Manuel Neuer
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Fußball-WM: Fifa stoppt "One-Love"-Binden

Es ist der zweite Tag der Fußball-WM, und es gibt wieder Ärger. Dieses Mal geht es um die bunte "One-Love"-Armbinde, ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Toleranz. DFB-Kapitän Neuer wollte sie tragen. Die Fifa hat die Aktion nun gestoppt.

Über dieses Thema berichtete BR24 am .

Der Deutsche Fußballbund (DFB) verzichtet nach der Androhung von Sanktionen durch die Fifa auf die "One Love"-Kapitänsbinde für Manuel Neuer. Nach Beratungen der Arbeitsgruppe der Europäischen Fußball-Union Uefa mit dem Fußball-Weltverband sei entschieden worden, das Risiko einer möglichen Gelben Karte oder anderer sportlicher Sanktionen während der WM in Katar nicht einzugehen.

Fifa-Armbinde statt "One Love"-Botschaft

"Dass die Fifa uns auf dem Platz bestrafen will, ist einmalig und geht gegen den Geist des Sports, der Millionen verbindet", hieß es vom niederländischen Verband KNVB. Weiter teilte der Verband mit: "Wir stehen zur 'One Love'-Botschaft und werden diese weiter verbreiten, aber unsere oberste Priorität ist es, Spiele zu gewinnen. Da möchte man nicht, dass der Kapitän das Spiel mit einer Gelben Karte beginnt."

Entsprechend führte Abwehrstar Virgil van Dijk die Niederlande zu ihrem WM-Auftakt gegen den Senegal mit der Kapitänsbinde der Fifa auf das Feld, auf der der Slogan "No Discrimination" ("keine Diskriminierung") zu lesen ist - statt wie geplant mit der "One Love"-Armbinde.

Geldstrafen wären noch in Kauf genommen worden, aber keine Sanktionen gegen die Mannschaft. "Wir können unsere Spieler jedoch nicht in die Situation bringen, dass sie verwarnt oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen", hieß es in der Erklärung der Verbände, zu denen auch der Deutsche Fußballbund (DFB) zählt. Der DFB sei "sehr frustriert über die Fifa-Entscheidung".

Auch andere Nationen ziehen bei "One Love"-Binde zurück

Neben Deutschland hatten auch England, Wales, Belgien, Dänemark, die Niederlande und die Schweiz geplant, die vielfarbige Kapitänsbinde mit einem Herz zu tragen. Der erste Kapitän, der während der Endrunde offen gegen die Fifa-Regularien verstoßen hätte, wäre Englands Harry Kane im Spiel um 14 Uhr gegen den Iran gewesen.

"Wir waren bereit gewesen, Strafen zu zahlen, was normalerweise bei Verstößen gegen Kleider-Regularien der Fall wäre. Dennoch konnten wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie eine Gelbe Karte bekommen könnten oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen", hieß es in der von der englischen FA verbreiteten gemeinsamen Stellungnahme.

DFB-Präsident Neuendorf ändert seine Meinung

Noch am Sonntag hatte der DFB-Präsident Bernd Neuendorf zwar von Meinungsverschiedenheiten mit der Fifa gesprochen, jedoch auch geäußert: "Wir haben gesagt, wir bleiben dabei, dass wir mit der Binde auflaufen. (...) Wir haben mit langem Vorlauf die Fifa immer wieder darauf hingewiesen, dass wir mit dieser Binde auflaufen wollen, es gab keine Reaktion der Fifa dazu."

Nach Beratungen am Montag änderten die Verbände dann doch noch ihre Meinung. Neuendorf beteuerte zugleich: "Wir erleben einen beispiellosen Vorgang in der WM-Geschichte. Die von der Fifa herbeigeführte Konfrontation werden wir nicht auf dem Rücken von Manuel Neuer austragen", sagte der DFB-Präsident.

Neuendorf: "Machtdemonstration der Fifa"

Die Spitze des Deutschen Fußball-Bundes kritisierte das Fifa-Verbot für die "One Love"-Kapitänsbinde von Neuer scharf. "Es handelt sich aus meiner Sicht um eine Machtdemonstration der Fifa", so Neuendorf. Er glaube nicht, dass sich der DFB dem Vorwurf aussetzen müsse, "dass wir eingeknickt sind". Neuendorf verwies darauf, dass der DFB Fifa-Präsident Gianni Infantino keine Stimme für dessen Präsidentschaftswahl im kommenden März zugesagt hatte. "Das war ein deutliches Signal Richtung Fifa, dass wir nicht bereit sind, bestimmte Dinge, die seitens der Fifa kommen, mitzutragen."

DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff äußerte, es fühle sich "schon stark nach Zensur an". Bierhoff berichtete, dass das Verbot auch für die Spieler frustrierend sei. "Auch für Manuel ist es eine schwierige Situation", sagte der Ex-Profi. 

"Love" auf dem Kragen: Fifa verbietet auch belgische Auswärtstrikots

Angeblich aus kommerziellen Gründen hat die Fifa auch die Auswärtstrikots der belgischen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM-Endrunde verboten. Auf dem Trikot-Kragen ist das Wort "Love" zu erkennen. Dies ist der Name der Kollektion, die Fifa-Hauptsponsor Adidas zusammen mit "Tomorrowland" kreiert hat. Das gleichnamige Elektronik-Musikfestival gehört indes nicht zu den Unterstützern der Weltmeisterschaft. "Es ist traurig, aber die Fifa lässt uns keine Wahl. Der Rest des Trikots bleibt unverändert", sagte der belgische Verbandspräsident Peter Bossaert der Tageszeitung "Het Niewsblad". Der WM-Dritte von 2018 bestreitet sein erstes Gruppenspiel am Mittwoch gegen Kanada. Das nunmehr "lieblose" Auswärtstrikot kommt möglicherweise erstmals in der letzten Vorrundenbegegnung am 1. Dezember gegen Vize-Weltmeister Kroatien zum Einsatz.

Künast: "@DFB, das ist echt schwach"

Aus der Politik gab es auch Kritik am Deutschen Fußball-Bund (DFB). "Noch ein Grund nicht zu schauen! #FIFAWorldCupQatar2022 und an @DFB, das ist echt schwach", schrieb Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen). Ihr Parteikollege Konstantin von Notz schrieb ebenfalls bei Twitter: "Finde ich eine abstruse, falsche und beschämende Entscheidung. Was ist die #FIFA nur für ein unterirdischer Laden!"

Die FDP-Politikerin Renata Alt, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sagte einer Mitteilung zufolge: "Dass der DFB und andere europäische Verbände sich dem Druck der Fifa unterwerfen und die One Love-Binde nicht länger tragen werden, ist enttäuschend. Dass die Fifa aber mit Punktabzug für ein derartiges Bekenntnis zu Menschenrechten gedroht hat, ist skandalös. Menschenrechte sind universell gültig und keine politische Botschaft!"

Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger kritisierte Fifa-Präsident Gianni Infantino für die angedrohten Sanktionen im Zusammenhang mit der "One Love"-Kapitänsbinde. "Infantino hat es sogar geschafft, die Mannschaften zu zwingen, die #OneLove-Binde nicht zu tragen. Wie erbärmlich?! Wie wäre es mit Regenbogen-Schnürsenkeln?", schrieb der 40-Jährige bei Twitter.

Auch Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich positionierte sich in einem Twitter-Post deutlich gegen die Haltung der Fifa. "Ich suche nach der Regelgrundlage für die Entscheidung seitens der Fifa, das Tragen der OL Binde mit Gelb zu sanktionieren… Ich finde sie nicht", schrieb der 43 Jahre alte Hamburger. "Alle werden instrumentalisiert. Traurig und unfassbar! Auch hier nur indirekt ohne Grundlage für Gelb, oje!".

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete die Sanktions-Drohung der Fifa gegen Spieler, die bei der WM in Katar mit einer "One Love"-Armbinde auflaufen, als "grotesk". "Die Fifa fährt schweres Geschütz gegen einzelne Spieler auf, um nationale Fußballverbände daran zu hindern, sich für Menschenrechte auszusprechen", erklärte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko.

Fifa bringt kurzfristig eine eigene Kapitänsbinde

Die "One Love"-Kampagne war eine im September angekündigte gemeinsame Aktion der Teams aus Deutschland, England, den Niederlanden, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich, Dänemark sowie Norwegen und Schweden, die beide nicht für die WM qualifiziert sind. Frankreichs Kapitän Hugo Lloris hatte frühzeitig angekündigt, die Binde nicht zu tragen.

Die Fifa hatte dann am Freitag - zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel - eigene neue Kapitänsbinden vorgestellt. "Die teilnehmenden Mannschaften erhalten während der Spiele über die Armbinden der Mannschaftskapitäne die Möglichkeit, Botschaften zu übermitteln", hatte der Weltverband mitgeteilt. Die Botschaften hatte sich die Fifa laut Mitteilung gemeinsam mit drei Organisationen der Vereinten Nationen ausgedacht.

Mit Informationen von AFP, dpa und SID.

ARD-Reporterin Lea Wagner
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