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In der Bayerischen Staatskanzlei Gedenkakt für russlanddeutsche Opfer der Vertreibung

In der Bayerischen Staatskanzlei wurde am Sonntagnachmittag der russlanddeutschen Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht. Am 28. August 1941 ordnete der Oberste Sowjet der UdSSR die Deportation der Russlanddeutschen und die Auflösung der Wolgadeutschen Republik an. Zwei Monate vorher hatte Hitler-Deutschland die Sowjetunion überfallen.

Von: Gerhard Brack

Stand: 28.08.2017 | Archiv

Gedenken an die russlanddeutschen Opfer von Flucht und Vertreibung am 27. August 2017 in der Bayerischen Staatskanzlei in München  | Bild: BR/Gerhard Brack

Diskriminiert worden waren die Russlanddeutschen schon vorher in Stalins Reich.

Einige Dutzend Russlanddeutsche nahmen an der Gedenkfeier teil.

Doch mit dem 28. August vor 76 Jahren begannen die Deportationen in den Osten.

Sie kosteten über 300.000 Menschen das Leben, erinnerte der katholische Geistliche Monsignore Alexander Hoffmann in der Gedenkstunde an die vielen Opfer. In Viehwaggons wurden die Russlanddeutschen nach Mittelasien und Sibirien verbracht, wo viele - oft ohne jedes Werkzeug - ausgesetzt wurden und an Hunger und Kälte starben. Gedacht wurde der Russlanddeutschen vor der Gedenktafel für die Opfer von Flucht und Vertreibung in der Bayerischen Staatskanzlei.

"Diese Opfer sind keine anonyme Masse. Sie alle haben einen Namen. Es sind Eltern und Großeltern, unsere Verwandten. Sie waren Arbeiter, Bauern, Akademiker, Frauen und Männer, Alte und Junge. Wir beklagen unsere Brüder und Schwestern, die unter der Willkürherrschaft in Russland und in der Sowjetunion leiden und sterben mussten."

Päpstlicher Ehrenkaplan Alexander Hoffmann

Verhungert, ermordet, vernichtet

Der Geistliche erinnerte an die tausenden Deutschen, die in ihren Siedlungsgebieten in der Sowjetunion an der Wolga, in der Ukraine oder im Kaukasus schon vor der Deportation in den Jahren des Terrors bis 1938 festgenommen und in Gefängnissen und Lagern erschossen wurden. Außerdem rief er die Zwangsarbeiter in Erinnerung, die in Mittelasien, im Ural und in Sibirien in Straflagern verhungerten und starben, sowie die, die wegen ihres Glaubens oder auch einfach wegen ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe ermordet wurden.

"Wir denken an die Zehntausenden, die in den Arbeitslagern der Trudarmee verhungerten oder in brutaler Weise vernichtet wurden. Nie konnten sie wieder zu Frau und Kindern zurückkehren."

Monsignore Alexander Hoffmann

Die Russlanddeutschen verstehen sich als Nachkommen jener Siedler, die Zarin Katharina, die Große, im Juni 1763 nach Russland gerufen hatte, um das Land urbar zu machen und Zivilisation in unbevölkerte Teile ihres Reiches zu bringen.

Das Ende der deutschen Wolgarepublik

Ewald Oster beleuchtete die Geschichte der Wolgadeutschen.

Im Wolgagebiet waren die Deutschen in der Mehrheit, so dass dort von 1918 an eine autonome Republik der Wolgadeutschen innerhalb der russischen Unionsrepublik mit Deutsch als erster Amtssprache bestand. Dort waren 1939 von den etwa 600.000 Bewohnern rund 370.000 deutsch. Am 27. August 1941, nach dem Überfall von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion, wurde die Wolgarepublik zerschlagen und die Bewohner pauschal als Spione, Kollaborateure, Saboteure und feindliche Agenten deportiert, viele ermordet.

Auf dieses Kapitel der Geschichte bezog sich Ewald Oster, der Vorsitzende der bayerischen Landesgruppe der Landsmannschaft der Russlanddeutschen, in seinem Grußwort:

"Die Vorwürfe der Kollaboration von Wolgadeutschen entbehrten jeder Grundlage. ... Innerhalb kürzester Zeit mussten sie ihre Wohnorte verlassen, verloren ihr Hab und Gut und wurden zu Rechtlosen, die man in Viehwaggons nach Westsibirien oder Kasachstan deportierte. Viele haben die oft wochenlange Reise nicht überlebt. Anschließend wurden sie in Sondersiedlungen zusammengefasst, die sie nicht verlassen durften - und das bis 1955, denn erst dann wurden diese 'Sondersiedlungen' aufgelöst."

Ewald Oster, Vorsitzender der bayerischen Landesgruppe der Landsmannschaft der Russlanddeutschen

Der Gebrauch der deutschen Sprache wurde den Russlanddeutschen verboten, Dörfer und Orte wurden russifiziert, Männer zur Zwangsarbeit verpflichtet.

Eine Mahnung an die Welt

Josef Zellmeier forderte, das Recht auf Heimat als Menschenrecht durchzusetzen.

Festredner Josef Zellmeier, CSU-Landtagsabgeordneter und zugleich stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen, lobte den Fleiß und die Anpassungsfähigkeit der Russlanddeutschen. Seit dem Ende der Sowjetunion seien 4,5 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland gekommen, zwei Drittel davon aus Russland. Sie stellten damit die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik, so Zellmeier.

"Das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler ist eine Mahnung an die Welt, Vertreibungen zu ächten und Vertreiber hart zu bestrafen. Die Opfer, derer wir heute ehrend gedenken, verpflichten uns, das Recht auf Heimat als Menschenrecht durchzusetzen."

Josef Zellmeier, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen

Berührende Erinnerung an den Vater

Maria Schefner gedachte ihres Vaters und damit zugleich unzähliger russlanddeutscher Familienschicksale.

Die Münchner Kreisvorsitzende der Russlanddeutschen, Maria Schefner, erinnerte in einem bewegenden Gedicht an ihren Vater, der hart unter Zwangsarbeit und Umsiedlungen litt, diese Leidenszeit aber überlebte und in die Bundesrepublik übersiedeln konnte.

Elena Baumann und Adrian Ingerl umrahmten den Gedenkakt musikalisch.

"Ich bin sein Kind", so der Titel - und das Vorgetragene stand symbolisch pars pro toto für unzählige russlanddeutsche Familiengeschichten, die alle ein verwandtes Schicksal verbindet.

Musikalisch würdig umrahmt wurde die Feier von Elena Baumann (Gesang) und Adrian Ingerl (Gitarre).


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Oster, Montag, 28.August 2017, 08:27 Uhr

2. Gedenkfeier tag der Deutschen aus Russland

Sehr geehrter Herr Gerhard Brack, ich danke ihnen für denn geschichtlich und redaktionell sehr professionell Beitrag. Geschichtlich für die Deutschen aus Russland ein Historisch schrecklichen Schicksals Tag. Mit freundlichen Grüßen. Ewald Oster LV

Squareman, Montag, 28.August 2017, 00:04 Uhr

1. Entwurzelt

Und unter Kohl wurden diese Menschen ein weiteres Mal entwurzelt indem man sie nach Deutschland holte wo viele bis heute nicht angekommen sind. Sie sehen RT und nehmen das als bare Münze. Sie verehren Putin und sind dem "Westen" im allgemeinen und den USA im besonderen feindlich eingestellt. Auch hier ist die Integration bei vielen gescheitert.