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Chronologie Missbrauch in der katholischen Kirche

2010 wurde der Skandal um sexuellen Missbrauch und körperlicher Gewalt in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Eine Chronologie von erschütternden Fällen, die zum Teil erst nach Jahrzehnten bekannt wurden.

Stand: 17.07.2017

  • Oktober 1995
    Videokassetten | Bild: colourbox.com

    Oktober 1995

    Kinderpornos bei Gilchinger Pfarrer

    Im Oktober 1995 wird gegen einen 44 Jahre alten Pfarrer aus Gilching bei München wegen des Besitzes von Kinderpornos auf Videokassetten ermittelt. Der Pfarrer wird vom Dienst suspendiert.

  • September 1996
    Symbolbild: Junge Messdiener schwenken Weihrauchgefäße | Bild: picture-alliance/dpa

    September 1996

    225 Missbrauchsfälle im Emsland

    Ein 65 Jahre alter Priester aus Haren im Emsland wird im September 1996 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Der Pfarrer soll sich acht Jahre lang in 225 Fällen an 14 Messdienern und Erstkommunikanten vergangen haben.

  • April 1999
    Symbolbild: Kinderhände an einer Milchglasscheibe | Bild: colourbox.com

    April 1999

    59 Missbrauchsfälle im schwäbischen Wald

    Ein 39 Jahre alter Pfarrer aus dem schwäbischen Ort Wald wird im April 1999 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihm wird sexueller Missbrauch in 59 Fällen vorgeworfen. Opfer waren zwei Jungen und ein Mädchen im Alter von elf bis 14 Jahren.

  • Oktober 2000

    Oktober 2000

    Haftstrafe nach Nötigung zu Oralverkehr

    Ein 45 Jahre alter Priester aus Südbaden wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Pater einer konservativen Bruderschaft hatte sich an zwei Jungen im Alter von sechs und acht Jahren sexuell vergangen und einen von ihnen zum Oralverkehr gezwungen.

  • April 2002
    Gewitterwolken ziehen über den Petersdom | Bild: picture-alliance/dpa

    April 2002

    Meldung nach Rom wird erstmals bekannt

    Ein 40-jähriger Pfarrer aus dem unterfränkischen Sandberg erstattet bei der Polizei Selbstanzeige, dass er einen Jungen sexuell missbraucht habe. Die Diözese Würzburg enbindet den Mann von seinen priesterlichen Pflichten mit sofortiger Wirkung und informiert die römischen Behörden. Es ist das erste Mal, das ein solcher Rapport an den Vatikan öffentlich bekannt wird.

  • Juli 2002
    Symbolbild: Eine Person blickt auf einen Bildschirm mit pornografischem Inhalt | Bild: picture-alliance/dpa

    Juli 2002

    58.000 Kinderporno-Fotos in Krefeld

    Im Juli 2002 wird bekannt, dass bei einer Durchsuchung des Pfarrhauses St. Josef in Krefeld 58.000 Kinderporno-Bilder und 300 Videokassetten gefunden worden seien, die größtenteils vom Pfarrer der Gemeinde erstellt worden seien. In den 1990er-Jahren hatte der Mann, der einem lokalen Pädophilen-Netzwerk angehört haben soll, mehrere Jungen missbraucht. Der Pfarrer wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und aus dem Klerikerstand entlassen.

  • Mai 2003

    Mai 2003

    Im Mai 2003 wird der Pfarrer Franz K. vor dem Landgericht in Weiden in der Oberpfalz wegen Missbrauchs von zwölf Jungen und Veruntreuung von Kirchengeldern zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anklage spricht von über 40 Fällen. Schon 1992 waren sexuelle Übergriffe von K. in Nittenau bekannt und im Regensburger Ordinariat gemeldet geworden. Daraufhin versetzte ihn die Diözese zunächst nach Landshut. Dort wurde er erneut straffällig. Danach wurde er nach Georgenburg versetzt.

  • Juli 2008
    Bistumshaus St. Otto in Bamberg | Bild: picture-alliance/dpa

    Juli 2008

    Bamberger Domkapitular enttarnt

    Im Juli 2008 wird bekannt, dass ein Priester von 1978 bis 1984 mehrere Schüler des von ihm geleiteten Ottonianums, eines Knabenseminars des Erzbistums Bamberg, sexuell missbrauchte. Die Diözese entbindet den Priester - inzwischen Domkapitular und Personalchef der Erzbistums - von seinen Aufgaben. Die Staatsanwaltschaft Bamberg nimmt Ermittlungen auf, stellt aber das Verfahren wegen Verjährung ein. 2012 versetzt ihn das Kirchengericht des Erzbistums München und Freising wegen sexuellen Missbrauchs in den Dauer-Ruhestand und beschließt, dass er den Titel "Domkapitular" nicht mehr führen darf.

