"Es geht ganz einfach: Man muss es übers Internet beantragen, an den Verein geben und dann werden die 40 Euro verrechnet", erklärt Doris Panacek. Sie ist die Geschäftsführerin des Turnvereins Augsburg (TVA), dem mit 4.450 Mitgliedern größten Breitensportverein der Stadt. Sie sieht das Angebot der Bundesregierung als einen Ansporn für Sportinteressierte, sich die eigenen Heimatvereine mal genauer anzusehen. Für die Vereine sei es eine Erleichterung auch im Wettkampf mit den Fitnessstudios, in dem die Sportvereine inzwischen stehen.
Ersparnis besonders für Familien
150.000 dieser 40-Euro-Gutscheine stellt die Bundesregierung zur Verfügung. Voraussetzungen gibt es nur wenige, der Gutschein ist aber nur für diejenigen gedacht, die ganz neu in einen Verein eintreten. Und er muss innerhalb von vier Wochen nach Beantragung eingelöst werden. Seit Beginn der Aktion sind laut Panacek bereits fünf Personen mit dem Gutschein in den TVA eingetreten. Sie sieht das Angebot zum Beispiel als große Unterstützung für Familien. Die können sich bis zu drei Gutscheine holen und damit 120 Euro sparen. Die Mitgliedsbeiträge für Kinder lägen bei den meisten Vereinen in Augsburg zwischen sechs und neun Euro pro Monat, so Panacek.
BLSV-Präsident: "Jeder findet ein Angebot im Sportverein"
Grundsätzlich soll der Gutschein aber alle ansprechen. "Wir kriegen Menschen, die sich sonst vielleicht fürs Fitnessstudio entscheiden würden, über den Gutschein jetzt eher in den Verein", meint Jürgen Enninger, Sportreferent der Stadt Augsburg. Und auch Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV), meint: "Man findet immer irgendwo ein passendes Angebot im Sportverein!"
Sportvereine wollen staubiges Image ablegen
Doris Panacek vom Turnverein Augsburg hofft, dass die Sportvereine durch die erhöhte Aufmerksamkeit auch einen Teil ihres angestaubten Images verlieren. Darüber tauscht sie sich regelmäßig auch mit den Verantwortlichen der 14 Bayerischen Großsportvereine aus – dazu gehören etwa der Post-SV Nürnberg, Wacker Burghausen oder der ASV Dachau. Die Vereine seien heute modern ausgestattet, hätten Krafträume oder Fitnessstudios. Aber Sportvereine böten auch noch viel mehr: "Es gibt immer mehr Single-Haushalte, immer mehr Menschen, die vereinsamen, und da bietet ein Sportverein in einer völlig unkomplizierten Atmosphäre auch die Gelegenheit, andere Menschen kennenzulernen", meint Panacek.
Neue Mitglieder nach der Corona-Pandemie
Die Gutscheine sollen den Sportvereinen speziell nach der Corona-Pandemie helfen, wieder Mitglieder dazuzugewinnen. Ende 2019 sei bei den bayerischen Sportvereinen die mit Abstand höchste Mitgliederzahl gemessen worden, so Jörg Ammon, Präsident des BLSV. Dann sei die Pandemie gekommen und die Zahlen seien zurückgegangen. Inzwischen hätten sich die Mitgliedszahlen allerdings wieder erholt, auch wegen der Arbeit der Sportvereine, so Ammon.
Motivation funktioniert bei Kindern und Älteren am Besten
Doris Panacek hat während der Pandemie auch einen Unterschied zwischen Stadt und Land festgestellt. Den kleineren Vereinen auf dem Land hätten die Mitglieder eher die Treue gehalten. Die großen Vereine in der Stadt hätten dagegen teilweise zehn Prozent Mitgliederschwund gehabt. Das liege auch daran, dass die Mitglieder die Arbeit der größeren Vereine eher als Dienstleistung begriffen, meint Panacek. Auch der TVA hatte im Zuge der Pandemie zwischen 500 und 600 Mitglieder verloren. Durch verschiedene Aktionen habe man versucht, die "Menschen wieder von den Sofas und in die Vereine zu bringen", meint Panacek. Bei den Kindern funktioniere das gut, weil die Eltern die Notwendigkeit sähen. Auch die ältere Generation könne motiviert werden. "Was fehlt, sind so die Menschen ab 30 oder 35. Die haben noch keine gesundheitlichen Einschränkungen, wo man sagt, man muss jetzt mal was tun."
Aufmerksamkeit für ehrenamtliches Engagement
Auch die junge Generation um die 18 Jahre fehle nach der Pandemie, meint Panacek. Das Problem daran: Gerade diese Altersgruppe wird von den Sportvereinen für die ehrenamtliche Arbeit oder als Übungsleiter oder –leiterin akquiriert. Viele der Ehrenamtlichen seien nach der Pandemie unschlüssig, ob sie sich weiter verpflichten wollten. "Es ist eine schöne Sache, aber es hat natürlich auch was mit Verantwortung zu tun. Denn, wenn ich eine Stunde übernehme, muss ich natürlich da sein", meint Panacek. Bayernweit stellt auch Jörg Ammon einen Rückgang derjenigen fest, die sich langfristig engagieren, etwa als Vorsitzender oder Schatzmeister. "Einfach Tätigkeiten, die ganz genauso dazugehören", so Ammon. Auch darauf soll mit dem Gutschein aufmerksam gemacht werden, dass man sich wieder stärker engagiert.
150.000 Gutscheine für über 83 Millionen Bürgerinnen und Bürger
Dass 150.000 Gutscheine bei über 83 Millionen Bundesbürgern nicht viel sind, ist dabei allen Beteiligten klar. Jörg Ammon sieht die Kampagne aber nur als Einstieg. Und auch der Augsburger Sportreferent Jürgen Enninger ist sich sicher: "Wenn der jetzt stark nachgefragt wird, dann wird der Bund sicher auch noch mal nachlegen. Das ist so ein bisschen wie beim 9-Euro-Ticket."
Sportvereine planen bereits weitere Kampagnen
Gleichzeitig wollen sich die Sportvereine aber nicht auf dem Angebot des Bundes ausruhen. Die Stadt Augsburg hat mit der Kampagne "Augsburg bewegt" eine eigene Aktion ins Leben gerufen, bei der die Vereine zum Beispiel über einen Fördertopf unterstützt werden. Und auch der BLSV plant laut Jörg Ammon weitere Kampagnen, die sich speziell an unterschiedliche Altersgruppen und Fitnesszustände richten sollen.
Gutschein als "letzter Sprung über die Hürde"
Dass das funktionieren kann, zeigt seiner Meinung nach etwa ein Programm mit Gutscheinen für Grundschüler, die der BLSV im Schuljahr 2021/22 gestartet hatte. Über 30.000 Grundschüler hätten ihren Gutschein dabei eingelöst. Fast 95 Prozent davon seien nach wie vor in ihrem Verein Mitglied, obwohl sie den Mitgliedsbeitrag komplett zahlen müssen. Ähnliches erhofft sich Ammon von den 40-Euro-Gutscheinen: einen Motivationsschub für Sportinteressierte, ein "letzter Sprung über die Hürde".
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