kritik. Wohl auch, weil die iranischen Spieler sich weigerten, im ersten Gruppenspiel gegen England die Nationalhymne mitzusingen, um auf die Proteste im Land gegen das iranische Regime aufmerksam zu machen.

Diese Art des Protests hatte deutlich mehr als nur sportliche Konsequenzen. Im zweiten Gruppenspiel sangen die Iraner wieder die Hymne, wohl aber nur, weil auf ihre Familien zuhause massiver Druck seitens des Regimes ausgeübt worden war.

Weltregie zeigt Flitzer nicht

Ermittlungen der FIFA gab es für die iranischen Spieler übrigens nicht. Auf den Tribünen wurden aber regelmäßig politische T-Shirts, die sich mit den Protesten solidarisierten, von den Ordner konfisziert. Einem Flitzer gelang es im Spiel der Portugiesen gegen Uruguay aber dennoch, die ganz große Weltbühne für seine Botschaften zu nutzen.

Mit einem "Save Ukraine"-Superman-T-Shirt und einer Regenbogenflagge stürmte er den Platz. Die Weltregie wechselte sofort das Bild, sodass der Zuschauer wenig mitbekam. ARD-Kommentator Tom Bartels nannte das Nicht-Zeigen in der laufenden Übertragung "lächerlich".

Marokko als größte Überraschung der WM

Doch nicht nur außersportlich war bei dieser WM einiges geboten, auch die Spieler auf dem Platz sorgten für zahlreiche Highlights. Einige Mannschaften überraschten - positiv wie negativ. Während das Aus der DFB-Elf in der Gruppenphase sicher zu den negativen Überraschungen zählte, sorgten die Marokkaner beispielsweise für positive Schlagzeilen.

In der Vorrunde hatten sich die "Löwen vom Atlas" in einer Gruppe mit Belgien und Kroatien als Erster durchgesetzt. Im Achtelfinale besiegten die Nordafrikaner Spanien im Elfmeterschießen und im Viertelfinale hatte Portugal das Nachsehen. Erst im Halbfinale war der spätere Vizeweltmeister Frankreich eine Nummer zu groß. Trotzdem stellten die Marokkaner einen neuen WM-Rekord auf.

Noch nie stand ein afrikanisches Team in einem WM-Halbfinale. Das Spiel um Platz drei ging am Ende gegen Kroatien verloren, sodass Marokko das Turnier als Vierter beendete.

Die Bestmarken der WM

Bei dieser WM wurden wieder zahlreiche Bestmarken aufgestellt:

TORE: In den 64 Partien der Weltmeisterschaft in Katar fielen insgesamt 172 Tore - dies entspricht einem Schnitt von 2,68 Treffern pro Spiel. Der Tor-Rekord bei Endrunden von 2014 und 1998 (jeweils 171 Tore) wurde damit gebrochen.

TORJÄGER: Frankreichs Superstar Kylian Mbappe hat sich als dreifacher Endspieltorschütze mit acht Treffern den Goldenen Schuh als bester WM-Goalgetter gesichert. Auf dem zweiten Platz folgt Weltmeister Lionel Messi (7). Harry Kane hatte 2018 in Russland mit sechs Toren für die Auswahl der Three Lions triumphiert.

REKORDTORJÄGER: Ist nach wie vor Miroslav Klose mit 16 Treffern vor dem Brasilianer Ronaldo mit 15 Treffern und Gerd Müller (14). Lionel Messi hat mit seinen beiden Toren im Finale Pele (12) hinter sich gelassen und rangiert mit Just Fontaine auf dem geteilten vierten Rang. Kylian Mbappe liegt gleichauf mit Pele auf Rang fünf.

REKORDSPIELER: Der frisch gebackene Weltmeister Lionel Messi ist mit seinem 26. Einsatz im Finale gegen Frankreich zum WM-Rekordspieler aufgestiegen und hat Lothar Matthäus (25) damit hinter sich gelassen.

PREMIERE: Stephanie Frappart hat als erste Schiedsrichterin ein Spiel bei einer Männer-WM geleitet. Die Französin pfiff das Duell zwischen Deutschland und Costa Rica.

Was bleibt von dieser WM?

Diese Rekorde bleiben natürlich genauso wie die zahlreichen Skandale bei dieser WM. Das Turnier wird sicher als eines der politischsten jemals in die Geschichte eingehen. Für die deutsche Mannschaft dürfte es aber eine Lehre sein, dass man Fußball und Politik nicht zu sehr vermischen sollte. Sonst leidet am Ende der Erfolg darunter.