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Al-Kaida in Syrien Ein zweiter "Gottesstaat" droht

Die Nusra-Front, Ableger von Al-Kaida, gewinnt in Nordsyrien immer größeren Einfluss. Sie schickt Experten zufolge hochrangige Vertreter in das Gebiet: Denn angeblich will die Terrororganisation dort einen weiteren "Gottesstaat" ausrufen.

Von: Judith Dauwalter

Stand: 16.05.2016 | Archiv

Männer auf einem Motorad halten Flaggen der Nusra-Front | Bild: Reuters (RNSP)

Noch vor ein paar Jahren bestimmte Al-Kaida regelmäßig die Schlagzeilen – mit Terroranschlägen, Bekenner- und Drohvideos und großen Namen wie Osama bin Laden. Dann wurde es ruhiger um die Terrororganisation: Eine neue Gruppierung entwickelte sich zum Synonym für islamistischen Terror – ISIS, später IS, der sogenannte Islamische Staat. In Teilen Syriens und des Iraks rief die Organisation im Juni 2014 ein Kalifat aus. Für die jüngsten Anschläge in Brüssel und Paris, die so schmerzlich im europäischen Gedächtnis geblieben sind, zeichnet der IS verantwortlich. Der Name von Anführer Abu Bakr Al-Baghdadi ist auch Vielen im Westen geläufig.

Vorbereitungen auf ein Emirat

Geläufiger als der des aktuellen Al-Kaida-Chefs Aiman az-Zawahiri. Der IS scheint der Konkurrenz den Rang abgelaufen zu haben, zumindest scheint das in der öffentlichen Wahrnehmung so. Doch das trügt, versichern Terrorismusexperten immer wieder. Hintergründig warnte zuletzt der Amerikaner Charles Lister, der schwerpunktmäßig zum syrischen Dschihad forscht: Die Nusra-Front, die als syrischer Ableger von Al-Kaida gilt, stehe im Norden des Landes kurz davor, ein eigenes Emirat auszurufen.

Dafür habe die Gruppierung sorgfältige Vorarbeit geleistet. Als es um die Kontrahenten im syrischen Bürgerkrieg ruhiger geworden war, schlug auch die Front zurückhaltendere Töne an und gewann damit Sympathien oppositionell eingestellter Syrer.

"Die Nusra-Front hat in Syrien Einfluss bekommen, weil moderatere Elemente der Opposition unzureichende Unterstützung bekommen haben. Dies muss sich ändern."

Charles Lister, amerikanischer Terrorexperte in der Politikzeitschrift Foreign Policy

Attraktives Gebiet

In den letzten drei Jahren seien außerdem zahlreiche erfahrene und hochrangige Al-Kaida-Terroristen nach Nordsyrien umgesiedelt, beschreibt Lister: Darunter Männer aus dem näheren Umfeld von Osama bin Laden, direkte Kampfgenossen oder Verwandte, aber auch Köpfe des Terrornetzwerks aus dem Iran oder Saudi-Arabien. In ersten Gebieten hat die Nusra-Front sogar schon eine Teilverwaltung übernommen: Die Bewohner der nordsyrischen Städte Idlib oder Dschisr al-Schughur etwa müssen Strom und Wasser von den Terroristen kaufen und Steuern an sie zahlen.

"Ob wir es wollen oder nicht: Die Vereinten Nationen und ihre Verbündeten befinden sich jetzt im Kampf um Einfluss mit Al-Kaidas bisher effektivstem und erfolgreichstem Ableger. Sollte man diesen Ableger weiter ignorieren oder den Kampf verlieren, wären die Folgen wohl katastrophal."

Charles Lister, amerikanischer Terrorexperte in der Politikzeitschrift Foreign Policy

Nordsyrien ist ein attraktives Gebiet für Al-Kaida, hat geographisch deutliche Vorteile gegenüber den bisherigen Hauptstützpunkten in Afghanistan und dem Jemen: Nach Europa ist es nicht mehr weit, hinter einer Grenze liegt der Erzfeind Israel, überhaupt ist die Lage viel zentraler.

Schwerwiegende Folgen

Sollte es der Nusra-Front gelingen, ihren eigenen "Gottesstaat" in Nordsyrien auszurufen, befürchtet Terrorismus-Experte Lister schwerwiegende Konsequenzen: In Syrien würde sich die Front dann wieder radikalisieren, Bürgerrechte einschränken, die Scharia einführen und den Friedensprozess weiter erschweren. Und in internationaler Hinsicht könnte sich Al-Kaida mit neuer Stärke und neuem Selbstbewusstsein daran machen neue, aufsehenerregende Anschläge zu planen.

Deutsche Terroristen und die Nusra-Front

Die 2012 aufgestellte Nusra-Front hat ihren eigenen Eintrag im Bayerischen Verfassungsschutzbericht: "Die Organisation übte bislang eine große Anziehungskraft auf deutsche Dschihadisten aus, musste jedoch mit Erstarken des konkurrierenden Islamischen Staates (IS) einen deutlichen Rückgang ihrer Anhängerschaft verzeichnen", heißt es dort.
Dennoch sei die Anziehungskraft nicht zu unterschätzen. So sagte die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke der österreichischen Tageszeitung Die Presse: "Wer den längeren, ideologischen Radikalisierungsweg hinter sich hat, geht nicht um IS, sondern zu Jabat al-Nusra. Den zu deradikalisieren ist viel schwieriger als einen Jungen, der beim IS Action, Abenteuer, Männlichkeit sucht."