  • Februar 2010
    Kloster Ettal | Bild: picture-alliance/dpa

    Februar 2010

    Skandal in Kloster Ettal

    Im Februar 2010 werden erste Vorwürfe gegen das Internat des Benediktinergymnasiums im oberbayerischen Kloster Ettal laut. Im März lässt die Staatsanwaltschaft München II in Ettal erstmals ein Kloster durchsuchen. Zuvor hatten 20 mutmaßliche Opfer von sexuellen Übergriffen oder körperlicher Züchtigung berichtet. Verdachtsfälle von 2003 bis 2005 waren nicht ordnungsgemäß gemeldet worden. Im April wird ein Bericht über Gewalt, Missbrauch und Sadismus vorgelegt: Insgesamt sollen sich rund 15 Mönche an über 100 Schülern vergangen haben.

  • März 2010

    März 2010

    Der Fall Peter H.

    Im März 2010 suspendiert das Erzbistum München und Freising den Pfarrer Peter H. Vorausging ein schier unglaubliche Geschichte. Anfang der 1980er-Jahre war er in psychiatrischer Behandlung nach sexuellem Missbrauch von Kindern. Obwohl der Psychiater das Erzbistum davor gewarnt hatte, ermöglichte es ihm erneut Kontakt zu Kindern. 1986 wurde H. wegen sexuellen Missbrauchs zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Daraufhin wurde er nach Garching an der Alz versetzt. Weitere 21 Jahre konnte er mit Kindern arbeiten. 2008 wurde ihm Kinder- und Jugendarbeit untersagt.

  • März 2010
    Logo der Regensburger Domspatzen ist auf der Fassade des Gymnasiums und Internats der Regensburger Domspatzen | Bild: picture-alliance/dpa

    März 2010

    Regensburger Domspatzen I

    Im März 2010 äußert sich das Regensburger Ordinariat zu Strafprozessen verstorbener Täter bei den Regensburger Domspatzen. So wurden die geistlichen Internatsleiter Friedrich Zeitler und Georg Friedrich Zimmermann im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen zwischen 1958 und 1973 suspendiert und von weltlichen Gerichten verurteilt. Etwa viereinhalb Jahre später wird bekannt, dass das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs im Zuständigkeitsbereich des Bistums Regensburg noch viel größer war (siehe Station "November 2014").

  • Mai 2010
    Innenhof des Canisius-Kollegs in Berlin | Bild: picture-alliance/dpa

    Mai 2010

    Missbrauch bei Jesuiten

    Auch im Jesuitenorden gab es zahlreiche Missbrauchsfälle. Der Orden beauftragte eine Rechtsanwältin, einen Untersuchungsbericht zu erstellen, der im Mai 2010 veröffentlicht wird. Darin ist von mindestens 205 Opfern die Rede, die in Einrichtungen der Jesuiten körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht worden seien - unter anderem am Canisius-Kolleg Berlin (Bild), am Kolleg St. Blasien und am Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg. Im Bericht wird kritisiert, dass die Taten durch Angehörige des Ordens systematisch vertuscht worden seien.

  • September 2010
    Bistum Augsburg | Bild: picture-alliance/dpa

    September 2010

    34 Fälle im Bistum Augsburg

    Im September 2010 legt der Missbrauchsbeauftrage des Bistums Augsburg einen umfangreichen Bericht vor. Nach weiterer Prüfung ergeben sich insgesamt 34 Missbrauchs- und Misshandlungsfälle im Zuständigkeitsbereich diese Bistums zwischen 1946 bis 2003. 30 Opfer waren männlich, vier weiblich. Das jüngste war acht Jahre alt. Die sexuellen Übergriffe fanden häufig auf dem Anwesen der Eltern statt. Nach 2003 wurden keine Missbrauchsfälle mehr registriert. Das Bistum bietet fünf Opfern therapeutische Behandlung an und übernimmt die Kosten von etwa 50.000 Euro.

