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Braune Häuser Kampf um Immobilien

In den vergangenen Jahren haben NPD-Funktionäre und Rechtsextreme immer wieder versucht, in Bayern Immobilien zu erwerben. Diese sollen als überregionale Treffpunkte und Schulungszentren für Neonazis genutzt werden.

Stand: 30.10.2009 | Archiv

Pension Puchtler in Warmensteinach | Bild: BR

Warmensteinach - der kleine Ort im Fichtelgebirge geriet 2008 in die Schlagzeilen, weil sich der millionenschwere Neonazi Jürgen Rieger für den zum Verkauf stehenden Traditionsgasthof "Puchtler" samt umliegender Grundstücke interessierte. Rieger, der im Oktober 2009 gestorben ist, plante dort ein "nationales Zentrum" mit Parteitagen und Schulungen, zudem sollten auf 70.000 Quadratmetern Bauland "nationale Familien für reinrassig arischen Nachwuchs" sorgen. Denn "Rassenmischung" sorge nur für Krankheiten, wie Rieger gegenüber dem Bayerischen Fernsehen schwadronierte.

Wichtigster Finanzier tot

Jürgen Rieger

Er war einer der führenden Neonazis Deutschlands und wichtiger Finanzier der NPD: Der Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger ist Ende Oktober 2009 gestorben. Der 63-jährige NPD-Vize erlag den Folgen eines Schlaganfalls. Der vermögende Rieger galt als wichtigster Kreditgeber für seine Partei. Immer wieder soll er die Wahlkämpfe der NPD mitfinanziert haben. Zudem besaß Rieger in mehreren Bundesländern Immobilien, die zum Teil als Tagungs- und Versammlungszentren für Rechtsextremisten dienen sollten.

Rieger schloss im August 2008 einen notariellen Kaufvertrag über 1,8 Millionen Euro - ein Betrag weit über dem Verkehrswert der Puchtler-Immobilie von 228.000 Euro. Dass die umliegenden Grundstücke den Millionenbetrag rechtfertigen, galt als ausgeschlossen.

Gemeinde wehrt sich

Die oberfränkische Gemeinde jedoch wehrte sich massiv: mit Bürgerprotesten und auch damit, dass der Gemeinderat im Herbst 2008 das Vorkaufsrecht für die Pension Puchtler sicherte. Bürgermeister Andreas Voit und der Gemeinderat hoffen nun auf finanzielle Unterstützung durch den Freistaat. Der Eigentümer, ein Lehrer aus München, legte allerdings Beschwerde gegen das Vorkaufsrecht ein - nun muss das Landgericht Bayreuth entscheiden.

Mehrere Versuche in Bayern

Warmensteinach ist kein Einzelfall im Freistaat. Bereits in den vergangenen Jahren hatten geplante Immobiliengeschäfte der NPD immer wieder für Verunsicherung gesorgt. So wollten Rechtsextreme Anfang 2007 in Wunsiedel die Gaststätte "Waldlust" kaufen.

Das hätte fatale Signalwirkung gehabt, denn in der oberfränkischen Stadt ist der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß begraben. Doch Wunsiedel kaufte das Grundstück. Ähnlich lief es im oberpfälzischen Cham. Auch dort nutzte der Stadtrat sein Vorkaufsrecht, nachdem bereits ein notarieller Kaufvertrag unterzeichnet worden war. In Würzburg wollten Neonazis ein Hotel erwerben, im niederbayerischen Halsbach bei Altötting einen Landgasthof pachten.

Die Kaufinteressenten, die NPD- bzw. Kameradschaftsfunktionäre, genießen den Vorteil, dass sie einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Die Verkäufer wissen meist gar nicht, wer sich einzunisten versucht - und auch die kommunalen Behörden stellen selten entsprechende Recherchen an.  

Schulungszentrum und Treffpunkt

Was steckt hinter diesen Plänen? Rechtsextreme wollen die Immobilien als überregionale Treffpunkte, Schulungszentren und Rückzugsmöglichkeit nutzen. "Auf privatem Grund und Boden können rechtsradikale Feiern ungestört und weitgehend unbehelligt durchgeführt werden", so Andrea Röpke, freie Journalistin und Autorin diverser Sachbücher zum Thema Rechtsextremismus. Dem Zugriff der staatlichen Behörden weitgehend entzogen, können dort verbotene Rechtsrock-Bands ebenso auftreten wie verfassungsfeindliche Ideologien gepredigt werden.

Hotel in Delmenhorst, das Rieger als Tagungsstätte für die NPD kaufen wollte

Jürgen Rieger war in diesem Zusammenhang einschlägig bekannt. Der vermögende Anwalt hatte bereits in Niedersachsen ein Neonazi-Schulungszentrum eingerichtet, das ebenfalls als eine Art "Zuchtanstalt für Arier" dienen sollte. In Delmenhorst wollte Rieger 2006 ein Hotel als Tagungsstätte für die NPD kaufen. Die Stadt wehrte sich erfolgreich.

Der Trick mit der Provision

Hinter dem Interesse an Immobilien stecken zum Teil aber auch schlicht und einfach finanzielle Überlegungen. Die Rechten verstehen es geschickt, Gerüchte über angebliche Immobilienkäufe in Umlauf zu bringen. Damit soll offenbar Druck auf die Gemeinden ausgeübt werden, das Grundstück zu kaufen. Allein der Name Jürgen Rieger reicht mittlerweile aus, um für Aufruhr zu sorgen - ob in Wunsiedel oder Warmensteinach, Melle oder Menden (NRW). Vorteil für den Verkäufer: Der Preis steigt, weil die Gemeinde verhindern will, dass sich die Rechtsextremen einnistet.

Auch Verfassungsschützer vermuten, dass die Neonazis eine Provision kassieren, auch wenn sie die Immobilie oder das Grundstück nicht kaufen. Der bayerische Verfassungsschutzbericht 2008 zitiert das rechtsextremistische "Störtebeker-Netz": Demzufolge gelte es in der Immobilienbranche inzwischen "längst als Geheimtipp, schwer verkäuflichen Objekten die Aura des Verkaufs an ,Nazis' anzudichten", um auf diese Weise die betroffenen Gemeinden "zum Kauf von vollkommen überteuerten ... Immobilien zu nötigen".


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