Al-Kaida-Sympathisanten aus Bayern: Erhan A. und Halit K.:


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Kritischer Hörer, Dienstag, 17.Mai 2016, 22:22 Uhr

7. Der Westen hat sich und uns in die Tasche gelogen, als er

... die "gemäßigte Opposition" unterstützte.

Der syrisch-katholische Erzbischof Jacques Behnan Hindo von Hassakè-Nisibi: “Die westliche Propaganda redet weiterhin von gemäßigten Rebellen, doch die gibt es nicht: in der Galaxie der bewaffneten Gruppen sind die Soldaten der Syrischen Befreiungsarmee nur mit einer Lupe zu finden. Alle anderen, abgesehen vom IS, haben sich in der Al-Nusra-Front zusammengeschlossen, ein Ableger der Al Kaida in Syrien”
Karin Leukefeld in einem Bericht aus Syrien in einem Interview: es ist bekannt, dass diejenigen, die sie hier als Moderate ausbilden, (die „gemäßigten“ Rebellen) hier die ganzen Kirchen angezündet haben. … es ist unverantwortlich … die Bevölkerung hier kann nicht verstehen, wie der Westen sich so verhalten kann.
Der Journalist J. Todenhöfer sagte in einem Interview, dass diese "gemäßigten" Oppositionellen durchwegs Islamisten seien, die nur dann, wenn es um neue Waffenlieferungen geht, auch mal schnell für "Demokratie" eintreten.

I.S., Montag, 16.Mai 2016, 18:28 Uhr

6. Schmalspur islamisten

Die haben doch schon den ersten nicht auf die Reihe gekriegt. Nette Pfingstbotschaft. Außerdem können kleine Menschlein keinen Gottesstaat errichten etwas entscheidendes fehlt ...ein Gott,welcher auch immer. Nach dem Motto wir basteln uns einen Gottesstaat,ist die Frage mit welchem Geld? Diese Verkleidung ist doch reines Machogehabe von Männern einfach nur lächerlich.

  • Antwort von G.W.Friedrich, Montag, 16.Mai, 18:51 Uhr

    Lesen Sie doch mal den Artikel im Tagesspiegel. Kleiner Geschichtsunterricht .
    Links darf man hier nicht einsetzen. Es geht um das Sykes-Picot-Abkommen von 1916.

  • Antwort von I.S., Dienstag, 17.Mai, 22:05 Uhr

    @Antwort von G. Friedrich
    Ich habe überhaupt keinen Link eingesetzt.

johann, Montag, 16.Mai 2016, 17:37 Uhr

5. "Gottesstaat"

Nur Gott kann das Reich Gottes ausrufen, sonst niemand. Was maßen sich diese Mörder, Vergewaltiger und Plünderer an. Lieber BR es wäre angebracht das Wort "Gottesstaat", wenn sie es schon verwenden, in Anführungszeichen zu setzen. Das was diese Leute treiben, hat eher was mit dem Teufel zu tun. (Anm. d. Red.: Vielen Dank für die Anregung, haben wir umgesetzt.) Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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KSLL, Montag, 16.Mai 2016, 16:14 Uhr

4. Erzfeind Israel?

So ein schlimmer Erzfeind kann Israel für diese Gruppierungen nicht sein, da weder von Al Kaida noch von ISIS ein ernsthafter Versuch unternommen wurde, Israel anzugreifen. Und auch Israel scheint diese Gruppen nicht so schlimm zu finden. Michael Oren, der ehemalige israelische Botschafter in den USA, sagte bereits, dass er Al-Kaida-nahe Islamisten in Syrien dem Assad-Regime vorziehen würde.

Thomas Borchert, Montag, 16.Mai 2016, 15:33 Uhr

3. Verwundert Uns das?

Also mich nicht. Denn man muss sich nur mal die Frage stellen, wer, wo, wie, was die Schiiten und Sunniten die 1400 Jahre relativ friedlich miteinander lebten, gegeneinander ausgespielt hat, so das sich heute Schiiten und Sunniten als Ungläubige bezeichnen und sich bekämpfen?
LG Thomas Borchert

  • Antwort von Barbara, Montag, 16.Mai, 15:51 Uhr

    Können Sie bitte erklären, wer die "Schiiten" sind und wer die "Sunniten" sind und wodurch sich die einen von den anderen unterscheiden?

  • Antwort von Truderinger, Montag, 16.Mai, 16:16 Uhr

    @Barbara, das lässt sich spielend einfach googeln

  • Antwort von Barbara, Montag, 16.Mai, 16:31 Uhr

    Sie meinen, daß Google die Wahrheit gepachtet habe?

  • Antwort von Truderinger, Montag, 16.Mai, 16:56 Uhr

    Nein Barbara, Google ist so eine Suchmaschine, mit deren Hilfe man Seiten finden kann, auf denen man Informationen erhalten kann. Die Wahrheit gepachtet hat ohnehin nur die AfD und ihre Jünger:-)

  • Antwort von Naturalist, Montag, 16.Mai, 17:29 Uhr

    Ganz vereinfacht könnte man sagen, so wie Katholiken und Protestanten.
    Und wie bei den Christen, meint jede Strömung die Wahrheit gepachtet zu haben.