Die WM in Katar ist das erste große Turnier nach der Ära Löw, die nach 15 Jahren unrühmlich zu Ende ging: Das bittere EM-Aus gegen England 2021 und die verpasste Endrunde als Titelverteidiger bei der WM 2018 - die deutsche Nationalmannschaft erntete viel Häme und bekam kaum noch Zuspruch von den erfolgsverwöhnten Fans.
Doch dann kommt Hansi Flick - und verspricht in einem ARD-Hörfunk-Interview vor seinem ersten Spiel als Bundestrainer "erfolgreichen, schönen, modernen und aktiven Fußball." Und die ersten Spiele unter Flick laufen so wie er es angekündigt hat: Die deutsche Nationalmannschaf siegt unter Flick acht Mal in Folge - absoluter Startrekord für einen Bundestrainer. Größtenteils zeigt das Team herrlichen Kombinationsfußball - die verloren geglaubte Spielfreude scheint wieder vorhanden zu sein.
Probleme der deutschen Mannschaft
Doch ausgerechnet im WM-Jahr fängt der DFB-Motor wieder das stottern an - nur ein Sieg aus sieben Länderspielen, das Finalturnier der Nations League wird verpasst. Vor allem bei der 0:1-Niederlage gegen Ungarn fehlt es dem Spiel an Ideen, die Mannschaft hat Probleme beim Spielaufbau.
Flick nimmt den Großteil der Schuld auf sich, verweist auf Aufstellungsfehler und setzt bei den Spielern weiter auf die eigene Stärke. Er sei ein Trainer, betont Flick, "der die Spieler lieber einen Kopf größer macht. Das bringt am Ende vielleicht den einen oder anderen Sieg mehr".
Flick setzt auf Wertschätzung und Kommunikation als Erfolgsrezept
Ist es diese Einstellung, die Flick von Joachim Löw unterscheidet? Löw wirkte in seinen letzten Spielen ratlos, hielt an seinen Spielideen trotz Kritik fest und scheiterte. Der ehemalige Bundestrainer schien keinen Zugriff mehr auf die Mannschaft zu haben. Dem Team fehlte es unter Löw vor allem an einem: Kommunikation.
Und die hat bei Flick oberste Priorität: "Kommunikation ist mir wichtig, es ist auch eine Frage von Wertschätzung, einander zuzuhören und sich auszutauschen", sagt Flick. Die Spieler sollen sich "gegenseitig unterstützen, coachen, pushen. Ich will Leben auf dem Platz sehen". Mit diesem "Erfolgsrezept" formte er seinerzeit auch beim FC Bayern aus einem Haufen Spieler ohne Selbstvertrauen ein erfolgreiches Team - und holte mit dem Rekordmeister insgesamt sieben Titel.
"Wertschätzung", "Kommunikation", "Klarheit" - das sind die zentrale Begriffe, wenn Flick über seine Arbeit redet. Er nimmt die Stimmung in der Mannschaft wahr - und weiß, wann er mehr, wann weniger Druck ausüben muss.
Flick kann sich in den Spieler hineinversetzen
Vielleicht versteht Flick seine Spieler auch so gut, weil er selbst einer von ihnen war, weil er weiß, wie sich Niederlagen anfühlen und wie es ist, nur auf der Ersatzbank zu sitzen. "Richtig miteinander zu kommunizieren, das kostet viel Zeit. Ich versuche, nicht impulsiv zu sein, immer zu überlegen: Wann ist der richtige Zeitpunkt? Was ist das richtige Umfeld? Allein? Oder in kleinen Gruppen? Damit der ein oder andere auch noch mal davon profitieren kann. Es darf nie ins Persönliche gehen – nie!", sagte Flick einmal in einem Interview mit der Zeit.
Diese "Menschenversteher"-Mentalität erinnert an große Kollegen wie Jupp Heynckes oder Ottmar Hitzfeld. Beim DFB zeigte er diese Gabe bereits mehrfach, geht einfühlsam mit seinen Sorgenkindern um wie Leroy Sané: Der hatte in der letzten Saison Probleme beim FC Bayern, zeigte eine problematische Körpersprache und konnte seine Leistung nicht abrufen, so dass er von den eigenen Fans ausgepfiffen wurde. Flick ließ ihn nicht fallen. Der offensive Mittelfeldspieler kam gestärkt von den Länderspielen wieder und gehört nun zu den Leistungsträgern beim Rekordmeister.
- Zur Übersicht: Hier sehen und hören Sie die WM-Spiele der DFB-Elf
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