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Doping bei Olympia Nicht nur Russland auffällig

Russlands Leichtathleten stehen nach dem Doping-Skandal am Pranger. Doch auch die Leichtathletik-Teams anderer Länder fallen in den Statistiken auf. Das zeigt eine Analyse der Dopingfälle bei Olympia.

Von: Kira Schacht und Oliver Schnuck (BR Data)

Stand: 17.08.2016 | Archiv

Darya Klishina ist die einzige russische Leichtathletin, die in diesem Jahr bei Olympia an den Start geht. Trotz der Sperre für das komplette Leichtathletik-Team konnte die Weitspringerin glaubhaft machen, dass sie nicht in Russlands Doping-Skandal verwickelt war. Zwar sind Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Urin-Proben der Sportlerin noch nicht ausgeräumt, sie erstritt jedoch vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) die Starterlaubnis für Rio.

Der Ende letzten Jahres bekannt gewordene Skandal um systematisches Doping im russischen Team war ein harter Schlag für die Integrität des Sports. Und die Doping-Fälle bei vergangenen olympischen Spielen zeigen: Nicht nur aus Russland werden auffällig viele Leichtathleten beim Dopen erwischt.

Türkei, Weißrussland und Ukraine fallen auf

Der Weltleichtathletikverband IAAF veröffentlicht jedes Jahr die Namen und Nationalitäten aller Leichtathleten, deren Olympische Leistungen wegen positiver Doping-Tests während oder kurz vor den Spielen aberkannt wurden. Mit 18 Fällen insgesamt führt Russland die Liste mit einigem Abstand an. Allerdings ist Russland ein großes Land, das jedes Jahr um die 100 Leichtathleten zu den Spielen schickt. Misst man die Doping-Fälle an der Größe der Nationalteams, so fallen neben Russland beispielsweise auch die Türkei, Weißrussland und die Ukraine mit überdurchschnittlich hohen Werten auf.

In dieser Grafik wurden die Teilnehmerzahlen und Dopingfälle seit 1996 gewertet. Das waren die ersten Spiele nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, bei denen die nationalen Teams in etwa den heutigen entsprachen.

Hajo Seppelt | Bild: picture-alliance/dpa

ARD-Doping-Experte Hajo Seppelt

Für den ARD-Doping-Experten Hajo Seppelt ist das nicht überraschend: „In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion herrschen nicht nur in der Leichtathletik immer noch Strukturen, die an die Zeit vor 1989 erinnern. Die auffällige Häufung von Dopingfällen aus diesen Ländern ist also wohl ein Indiz dafür, dass dort in großem Stil manipuliert wird.“ Die Türkei habe zwar einen anderen politisch-historischen Hintergrund. Auch dort gebe es jedoch Hinweise von Doping-Analytikern, die zeigen, dass dort über Jahre hinweg sportliche Regeln massiv verletzt wurden.

Nicht mehr Doping, sondern bessere Tests

Die Zahl der positiven Dopingfälle in der Leichtathletik nahm bei den vergangenen Spielen stark zu, wie die Zahlen der IAAF zeigen. Fast die Hälfte aller aktuell bekannten Verstöße stammt allein von den Olympischen Sommerspielen 2012.

Es wäre aber ein Trugschluss, zu denken, dass deshalb in der Leichtathletik in der Vergangenheit fairer gekämpft wurde. „Die Situation früher war vermutlich noch viel dramatischer als heute“, so Seppelt. „Aber die Aufklärungsquote war sehr gering. Es gab kaum Aufklärungswillen, weniger Dopingtests und deutlich schlechtere Testmethoden.“ Zu den modernen Testmethoden gehören auch nachträgliche Tests. Dabei werden alte, eingefrorene Proben noch einmal ausgewertet. Denn oft stellt sich erst Jahre später heraus, womit die Sportler ihre Leistung geputscht haben.

Zurzeit werden erneut Proben von 2008 und 2012 geprüft. Laufend kommen deshalb weitere Namen zu den bekannten Doping-Fällen hinzu. Allein in der letzte Woche waren es eine russische Läuferin, ein Hammerwerfer aus Weißrussland und ein ukrainischer Speerwerfer. Insgesamt 45 verdächtige Proben aus allen olympischen Sportarten wurden während der aktuellen Testwelle gefunden. Eine vollständige Namensliste hat das Olympische Komitee aus rechtlichen Gründen bisher noch nicht veröffentlicht.

Frauen werden häufiger erwischt

Auffällig ist außerdem, dass in der Leichtathletik deutlich mehr Frauen als Männer ihre olympischen Leistungen abtreten mussten. Auch das zeigt die Zahl der offiziellen Dopingfälle.

Dabei waren Männer bisher bei allen Spielen überrepräsentiert. Erst 2012 in London war das Geschlechterverhältnis zum ersten Mal annähernd ausgeglichen. Dass dennoch so viel mehr Frauen des Dopings überführt wurden, könnte daran liegen, dass sie sich vom Betrug größere Erfolge erhoffen, so Experte Hajo Seppelt: „In der Leichtathletik dopen Sportler häufig mit traditionellen Kraftmachern wie Anabolika. Solche anabolen Steroide können bei Frauen in vielen Fällen weit größere Leistungssprünge bewirken als bei Männern. Das kann zur Folge haben, dass weibliche Sportler öfter und rücksichtsloser dopen oder gedopt werden, weshalb sie auch eher dabei erwischt werden.“

WADA-Studie

Warum Männer und Frauen zu Dopingmitteln greifen und ob es dabei Unterschiede gibt, lässt die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) aktuell soziologisch untersuchen. Die Forschung ist aber noch nicht abgeschlossen.

Ob Weitspringerin Darya Klishina zu diesen Frauen gehört, ist weiterhin unklar. Auch wie sauber die aktuellen Spiele in Rio sind, lässt sich nicht verlässlich sagen. Die Nach-Tests der nächsten Jahre werden immerhin dafür sorgen, dass zahlreiche weitere Athleten des Dopings überführt werden. Das heißt jedoch nicht, dass olympische Sportler immer häufiger betrügen. Allmählich beginnt die Welt bloß damit, ihren Betrug auch zu sehen.


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