Erst einmal musste FC Augsburg-Trainer Manuel Baum schmunzeln. Als nämlich ein Reporter den Mehmet-Scholl-Spruch zitierte, dass Nachwuchsspieler immer weniger dribbeln könnten, dafür aber "18 Systeme rückwärts laufen und furzen", könnten. Nein, gehört hatte er vom Rundumschlag des früheren Bayern-Kickers, der in seiner Sendung "Mehmets Schollplatten" auf Bayern 2 zum Rundumschlag gegen Systemtrainter angesetzt hatte.
Baum: Nicht in Extremen denken
Zu sagen hatte Baum dann aber doch recht viel. Denn von 2014 bis 2016 war der Landshuter Chef des Nachwuchsleistungszentrums beim FC Augsburg und damit für die passende Dosierung der Trainingsinhalte von jungen Kickern zuständig. Was ist also wichtiger: Nachwuchsspielern alle Freiheiten geben, wie es Mehmet Scholl fordert? Oder diesen doch schon früh verschiedenste Spielsysteme nahe bringen? "Ich denke, die beiden Extreme sind nicht zu hundert Prozent zielführend", sagte Baum im Rahmen der Abschlusspressekonferenz vor dem Bundesliga-Spiel gegen Hertha BSC (Sonntag, 18.00 Uhr) am Freitag (08.12.17): "Das heißt, wenn ich nur nach Schablonen arbeite, macht es keinen Sinn. Oder wenn ich nur den Spielern sage: Jetzt spielt's mal, wie ihr Lust habt - das macht auch keinen Sinn."
Wie so oft: Die Mischung macht's
Baum legte Wert darauf, dass er die Trainingssteuerung im Nachwuchsbereich natürlich nur aus Augsburger Sicht beurteilen könne. Bei den Schwaben sei es "so, dass wir natürlich ein gesundes Verhältnis hinkriegen müssen zwischen den Vorgaben und der Kreativität. Ich finde es immer ganz interessant: Die Spieler wollen eigentlich eine klare Vorgabe haben, aber in der Vorgabe dann frei sein. Und irgendwo beißt sich das ja." Beides zusammen, also Dribbeln und Spielsysteme lernen als kaum machbar? "Das ist ja die Kunst, dass man hinkriegt, dass die Spieler das Gefühl haben: Ok, man arbeitet in einem gewissen Konstrukt zusammen, man kann aber selbst kreativ werden", so Baum weiter: "Und wenn man das hinkriegt und miteinander gut kombinieren kann, dann glaube ich, ist man auf dem richtigen Weg."
Wie umgehen mit "unbequemen" Spielern?
Ein weiterer Vorwurf von Scholl: Straßenfußballer wie Franck Ribéry oder auch unbequeme Kicker wie Stefan Effenberg würden "aussortiert" und hätten heutzutage kaum noch Chancen, nach ganz oben zu kommen. "Auch wieder aus dem Nähkästchen Nachwuchs", plauderte Baum: "Da gibt es immer wieder unterschiedliche Charaktere. Die Frage 'Was ist ein unbequemer Spieler?' muss man sich dann stellen. Und die andere ist: Wie gehe ich mit den unterschiedlichen Charakteren um? Und die Herangehensweise bei uns im Verein ist, dass man auf jeden Einzelnen eingeht und versucht, unterschiedlich mit ihm zu kommunizieren und zu vermitteln. Und ich denke, dann kriegt man auch - was auch immer 'unbequem' ist - Spieler so in die Richtung, dass sie im Team funktionieren."
Überhaupt konnte Baum dem Begriff "unbequem" aber etwas abgewinnen. Was sei ein unbequemer Spieler? Ein Beispiel im positiven Sinne nannte er aus dem eigenen Team: "Wenn ich zum Beispiel einen Daniel Baier bei uns anschaue - das ist zwar nicht der Lautsprecher nach außen, aber das ist ein absoluter Leader bei uns in der Mannschaft. Und der kann auch unbequem sein."
Stuttgarts Reschke kontert Scholl: "Oberflächlich"
Scholls Aussagen hatten zuvor schon Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke auf den Plan gerufen. Scholl hatte in seiner Radiosendung namentlich Schalke-Coach Domenico Tedesco und Stuttgarts Übungsleiter Hannes Wolf kritisiert. "Die Tedescos, die Wolfs, sie sprießen aus dem Boden und der deutsche Fußball wird sein blaues Wunder erleben, weil das, was da oben ankommt in der Spitze ist okay, sind nicht wirklich an Menschen und an den Fußballern interessiert", so Scholl.
Im Gespräch mit dem Fachmagazin "kicker" verteidigte Reschke Wolf mit klaren Worten. Wolf sei ein "Trainer, der junge Spieler akribisch und erfolgreich formt und auf ein nächstes Level hebt." Vor seinem Engagement in Stuttgart hatte Wolf unter anderem erfolgreich Jugendmannschaften von Borussia Dortmund gecoacht und zu Deutschen Meisterschaften geführt. "Ich finde es traurig, dass Mehmet Scholl sich zum wiederholten Male in Oberflächlichkeit ergießt und hoffe zumindest für ihn, dass er seine Aussagen selbst nicht so ernst nimmt", wird Reschke zitiert.