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Querfront Brücke zwischen den Extremen

Eine neue politische Bewegung macht von sich reden: Sie will nicht rechts sein und nicht links, sondern vorne. Kritiker sagen: Dadurch werden die Grenzen zwischen links und rechts verwischt, sie sprechen von einer neuen "Querfront".

Von: Christian Schiffer

Stand: 07.02.2016 | Archiv

Jürgen Elsässer, Herausgeber des Magazins Compact | Bild: picture-alliance/dpa/Sebastian Willnow

Querfront, dieser Begriff hat in den letzten Monaten eine steile Karriere hingelegt. Zieht man die Daten von Google Trends zurate, wo der Internetkonzern die Anzahl der Suchanfragen zu einem bestimmten Begriff veröffentlicht, dann kann man sehen, dass sich vor dem März 2014 kaum jemand für das Wort Querfront zu interessieren schien. Danach jedoch explodierten die Suchanfragen zu dem Thema förmlich, ein Boom, der bis heute anhält.

Dabei ist Querfront eigentlich ein recht unscharfer Begriff und auch gar nicht mal so neu: Populär wird er in der Weimarer Republik, damals propagieren Politiker mehrerer Parteien, aber auch nationalkonservativ gesinnte Schriftsteller wie Oswald Spengler oder Ernst Jünger einen "Nationalen Sozialismus". Querfront, das bedeutet zu dieser Zeit vor allem: Zusammenarbeit über Partei und Ideologiegrenzen hinweg. Immer wieder hat die eine Seite versucht die andere Seite zu unterwandern, zu vereinnahmen oder zu kopieren, auch in der jüngsten Vergangenheit. Ein bekanntes Beispiel sind die sogenannten "Autonomen Nationalisten", Neonazis, die Kleidung und Aktionsformen der Antifa kopierten. Bei weitem nicht der erste Versuch dieser Art, sagt der Soziologe Dieter Rucht, der vor allem zu sozialen Bewegungen forscht:

"Zum einen gab es Versuche von Rechten, in die Anti-Atomkraft- und Ökologiebewegung einzuwandern. Das sind Versuche gewesen, sich dieses Themas gegen Atomkraft zu bedienen, um größere Massen von Menschen zu erreichen. Solche Annäherungen von rechter Seite gab es immer wieder, aber die Reaktion war in der Regel: Wir wollen mit Euch nichts zu tun haben, egal ob Ihr jetzt auch mit uns gegen Atomkraft seid, wir wollen nicht nebeneinander stehen auf einer Demonstration. Ähnlich war es auch in der Friedensbewegung zum Beispiel bei der großen Demonstration 2003 gegen den Irakkrieg, da gab es einige Rechte, die da auch mitmischen wollten, die aber ausgegrenzt wurden."

Dieter Rucht, Soziologe

Als 2014 in ganz Deutschland sogenannte "Mahnwachen gegen den Frieden" stattfinden, werden die Rechten nicht mehr ausgegrenzt, weder ihr Personal, noch ihre Gedanken. Schnell ist auch hier von einer sogenannten "Querfront" die Rede. Diese Form der Querfront hat in den letzten Monaten an Zulauf und an medialer Aufmerksamkeit gewonnen, wobei diejenigen, die mit dem Begriff gemeint sind, sich natürlich niemals selbst dazu zählen würden. Die neue Bewegung presst die komplexe multipolare Welt in ein einfaches Gut-Böse-Schema sagt Markus Linden von der Universität Trier. Der Politikwissenschaftler beschäftigt sich unter anderem mit so genannten "Alternativmedien":

"Die Bewegung hat ja mehrere Ursachen. Eine Ursache würde ich darin sehen, dass eine realistische Weltsicht in den deutschen Medien lange unterrepräsentiert war. Realistische Weltsicht heißt, es geht um Staaten, die Interessen haben und die diese Interessen dann unter Umständen auch aggressiv durchsetzen. Und das Paradebeispiel für einen solchen Staat ist dann im Rahmen dieser Alternativmedienszene die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Interventionspolitik im Nahen und Mittleren Osten für diese Medienmacher eigentlich die Initialzündung war, für die Konflikte der Gegenwart. Und da vermischen sich dann wieder legitime Kritik und auch eine, meines Erachtens, illegitime Fundamentalkritik an der politischen Klasse per se."

Markus Linden, Politikwissenschaftler

Der Fundamentalkritik an den Medien, der politischen Klasse und an den Vereinigten Staaten von Amerika, steht eine Glorifizierung Russlands und seines Präsidenten Wladimir Putin gegenüber. Und dieses ideologische Angebot scheint viele Anhänger zu finden, wie der Erfolg von diversen Medienangebote zeigt, angefangen von Ken FM bis hin zum Kopp Verlag. Und doch scheint es unter der Oberfläche dieser neuen Bewegung zu brodeln, denn Pegida und der Flüchtlingszuzug zeigen, dass sie vielleicht doch nicht überholt sind, die Kategorien links und rechts.


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