  • November 2010
    Internat des Klosters Ettal | Bild: picture-alliance/dpa

    November 2010

    Klage gegen Ettaler Mönch

    Die Münchner Staatsanwaltschaft reicht im November 2010 gegen "Pater G.", einen ehemaligen Lehrer des Ettaler Gymnasiums, Klage ein. Der ehemalige Mönch soll zwischen 2001 und 2005 in mehr als 20 Fällen Schüler unter 14 Jahren sexuell missbraucht haben. Der Ex-Erzieher muss sich ab 22. Januar 2015 vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts München II wegen sexuellen Missbrauchs verantworten.

  • Dezember 2010
    Katholische Kirche: Missbrauchsbericht für Erzbistum München und Freising | Bild: picture-alliance/dpa

    Dezember 2010

    Hunderte Fälle im Erzbistum München und Freising

    Im Dezember 2010 wird der Missbrauchsbericht für den Zuständigkeitsbereich des Erzbistum München und Freising vorgelegt. Demnach gab es zwischen 1945 und 2009 etwa 365 Hinweise auf sexuellen Missbrauch. Insgesamt waren 159 Priester auffällig, 26 wurden verurteilt. 17 weiteren Priestern wurden Sexualdelikte, in 36 Fällen wurden körperliche Misshandlungen nachgewiesen. Die Gutachterin geht aber insgesamt von einer erheblichen Dunkelziffer aus.

  • Februar 2011
    Kloster Ettal | Bild: picture-alliance/dpa

    Februar 2011

    Ettal entschädigt Opfer

    Im Februar 2011 wird ein neuer Bericht vorgelegt, der im Wesentlichen den von 2010 bestätigt. Das Kloster Ettal hat einen Entschädigungsfonds von 700.000 Euro für 70 Betroffene eingerichtet. Die Betroffenen erhalten im Schnitt 10.000 Euro.

  • November 2014
    Die Turmspitzen des Regensburger Doms | Bild: picture-alliance/dpa

    November 2014

    Regensburger Domspatzen II

    Im November 2014 erklärt das Bistum Regensburg, es habe 30 Opfer anerkannt, die durch Mitarbeiter der Kirche als Kinder sexuell missbraucht worden seien. Wie viele dieser 30 Opfer den Domspatzen angehörten, möchte das Bistum nicht mitteilen. Die Justiz habe 77 minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs im Zuständigkeitsbereich des Bistums seit 1945 ermittelt. Im selben Zeitraum wurden im Bistum Regensburg 13 Geistliche wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern strafrechtlich verurteilt.

  • Januar 2016
    Anwalt Ulrich Weber | Bild: BR/Kilian Neuwert

    Januar 2016

    Zwischenbilanz bei Domspatzen

    Opferanwalt Ulrich Weber stellt am Vormittag in Regensburg einen Zwischenbericht zu seinen Recherchen vor. Demnach seien von 1953 bis 1992 mindestens 231 Kinder bei den Domspatzen von Priestern und Lehrern des Bistums verprügelt oder sexuell missbraucht worden. Die meisten Misshandlungen seien in der früheren Vorschule in Etterzhausen und dann in Pielenhofen begangen worden. Auch der langjährige Chef der Domspatzen, Georg Ratzinger, soll von den Misshandlungen gewusst haben.

  • Oktober 2016
    Vier-Säulen-Konzept: Bausteine des Aufarbeitungskonzeptes | Bild: BR

    Oktober 2016

    Vier-Säulen-Konzept zur Wiedergutmachung

    In einer weiteren Zwischenbilanz am 12. Oktober 2016 wird ein "Vier-Säulen-Konzept" vorgestellt, das zu einer Wiedergutmachung mit den Opfern beitragen und verhindern soll, dass solche Fälle von Missbrauch sich wiederholen. Bei den ersten beiden Säulen handelt es sich um zwei Studien, die im Frühjahr 2017 beginnen und zwei Jahre dauern: eine historische und eine sozialwissenschaftliche Studie. Die dritte Säule beschreibt eine Anlaufstelle für Opfer, die dem Bistum Regensburg nicht vertrauen. Die vierte Säule regelt die finanzielle Entschädigung der Opfer.

  • Juli 2017

    Juli 2017

    Abschlussbericht zu Domspatzen wird vorgelegt

    Sieben Jahre nachdem die Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen bekannt wurden, legt Rechtsanwalt Ulrich Weber am 18. Juli 2017 seinen Abschlussbericht vor. Opfervertreter Peter Schmitt bezeichnet den Bericht als großen Schritt: "Nach vielen Jahren ist damit das Ziel einer umfangreichen Aufklärung der Missbrauchsfälle zwischen 1949 und 1992 erreicht."


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