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Viele Geburten, wenige Geburtshelfer "Wir suchen händeringend Hebammen"

Es gibt mehr Geburten in Bayern, auch in Schwaben. In Memmingen und Neu-Ulm werden Rekordzahlen für dieses Jahr gemeldet. Steigende Geburtenzahlen heißt auch - plötzlich fehlen die Hebammen.

Stand: 22.09.2016

Baby wird gewogen | Bild: picture-alliance/dpa

Fast 2000 Babys heuer - so viele wie noch nie: Memmingen erlebt gerade einen Babyboom. Doch woher kommen all die Kleinen? Die Geburtenzahlen steigen generell – und dann kommt noch der Trotz der schwäbischen Frauen dazu: Denn im 30 Kilometer entfernten Illertissen hat vor rund fünf Monaten die Geburtenstation dicht gemacht. Geht es nach dem Landkreis Neu-Ulm – dann sollten die Frauen künftig in Neu-Ulm entbinden. Doch die fahren lieber die A7 weiter nach Süden, nach Memmingen. Chefarzt Felix Flock aus Memmingen hat ein Problem. Er braucht schnell neue Hebammen.

"Wir sind hier in Memmingen Mitte Mai relativ überrascht worden von den Entwicklungen in Illertissen - es hat sich bereits abgezeichnet, es ist dann aber übers Wochenende plötzlich so gekommen, dass die Geburtshilfe komplett geschlossen wurde, so dass wir pro Tag eine Geburt mehr haben. Wir haben mehr Schwestern eingestellt, wir haben zusätzliche Arztstellen geschaffen, wir suchen nun händeringend Hebammen."

Chefarzt Felix Flock

Die Hebammen in Memmingen sind festangestellt. Das hat aber einen massiven Nachteil: Sie verdienen oft nur rund die Hälfte der freien Beleghebammen. Also schauen sich die ausgebildeten Hebammen erst einmal woanders um, auch wenn das Team hier einen sehr guten Ruf genießt. Mandy Knill-Weber wohnt in Illertissen. Hier ist ihr dreijähriger Sohn zur Welt gekommen. Jetzt überlegt sie, wo ihr zweites Kind zur Welt kommen soll. In einem Monat ist es soweit:

"Bis zuletzt hab ich gehofft, dass Illertissen offen bleibt für die Schwangeren. Das ist eine andere Situation, wenn Du weisst, was auf Dich zukommt, von wem du betreut wirst, als wenn du einfach blind in ein Krankenhaus gehen musst und einem Fremden vertrauen musst. Das ist auch etwas, was mich etwas belastet, dass ich nicht weiß, wen ich dann habe."

Mandy Knill-Weber, werdende zweifache Mutter

Überarbeitete, müde Hebammen

Die Geburtenabteilung hat aus zwei Gründen geschlossen. Laut Landkreis Neu-Ulm fehlte das Geld. Der Kreistag beschloss also: Die Belegabteilung mit 700 Geburten muss schließen. Von ehemals elf Hebammen waren zu diesem Zeitpunkt nur noch fünf übrig – überarbeitet und des Kämpfens müde. Die freien Beleghebammen kündigten nach dem Kreistagsbeschluss – und so war die Geburtenabteilung von heute auf morgen zu. Eine der Hebammen, die zuletzt noch arbeiten, war Michaela Wirt-Herold:

"Es sind dann im Lauf der Wochen, weil wir ja schon in der Überlastung drin waren, zwei Kolleginnen krank geworden, und wir mussten uns dann leider zu diesem Schritt durchringen, dass wir aus Überlastung fristlos kündigen mussten, was uns allen sehr weh getan hat."

Hebamme Michaela Wirt-Herold

Auch in Neu-Ulm sind die Geburtenzahlen gestiegen, auch wenn nur ganz wenige aus Illertissen kommen. Die Stadt wächst, und die Geburtenabteilung genießt inzwischen einen ausgezeichneten Ruf, der neue Kreissaal ist fast fertig. Mandy Knill-Weber hat hier Familie, und so überlegt sie, wenn es losgeht, über die A7 nach Neu-Ulm zu fahren – trotz Baustelle. Ende Oktober, wenn ihr kleines Baby kommt, findet landkreisweit ein Bürgerentscheid zum Erhalt der Geburtenstation Illertissen statt. Wer weiß: Sollte sie ein drittes Kind wollen, dann kommt es vielleicht wieder in Illertissen auf die Welt.


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Nicole Jäger, Freitag, 23.September 2016, 11:42 Uhr

2. Hebamme auf Abwegen

Bin Hebamme im genannten Landkreis, habe aufgrund der berufspolitischen Entwicklung meinem geliebten Beruf weitgehend den Rücken gekehrt.
20 Jahre Erfahrung und Wissen bleiben nun bei mir und kommen kaum noch einer Frau zugute.
Ich arbeite nun im Gesundheits/Fitnessbereich und freue mich das erste mal in meinem Berufsleben über Dinge wie freie Wochenenden und Wertschätzung für meine Arbeit.
Verdient habe ich im alten Beruf für den 7-Tage-Einsatz als geburtshilflicher Profi, Seelentrösterin, Psychologin, Gymnastiklehrerin, Alternativmedizinerin, Erziehungsberaterin und Notfallhelferin ohnehin nur dürftig.
Meine tausend Fortbildungen dürfte ich gar nicht erst betrachten - weder was es Zeit noch was es Geld gekostet hat, um auf diesem Niveau als Hebamme zu arbeiten.
So geht es landauf, landab............egal was die Politik/ Spitzenverband der Krankenkassen behaupten.
Und es zählt doch am Ende immer, was unterm Strich steht, nicht wahr?
Fakt ist: Wir, die Hebammen verschwinden.

woollie, Donnerstag, 22.September 2016, 16:46 Uhr

1. nix für ungut

ach do schau her , es fehlen nun die hebammen ... komisch , man hat doch erst vor einigen jahren die haftpflichtversicherung für eben diese berufsgruppe von ein paar hundert euro auf einige tausend euro jahresbeitrag erhöht , da müssen die baby´s nun wohl selber schauen wie sie auf die welt kommen...